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Tageblatt und Anzeiger. ^ 81. Mittwoch den 22. März. 1854. Aus Brasilien. Joinville, den 12. November I85Z Die Unterzeichneten Paffagiere des Schiffe- Karoline, Capit. Diedrlchsen, welche- am 1v. August d. I. von den Herren Chr. Matth. Schröder <L Co. in HambuG nach der Colonie Dona Fmnzi-ca in Brasilien expedirt wurde, «ollen nicht unterlassen, ^nachstehende- der Oeffentlichkeit zu übergeben. Unsere Seereise ging, wenn auch langsam, doch glücklich von statt«, Di^Fahrt von Hamburg nach dem Ocean war für Alle eine höchst traurige, da schon vor Cuxhaven die Ruhr an Bord aa-gebrocherr war und wir diesen Ort mit fünf Paffagieren weni ger verließen. Ein Arzt wurde dieser Expedition nicht deigegeben und wurde rin solcher auf da- Empfindlichste vermißt *). Al- wir ble See erreicht, verbesserte sich der Gesundheitszustand sämmtlicher Paffagiere zusehends, und Heiterkeit und Frohsinn stellte sich bei den meisten wieder ein. Den atlantischen Ocean erreichten wir erst am 3. September und war die Fahrt durch denselben be deutend günstiger, hatte für un- aber da- Unangenehme, daß sich gar so häufig Windstillen und widrige Winde einstellten, in Folge denn wir einig* Wochen länger auf den Wogen de- Ocean- ge schaukelt wurden. Dazu kämm auch noch die Unannehmlichkeiten und Beschwerden, welche eine Seereise an und für sich mitbringt. Et fehlte deshalb auch oei un< nicht au Unzufriedenen, um so mehr, da Ursache dazu vorhanden war. So ging z. B. schon in der achten Woche der Zucker an Bord au- und mußten wir unfern Kaffee, Thee, Wasser rc. vier Wochen lang ohne denselben genießen. Sonst war da- Schiff, wenn auch nicht besten-, doch gut verproviantier. Am 2S. Oktober Nachmittag- 4 Uhr hieß e- zur Freude Aller: Land, Land! Da wir aeradr sehr günstigen Wind hatten, so konnten wir schon gegen 5 Uhr die einzelnen, sich an der Küste erhebenden Berge deutlich sehen. Mit Sonnenuntergang hatten wir schon da- feste Land nahe vor uttS und segelten immer rasch der Einfahrt de- San Fraari-cofiuffe- zu. Kein menschliche- Wesen ließ sich sehen, und Vergebe»- hatte der Capitain die Flagge aufgezogen, um einen Loot- ft« an Bord zu rufen. Nach 8 Uhr sahen wir einzelne Lichter der Stadt San Kranzi-co schimmern, deren Zahl sich jeden Augenblick vermehrte; da raffelte der Anker in die Tiefe und wir lagen dicht vor der Stadt, konnten aber wegen der Dunkelheit weiter nicht- al- da- Flimmern der vielen Lichter wahrnehmen. Sowohl in San k) Anmerkung. Es ist dies bisher nicht gebräuchlich gewesen, da, abgesehen von den letzten Herbftmonaten, in welchen die Cholera auf dem Ocean, namenllich auf nach Nordamerika gehenden Schiffen ausgetreten ist u»d viele Opfer gefordert hat, gefährliche Krankheiten aus AuSwan- dererschiS« bisher im Ganzen selten waren, und daher die medicintschen Kenntniffe de< mit einer Medicinkiste versorgten EapitaiuS gewöhnlich voll komme» au-reichten, wenn in Hinsicht auf Verproviantirung und Räum lichkeit die gehörige Sorge getroffen war. Die Krankheit auf der Karoline slhrkat dir« Beschreibungen derselben nach zu urthetlen auch die Cholera gewest» zu stin, die zu jener Zeit auf mehreren Schiffen bei Eurhaven auftrat. l S- starb« auf der Reife folgende Personen Lwe. Christine Berlin -<b. Fischer «»»Ostorf bei Kiel; Heine. Berlin, ebendaher; Fra« Sophie Berlin geb. Böichöf, ebendaher; Christine und Ernst Berlin, deren Kinder; Gimvrr Bieter ans Basel in der Schweiz; Tleon. Hen riette Geister geb. Drrger aus Leipzig; F. E. Hem mann aus Leip zig; Baptist Häusler aus Nnteräger, Cauton Zug in der Schweiz: A. F. H olflnarr aus Gandersheim; Frau Christine Lüthje geb. Rtr au« Ostorf bei Kiel? JosiaS Lüthje, deren Sohn ; Amadlcne -utho- rius a»S Freiburg in der Schweiz ; Ferd. Schief! er (Sohn) aus Han nover. 