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Leipziger Tageblatt und Anzeiger. 244. Freitag den 1. September. 1854. sssss« Bekanntmachung. Zur diesjährigen, auf Sonntag den 3. September verlegten Feier des Constitutionsfestes wird dem um 8 Uhr früh beginnenden Gottesdienste um halb 7 Uhr ein dreimaliges Abblasen der Melodie „Nun danket alle Gott" von den beiden Hauptthürmen und von 7 Uhr an das Lauten mit allen Glocken vorangehen. Der Rath der Stadt Leipzig. Koch. Leipzig, den 30. August 1854. Zwei Wünsche. (Entgegnung.) II. „Biet, Bier, und abermals Bier", das ist das Losungswort unserer Tage! Nun soll ich gar darüber schreiben, ich, der ich so wenig davon verstehe, als mein Meinungsgegner! Und doch muß Es geschehen — Und es kann geschehen, heut zu Tage, wo Dichter und Schriftsteller so in Schaaken in der Welt herumlaufen, daß sie die Sonne verdunkeln, wenigstens die der Erkenntniß — denn es wird so viel geschrieben, diSputirt und behauptet, daß es statt hell und aufgeklärt zu werden, bisweilen so dunkel wird, daß — ein Blinder den Andern führen muß. - Darum nur drauf los, es wird schon gehen, auch wird sich schon Einer finden, der wieder etwas dagegen zu sagen weiß, und so diSputiren wir uns mit dem Bierkruge in der Restauration so tief in die Bierpolitik hinein, daß Keiner mehr herauszukommen weiß und am Ende Jeder Recht behält. O goldae Zeit, wo schöner brauner Gerstensaft Uns Magendruck und wüste Köpfe schafft! O goldne Zeit, wo alles Heil und alle Politik Die Kneipe schafft — und nur nicht wahres Glück! Da wird geschwätzt, da wird gekohlt — Was nahe liegt, von fern geholt; — WaS heut« falsch, ist morgen recht Und heute Herr — der gestern Knecht. 's ist Alles möglich in der Welt, 's kost't nur so ein'ge Groschen Geld! — Der Eine lügt den Andern an. Weil Keiner mehr recht sehen kann. Wo aber kommt da- Alles her? — Frag' nur den Herrn Restaurateur! Doch halt, wovon war denn eigentlich die Rede? Vom Biere, ja, ja, vom Biere; aber da fällt mir immer wieder ein, daß ich davon nicht viel verstehe, und doch muß ich etwas sagen. Darum muß ich wieder von Weitem auSholen und raisonntre so: Wenn es wahr ist, was ich neulich in einem alten Schriftsteller las, daß die Menschen nie ganz klug werden können, weil die Gescheidten absterben und die Dummen immer wieder nachwachsen, so ist's auch wahr, daß sie nie mündig werden können. Unmündige aber müssen Vormünder haben, so sagt daS Gesetz, wie mit mein Nachbar, der in einer juristischen Expedition arbeitet, begreiflich gemacht hat, und folglich müssen bei der Wichtigkeit, welche daS „Bier", als die mächtigste Triebfeder unseres StaütSorganiSmus, erlangt hat, die Bierbrauer und die Bierwirthe bevormundet werden, d. h. kurt gesagt, es muß bei uns die dairische Bierpotizei, Biertaxe, Bierbrauer- und Bierwirths-Beaufsichtigung eingeführt werden. Im Wasser, in der Luft, im Malze oder im Hopfen lftgt's nicht, daß wir theilweise in Sachsen noch so schlechtes Bier haben. In der Art der Brauerei und in der Art der Behandlung der Biere im Keller liegt's — in der Gewinnsucht liegt es. — Die Herren, welche mit dem Biere umgehen, wollen zu schnell reich werden; Viele verstehen auch nichts von der Sache. Wer von der Sache etwas verstanden hat seit dem Jahre 1848, wo wir alles öffentliche und private Leben in die Bierschenke ver legt haben — der hat auch etwas verdient und befindet sich wohl. Jede- Bier ist gut — man muß sich nur mit der Spritze zu helfen wissen. Schäumt das Bier, so ist es gut, und die Spritze macht ja Schaum — folglich rc. Die Baiern wollen aber hier wieder weiter sein, wie man mich versichert hat, denn dort ist daS Anspritzen des Bieres polizeilich verboten. Die müffen's aber doch verstehen, denn Baiern ist ja bekanntlich das Land der guten Biere. Nicht weil's theurer ist, trinken wir das Bier von dort lieber, als das bei uns gebraute — nein, well es wirklich besser ist. Die Sachsen sind — daS muß man ihnen lassen — äußerst genv.gsam, die lassen sich etwas bieten, denn sie haben sich Jahrzehnte lang mit schlechtem Biere abfertigen lassen, und am meisten ist die Geduld, so wie der städtische Patriotismus in den Städten zu bewundern, in welchen sogen. Reih-Brauereien bestanden haben und wohl noch vorhanden sind, und wo die bierbrauenden Bürger gegenseitig ihre Gebräude aufgetrunken haben, welche man Biere nannte. Bei alle dem hatte dieses Bier doch einen Vorzug, wenn es Nicht gar zu schlecht war, den nämlich, daß eS doch leichter war, als die jetzigen Lager- oder die baierischen Biere.. Und daß man hier bei einer zu hoffenden B'ierpolizri wieder mehr zur Einfachheit zurückkehren Möchte, daß man auf die Her stellung leichterer Biere Bedacht nehmen möge, ist dringend zu wünschen; denn so gesund auch der mäßige Biergenuß sein mag Und auch wirklich ist, so steht doch gewiß auch fest. Laß der Genuß der starken Biere in größeren Quantitäten höchst nachtheilig auf Körper und Geist einwirkt. Die narkotischen Kräucker stumpfen Uothwendig ab, machen den Trinker träge und lähmen die Geisteskraft. Wohl keine Stadt ist hier schlimmer daran als Leipzig; denn hier giebt eS kn der Thar-kein trinkbare- einfache- Bier, und doch wäre gar sehr zu wünschen, daß wir ein solche- hätten, woran Wir unS wirklich satt trinken, d. h. den Durst löschen könnten. Daß aber fernerhin mein Freund an der Hand seines grAen Englischen Arzte- gar dem Branntwein so warm da- Wort -edet, da- ist nicht sein voller Ernst; er hat dies mit großer Selbst-