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Leipziger Tageblatt Md Anzeiger. ^ 80. Dienstag den 21. März. 1854. Arbeiter-- und Miethfrage. - (Zar Berichtigung de» in Nr. W Besagten.) Ich und wohl der größte Theil der Arbeiter stimmen völlig mit dem übeAin, wa- in den mit I-. Unterzeichneten Aussätzen in dktzsem Watte gesagt ist, und wollte ich dem geehrten Einsender de in Nt. 69 d. B. enthaltene» Aussatzes nur bemerken, daß er zu wenig Kenntniß in Betreff dieser Angelegenheit zu haben scheint. Allerdings weiß ich so gut wie er und L.., daß ein großer Theil Arbeiter au- der Provinz und au- dm umliegenden Dörfem hierher kommen und Arbeit suchen und finden; aber unbekannt ist mir, daß Maurer, Aimmerleute oder Arbeiter von hier Arbeit auf dm mit Bstzeitern überfüllten Dörfem suchen und finden könnten. Was da- Arbeitsuchen auswärts, insbesondere bei Eisenbahn- dautm betrifft, so muß ich den geehrten Einsender fragen, wo wer- den Letzt Eisenbahnen gebaut und in welchem Aeitungsblatte hat ei» Attfruf oder Gesuch nach Arbeitern gestanden? Uedrigens kann ich nicht glauben, daß der geehrte Einsender dem verheiratheten Ar beiter zumuthet, derselbe solle im Winter mittellos auf Geradewohl hitz im Lande herumreis«, um sich Arbeit zu suchen. Ich t», daß die hiesigen Erdarbeiter zu jeder andern Hand- arh« ANb -ahi» zu rechnend« Dienstleistungen zu verwenden sind; alket» -stni abgesehen von dem Arbeit-institut, welches Z. I^. vor- schlagswekft in Anlegung brachte, kann ich mich doch nicht mit dem vom Einsender erwähnt« Aahlennachweise von Seiten der städti schen Arbeit-nachweisung-anstalt einverstanden erklären, weil die meisten der dort zu erlangenden Arbeiten sich nur auf einzelne Tage, ja wohl gar blo- Stunden beschränken und viele Arbeitsuchende gänzlich unberücksichtigt bleiben müssen, indem der Arbeitsuchenden zu viel und der Arbeitgeber zu wenige sind. Was vom ehemaligen brodlosen Arbeiterverein gesagt ist, kann nicht als Norm dienen, denn Gesinnungen Einzelner, besonder- aus damaliger Zeit, kann man keinem ganzen Stande ausbürden wollen. Was die Beschaffung billiger Mietwohnungen betrifft, so ist diese ein so fühlbare- Bedürfnis, daß ich darüber weiter nichts sagen will, als daß ich sehnlichst wünsche, daß unsere, da- allgemeine Wohl stets fördernden Behörden zu Befriedigung desselben baldigst mit bei tragen möchten. Was daS in Nr. 54 d. Bl. Gesagte betrifft, so sind Logis für 30 bi- S7 Thlr. jährliche Miethe für Arbeiter, welche durchschnitt- lich aegen 74 Thlr. jährlich verdienen, noch viel zu theuer. Dem geehrt« Einsender muß ich noch bemerken, daß Bummler und stmle Flecke wohl in allen Ständen zu finden sind, und ist e- nicht fein, ein« ganz« Stand auf der ein« Seite als ehrenwerth und auf der andem als ehrlos darzustellen. Ihre Anekdote beweist zu viel. Ich will deren Wahrheit nicht bezweifeln, muß aber doch darauf nochmals Hinweisen, daß es einzelne Ehrlose in allen Stän den gießt und daß der Schluß von Einzelnen auf- Ganze oft sehr trügerisch ist. Ich glaube «blich auch nicht, daß ein von wahrer christlicher Liebe beseeltes Publicum ein« ganzen Stand nach einzelnen In dividuen beurtheile», sondern Hülfe schaff« wird, wo die- wirk lich nöthig ist. E. K. Nachschrift. Damit wünsche« wir dieses Eapitel geschloffen zu sehen. E- thut uns allemal leid, solche Erklärung wie diese -eb« zu