3« Ganzen 14 Personen. D. Eins. FranziSco wie auch hier auf der Colonie hatte sich da- Gerücht ver breitet, daß die Cholera an Bord der Karoline auSgebrochen sei und schrecklich gehaust habe; ja man erzählte sich schon wunderliche Dinge von dem Schicksale der Passagiere. Lange wartete man auf unsre Ankunft, und von den Behörden in San Franzi-co war der Befehl ergangen, daß unser Schiff vor der Einfahrt in den San FranziScofluß, also noch auf dem Ocean ankern müsse, um daselbst eine kürzere oder längere Zeit Quarantäne zu halten. E- waren in Veranlassung hiervon täglich einige Personen auf einen Berg beordert, von wo au- man weit hinau- auf da- Meer schauen kann, um die Ankunft der gefürchteten Karoline zu erspähen und ihr Näherkommen zu verhindern. — Aber siehe da, eine- schönen Mor gens, Sonntag am 3V. Oktober, lag die Hamburger Karoline feier lich mit mehreren Flaggen geschmückt, dicht, keine SSO Schritte vor der Stadt, ohne daß man unS früher bemerkt hatte. Wir mochten den Einwohnern und der Behörde schon de- Sonnabend- eine an dere Meinung von un- beigebracht haben; kaum waren wir im Hafm, al- wir auch unser Dasein durch laute- Sinaen, Jubeln und Musiciren kund thaten. Bald tönte ein schöner Gesang hin über, bald jubelte und schrie Alle- durcheinander, kurz, Jeder that feine Heiterkeit und Fröhlichkeit auf irgend ein« Weist kund. Da» zwischen schmetterte auch zuweilen eine Trompete de« deutsch« Gruß hinüber zu de« Ohm» der erschrockene» Einwohner, welche sich eher die Ankunft eines Schiffe- mit den lustigsten Gästen, al- der so gefürchteten Karoline denken könnt«. Sie macht« un- dann auch de- Montags Morgen- keine weitern Umstände und fuhren wir noch dmselden Tag weiter aufwärts der Colonie zu. Zur Strafe aber, daß wir uns so mir nicht- dir nicht- und ohne Erlaudniß vor San Franzk-co eingefunden, durste kein Passagier an Land, und kostete e- dem Capltain viel Mühe, die Erlaudniß dazu für seine Person auf nur eine Viertelstunde zu erhalt«. Hierzu trug freilich auch die nicht unbedeutende Zahl von 14 Lobt« da- Ihrige bei. — Montag gegen Abend kam ein Boot mit ältem Eolonisten von Dona KranziSca, der« deutscher Gesang un- schon von Wei tem erfreute. In die Nähe unser- Schiffe- gekommen schwang« Alle die Hüte und ließen ein mehrmaliae-: die deutsch« Einwan derer solle» leben, hoch! hör«, worin Biele vou unfter Seite ein stimmten. Schon in Europa kam un- Manche- zu Ohren, wa- zur Ein wanderung hierher nicht aufmunter» konnte; aber noch mehr wurden unsere Hoffnung« während der Uederfahrt herabgestimmt, und zwar unter Anderen auch durch die Schrift de- Herrn v. Radowitz. E- kam so weit, daß schon auf dem Ocean sich Viele entschloss« hatten, sich nicht in Dona Franzi-ca, sondern irgend wo ander- anzusiedeln. Merkwürdig, daß e- gerade dies« jetzt hier am Best« gefällt, und daß e- vor der Hand Niemande« einfällt, weite- zu gehen. — Unser Aller Much war ziemlich gesunken, unser gutta«« zum Colonisation--Berein und der Colonie sehr wankend gemacht; al- wir aber recht- und link- und überall angebaute- Land. die schön« Berge und fröhliche Mensch« sah«, als unsere Augen die hier immer adwechstndea Schsnbeltt« dor Natur schaut«, al- endlich ältere Eolonisten und Tagelöhne« vou Dona Kranzi-ca an Bord kam«, um un- in einem Boote zm Stadt Joinville zu bring«, und wir ihr fröhliche- und freie- Wes« bemerkt«, al- wir neugierig un- über Diese- und Jene- erkundigt« und nur befriedigend« Antwort« erhielte», da «uch- auch uns«-Alle« Muth wieder und unsere Hoffnung« deledS« sich auss Neue. Al- wir nun endlich Dienstag d« 1. November in Joinville selbst unst-e Füße wieder auf festes Land, a«f da- Land unftrer neu« Heimisch