Volltext Seite (XML)
Uechin-LlnMer NMi Amtsblatt Nr 265. Sonnabend, den 13. November 1S0S. Vellage Jie feierliche kriffmi les sichiischei sand gestern mittag 1 Uhr durch den König im Thronsaale des Restdenzschlosses zu Dresden statt. Der Feier wohnte» die Herren des diplo matischen Korps, die Spitzen der Zivil- und Mi- lüärbehürden, die Oberhofchargen usw. bei. Beim Erscheinen des Königs im Thronsaale brachte der Präsident der Ersten Kammer, Obersthoftnar- schall Graf Vitzthum von Eckstädt, ein dreimaliges Hoch auf den König aus. Der König bestieg den Thron und ließ sich, das Haupt mit dem Helm bedeckend, auf den Thronsessel nieder. Es nahmen der Kronprinz rechts, Prinz Jo hann Georg links und die Staatsminister rechts vor dem Throne Aufstellung. Staatsminister Dr. v. Rüger überreichte Sr. Majestät die Thron rede, die der König verlas. Sie hat folgenden Wortlaut: Meine Herren Ständet Wenn Ich heute am Beginn der neuen Land- tagsiagung von dieser Stelle aus beiden Kammern der Slänideversammlung mit vertrauensvoller Herz lichkeit Meinen Willtommensgruß entbiete, gedenke Ich der Tatsache, daß sich die Zweite Kammer auf Grund eines neuen Wahlgesetzes versam melt hat, das nach Meinen Wünschen dem Frieden des Landes und der Wohlfahrt aller Schichten Meines geliebten Volkes dienen soll. Wie Mich bei allen Meinen Entschließungen nichts anderes als allein die Sorge um das Wohl des Landes leitet und wie es Mein ernster Kö niglicher Wunsch und Vorsatz ist, auf dem sicheren Boden der bewährten Traditionen im besonnenen organischen Ausbau des geschichtlich Gewordenen mit den Ständen des Landes weiter einträchtig zusammen zu arbeiten, so verirau« Ich hierbei, die treue und zuverlässige Unterstützung des Landtages zu finden. Es ist Mir vergönnt gewesen, in dieseln Jahre init einer größeren Anzahl deutscher Fürsten Be suche auszutauschen und dankbar erinnere Ich Mich der gastfreien und herzlichen Aufnahme, die Ich allerloäris gefunden habe. Zu besonderer Ge nugtuung hat es Mir gereicht, an den schönen Ju biläumsfeiern verschiedener Truppenteile diejenigen fürstlichen Personen teilnehmen zu sehen, die zu ihnen in Beziehung stehen und die mit Mir sich daran erfreuen konnten, daß in den Scharen Meiner ausgedienten Soldaten die alte Treue lebendig geblieben ist. Durfte Ich bei den Be gegnungen mit Meinen hohen Verbündeten erneut mit ihnen die Ueberzeugung austauschen, daß die Treue zu Kaiser und Reich die Richtschnur unserer inneren deutschen Politik bilden muh, so war es Mir eine um so größere Freude, bei den diesjäh rigen Herbstmailövern Seine Majestät den Kaiser als Meinen lieben hochwillkommenen Gast begrü ßen und aus Allerhöchstfeinem Munde die Aner kennung für die Haltung Meiner Truppen verneh men zu dürfen. Die Universität hat unter Meiner und Meines Hauses wärmster Anteilnahme, sowie in Anwesenheit zahlreicher, Mir hochwillkommener fürst licher Gäste, geschätzter Vertreter Ler Wissenschaft aus fast allen Kulturstaaten der Erbe und von Tausenden ihrer früheren Lehrer und Studenten das einzigartige Fest ihres 500jährigen ruhmreichen Bestehens feiern können. Jene unvergeßlichen Fest tage, in denen die altbewährte Treue zu Mir und Meinem Haufe, sowie die hohe Verehrung für diese ehrwürdige Zierde deutscher Wissenschaft einen Mich wahrhaft beglückenden Ausdruck gefunden haben, werden