müssen; allein wir sind dazu dem groß« Publicum gegenüber verpflichtet. Ist, wie hier, die Sache angeregt und gehörig beleuchtet, so hat die öffentliche Presse das Ihre gethan und muß verhüt«, daß man durch zu viele- Schreiben auf Abwege geräth. Die Red. ötadttheater. Beethovens „Fidelio" ging am 18. d. M. nach längerer Ruhe bei Gelegenheit de- Gastspiels der Frau Gundy wieder in Scene, leider jedoch vor einem nicht sehr zahlreichen Auditorium. Die geschätzte Gastin gab die Leonore; sie erfreute sich auch die-mal eines ungetheilten reichen Beifalls und verdiente denselben voll kommen, denn sie sang die äußerst schwierige Partie mit inniger Begeisterung für das Meisterwerk, hatte dieselbe glücklich aufgefaßt und gab sie mit Wärme und Leben wieder. Ihre großen natür lich« Mittel und das ihr eigenthümliche dramatische Talent unter stützten sie hierbei wesentlich. Solche Naturgaben sind neben einem nicht »«bedeutenden Grade künstlerischer Bildung unerläßlich zur befriedigenden Lösung dieser Aufgabe — denn es werden hier An forderungen gestellt, es sind hier Schwierigkeiten zu überwinden, wie fast nirgends. Daß Frau Gundy mit dieser Leistung einen so namhaften Erfolg errang, giebt den besten Beweis für ihren hohen künstlerisch« Beruf. — Als die Glanzprmcte in Krau G undy's Darstellung der Leonore möchten wir die große Arie mit den obligaten Hörnern, da- Grabduett und die auf biese- unmittelbar folgenden Scenen bezeichnen. In ihrer Totalität war Frau Gundy'S Leistung eine ganz vorzügliche, und wir können der Künstlerin, welche durch ihr Gastspiel eine Wiederaufführung de- „Fidelio" veranlaßt und in solcher Weise ermöglicht hat, dafür nur dankbar sein. Es darf nicht unerwähnt bleiben, daß auch die sämmtlichen ander« Mitwirkenden sich mit rühmenswerthem Eifer und unver kennbarer Pietät dem Werke Hingaben. Vor Allem gilt das von Herrn Behr (Rocco), der diese hervorragendste und dankbarste männliche Partie der Oper mit so viel Verständniß und Liebe durchführte, wie man die- von diesem schätzenSwerthen und tüchtig gebildeten Sänger nur erwarten durfte. Die übrigen Partien waren in den Händen der Frau Günther-Bachmann (Mar- celline) und der Herren Wide mann (Florestan), Schneider (Jaquino), Brassin (Don Pizarro) und Schott (Minister). Das Ensemble bewies im Allgemeinen ein sorgsame- Ein- studiren; einige Schwankungen der Chöre im letzten Finale können in der Schwierigkeit der Musik vielleicht einige Entschuldigung finden. Fräulein Agnes Büry beschloß ihren Gastrollen-Cyclus auf hiesiger Bühne am 19. d. MtS. Sie gab an diesem Abend die Partie der Henriette in der Oper „Der Maurer und der Schlosser" von Ander und die der Amina in der letzt« Hälfte de- zweiten Actes au- der Oper „DieNachtwandlerin" von Bellini. Mit Recht konnte man nach dem, wa- wir von Fräulein Büry bisher — namentlich al- Rosina im „Barbier von Sevilla" — gesehen und gehört hatten, eine vorzügliche Leistung al- Henriette erwarten, denn diese reizende Soubrettenpartie in dieser von Geist und Talent übersprudelnden, liebenswürdigen und anspruchslos auftretenden Over bietet einer für da- leichte und elegante Genre geeigneten Künstlerin reiche Gelegenheit zum Glänzen dar. Im Gesang wie im Spiel entwickelte Fräulein Büry so viel Feinheit und Grazie, daß sie zu den lautesten Beifallsbezei gung« hinriß und ein« wirklich« Triumph feierte. 3m zweiten