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Lcipzigcr Tageblatt und Anzeiger. ^ 2SS. Sonntag den 27. August. 1854 Mittwoch den 30. August d. I. Abends 6 Uhr ist öffentliche Sitzung der Stadtverordneten im gewöhnlichen Locale. Tagesordnung: 1) Gutachten des Finanzausschusses, betreffend a) die Unterstützung der hiesigen israelitischen Gemeinde beim Bau eine- neuen Gotteshauses, b) den Erlaß des LheaterpachteS. 2) Gutachten des Ausschusses zu den Kirchen, Schulen und milden Stiftungen, betreffend s) die Rechnung der Stöckner'schen Stiftung auf das Jahr 1853, b) den Wegfall der den Kirchendienern bei Taufen, Trauungen rc. bisher gezahlten Geld geschenke und die dieSfallsige Entschädigung der Kirchendiener. Gewandhaus-Concert. Die Zeit rückt nun heran, wo zu einem neuen Abonnement für die Winter-Coneerte im Gewaudhause eingeladen wird, und erlaubt sich Einsender dieses, die verehrliche Eoncertdirection hiermit noch mal- auf einige Uebelstände aufmerksam zu machen, durch deren Beseitigung dem im In - und AuSlande so berühmten Institute auch die äußere Würde wiedergegeben wird, welche ihm leider seit längeren Jahren fehlte und woran die vermehrte Einwohnerzahl Leipzig- und der in alle Schichten der Gesellschaft mehr einge drungene Sinn für Musik nicht allein die Schuld tragen. Die Kunstleistungen de- Instituts berühre ich a!< Laie nicht, denn ich darf vorau-setzen, daß sie dem hohen Rufe, den die Ge wandhaus - Concerte stet- genossen, entsprechen; ich wende mich daher zu den in den äußeren Einrichtungen begründeten großen Un zuträglichkeiten. Sie bestehen 1) in der Ueberfüllung de- Concertsaale-, 2) in dem wahrhaft skandalösen Gedränge auf den Treppen schon eine Stunde vor Oeffnung desselben, und 8) darin, daß diejenigen Fremden oder nicht mit Sperrsitzen be glückten hiesige« Zuhörer beiderlei Geschlecht-, welchen ent weder Geschäfte oder Decenz nicht erlauben, früher alS kurz vor Anfang de- ConcertS zu kommen, sich in den Vorsaal verbannt sehen, wo ihnen der Genuß doch sehr geschwächt wird. Am allerwidrigsten ist der aä 2. gerügte Uebelstand, wo Damen rznd Herren selbst im härtesten Winter bei eisiger Kälte auf steinernen Treppen eine Stunde lang aneinander gepreßt stehen und sich, wenn der Saal geöffnet wird, zum Eingänge drängen und stoßen, um nur einen Platz zu erobern, auf dem sie dann wieder eine Stunde fitze« -der stehen müssen, ehe da- Concert beginnt. Die üblen Folgen diese- Gedränge- für Gesundheit rc. will ich nicht weiter herzählen, nur den Scandal selbst rügen, welcher wahr- bastig dem bei Caffenstücken von dem Gallerie-Pudlicum vor dem Theater getriebenen nicht nachsteht. Diesen Uebelständen könnte die Eoncertdirection abhelfe«, wenn sie jedem Abonnenten einen bestimmten numerirten Platz im Saale oder auf der Gallerie anwkese und nicht mehr Plätze vergäbe, al- diese Räume, ohne die Bequemlichkeit der Zuhörer zu sehr zu de- sthräaken, fasse« können. Wmn sie ferner für die an der Caffe verkauften theurern DilletS ebenfalls einen init numerirten Plätzen versehenen Raum, vielleicht die Mittelloge frei hielte, damit der Fremd-, welcher doch auch zu berücksichtigen ist, nicht mit unange nehmen Eindrücken au- dem Concerte schiede und anstatt dessen Lob, den Tadel über rücksichtslose Einrichtungen in die Welt trüge. Au- Obigem erhellt wie bemerkt von selbst, daß dann nie mehr BilletS ausgegeben werden dürfen, als der Raum Personen faßt. Man kann mir einwenden, daß dadurch die Einnahmen sehr geschmälert würden und dadurch da- Institut in seinen Leistungen beschränkt werden müßte, wa- allerdings auch nicht wünschenS- werth wäre. Dem ist aber dadurch zu begegnen, daß, wenn der bisherige Abonnementspreis nicht ausreicht, derselbe angemessen er höht würde, eben so die persönlichen, als auch Famrlien-Aboune- mentS in Wegfall kämen, denn erster- sind nicht zu controlire«, und wa- letztere betrifft, so muß eine Familie, welche nicht für ihre sämmtlichen Glieder den vollen AbonnementSpreiS zahlen kann oder will, einen Wechsel der Personen unter sich eintreten lassen, denn es ist ja auch kein so große- Unglück, wenn namentlich die jüngem Mitglieder derselben einmal ein große- Concert nicht be suchen können. Wie muß denn ein einzelner, vielleicht wenig bemittelter Mann thun, dem seine Studien oder Geschäfte nicht erlauben, schon t/r5 Uhr auf dem Drangsalsposten zu stehen, trotzdem, daß er volles Abonnement zahlt? Wie, wenn er gezwungen war, sich mit dem Vorsaal zu begnügen, oder da« Concert zu meiden, weiche vielleicht seine liebste und edelste Erholung ist!? Bei gleichem, nichtpersönlichen AbonnementSpreiS für einen reservirten Platz geschieht einem Jeden sein Recht; das Publikum wird nicht nöthig haben, 1—1 >/r Stunden Zeit, die doch auch etwa- werth ist, zu vergeuden, weil jedem Einzelnen sein Platz gesichert ist, und da- hochstehende Institut bewahrt auch den äußern Anstand, welcher zur Erhaltung seine- europäischen Rufes unent behrlich ist. Will da- Direktorium auf diejenigen Rücksicht nehmen, deren Mittel durch einen vollen AbonnementSpreiS vielleicht zu sehr in Anspruch genommen werden und denen doch der Besuch des Con- cert- zur Nothwendigkeit für künftigen Leberrsberuf rc. wird, so kann e- für diese den Vorsaal zu geringem Poris einräumen, wenn nicht ganz freigebe«, wa- natürlich von seinem weisere« Ermessen alchängm müßte. —