in der Kulturgeschichte Meines Landes für alle Zetten einen hervorragenden Ehrenplatz ein nehmen. Der Staatshaushalt aus die nächste Finanzperiode ist wesentlich von den weittragenden Bewilligungen der letzten Jahre beeinflußt. Na mentlich auf dem Gebiete der persönlichen Aus gaben aller Art zugunsten der Beamten, der übrigen Staatsbediensteten, der Geistlichen, der Lehrer und ihrer Hinterbliebenen, sowie zu lausen den Staaisbeihilfen waren ansehnliche Mehraus gaben einzustellen, für die nur zum kleineren Teil neue ordentliche Deckungsmtttel bereit standen. Da auch vermehrte und neue Staatsbedürfnisse zu be rücksichtigen lvaren, bot die Herstellung des Gleich gewichts zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Etats diesmal besondere Schwierigkeiten. Diese waren um so größer, als bei den Staatseisenbah nen, obschon deren Einnahmen seit einiger Zeit sich wieder befriedigender anzulassen begonnen haben, gegenüber dem Voretat nur ein etwas niedrigeres Reinerträgnis erwartet werden kann. Wenn es zu Meiner lebhaften Genugtuung gelungen ist, den Staatshaushalt zwar unter Verweisung erheblicher Eisenbahncmsgaben auf den außerordentlichen Etat, aber doch ohne erhöhte Anforderun gen an dieSieuertraft des Landes ins Gleichgewicht zu bringen, so ist der Erfolg nur auf Grund sorgfältigster Prüfung aller Etatsor- derungen und durch einmütiges, ineinander grei fendes Zusammenwirken aller Verwaltungen zu er reichen gewesen. Ich gebe Mich der Hoffnung hin, daß im Fortgange der Entwicklung der durch die Uebernahme neuer und die Erweiterung bisheriger Staatsaufgaben verursachte außergewöhnliche Mehr bedarf durch das allmähliche Ansteigen Ler Staats einkünfte nach und nach eingeholt und von einer stetigen, wohlerwogenen, auf Lie wahren Interes sen des Landes gerichteten Finanzpolitik überwun den werden wird. Von den vor einigen Monaten erlassenen Steu ergesetzen des Reiches Lars erwartet werden, daß sie der Neichstasse denjenigen Mehrbetrag an fort laufenden Dcckungsmitteln zuführen, der erfor derlich ist, um bei sparsamer Führung des Reichs- Haushalts den Reichsbedarf aufzubringen und einem weiteren unverhältnismäßigen Anwachsen der Reichsfchuld wirksam borzubeugen. Leider ist es den Verbündeten Regierungen nicht gelungen, gleichzeitig die seit langem angestrcbte angemessene Regelung der finanziellen Ver hältnisse der Bundesstaaten zum Reiche zu erzielen. In dieser Beziehung bei sich darbietender Gelegenheit auf eine Aenderung hin- zulvirken, wird Meine Regierung fortgesetzt als ihre Ausgabe betrachten. Aus dem Gebiete der Berggesetzgeb ¬ ung geht Ihnen ein Gesetzentwurf zu, welcher den Anträgen und Wünschen des vorigen Land tages entspricht. Es soll die Sicherheit des Be triebes durch gewählte Bergarbeiter mit überwacht und der.Rechtsschutz des Grundeigentums gegen Bergschäden erhöht, im übrigen aber die gesamte, in vielen Erlassen zerstreute Landesberggesetzgebung einheitlich zusammengefaßt werden. Meine Regier ung erwartet, daß diese gesetzgeberischen Maßnah men dem Ivichttgen Produktionszweige und allen an ihm Beteiligten förderlich sein werden. Liegt es Mir am Herzen, den materiellen Wohlstand in allen Kreisen der Bevölkerung zu pflegen und zu heben, so ist es nicht weniger Mein landosväterltcher Wille, die idealen Güter des Volks zu schützen und zu wahren. Ins besondere Ivird Meine Regiemng es nach wie vor als ihre ernsteste Ausgabe ansehen, dem Volke die Religion zu erhalten. Möge der Geist des Glaubens und der Zucht nicht nur in den Fa milien, sondern auch in den Schulen Meines Lan des lebendig bleiben und, wo es not tut, zu neuem segenbringenden Leben erwachen! Auf dem wichtigen Gebiete der Unter- r i ch t s v e r w a l t u n g, dem sich gegenwärtig das allgemeine Interesse in besonderem Maße zw wendet, werden Ihnen drei Gesetzent würfe vorgelegt werden, die bedeutsame Ange legenheiten des höhere» und des Volksschulwesens neu ztt regeln bestimmt sind. Durch den in Erfüllung der Zusicherung Meiner Regierung Ihnen zugehenden Entwurf eines Ge setzes über die künftige Gestaltung der höheren Mädchen schulbildung soll nicht nur die zurzeit noch fehlende gesetzliche Grundlage für die höheren Mädchenschulen geschaffen, sondern über haupt durch Eröffnung neuer Wege zur zweckent sprechenderen Ausbildung des weiblichen Geschlechts seine späteren BerusSmöglichkeiten diese für das gesamte Volksleben überaus wichtige Frage unter Berücksichtigung der berechtigten Bedürfnisse der Gegenwart einer, wie Ich hoffe, befriedigenden Lösung entgegengeführt werden. Des weiteren Ivird Ihnen eine Neugestaltung der Anstellungsverhältnisse Ler Nadelarbeits- und sonstigen Fachlehrerinnen an den Volksschulen nach den ständischen Anträgen unterbreitet sowie ein Gesetzentwurf zur Abän derung des Gesetzes über die direk ten Steuern vom 3. Juli 1902 vorge legt werden, der eine angemessenere Verteilung des den Schulgemeinden überwiesenen Grundsteueran teiles anbahnen >md gleichzeitig eine erhebliche Er höhung dieser Staatsbeihilfe für die weniger lei stungsfähigen Schulgemeinden herbeiführen soll. Ich darf hoffen, daß die Entwürfe eines Ge setzes über die Landesbrandversiche rungsanstalt und eines Gesetzes über die Feuerversicherung bei privaten Versicherungs unter nehmungen um o mehr Ihren Beifall finden werden, als sie den Wünschen Rechnung zu tragen suchen, die von den Ständen bei früherer Gelegenheit geäußert worden ind. Für die Angelegenheiten der Gemeinden im Sinne einer gesunden Selbstverwaltung die reaften Wege zu finden und insbesondere die schwierige Aufgabe der G e m e i n d e st e u e r r e f o r m in Verbindung mit der Reform der Kirchen- undSchulst euern in befriedigender Weise zu lösen, bildet sortgesetzt den Gegenstand sorg samer Erörterungen, deren Umfang sich jedoch als zu groß erwiesenlhat, um noch den: gegenwärtigen Landtage den Entwurf eines Gesetzes vorzulegen. So mögen Sie, meine Herren Stände, Ihr Werk unter Lem gnädigen Beistände des Allmäch tigen beginnen und zum Wohle des Landes voll enden! Sächsischer Landtag. Erste Kammer. Dresden, 11. November. Der heutigen zweiten Präliminarsitzung wohnte Prins Johan« Geor« bei. Präsident Dr. Graf Vitzthum v. Eckflädt gab nach Lröffnung zuerst bekannt, daß Se. Majestät der König soeben d»e Präsidenten beider Kammern empfangen und verpflichtet habe. Er bitte das hohe Haus, ihm ebenfalls Vertrauen entgegenzubringen. Weiter erfolgte die Verpflichtung refp. Vereidigung der «eneinsetretene« Mitglieder. ES wurden durch Handschlag verpflichtet Wirkt. Geh. Rat Dr. Mehnert und Kommerzienrat Dr. Reinecker, und durch Ab nahme des Eides Graf Castell - Castell und Ober- tudienrat Dr. Peter. Beim zweiten Punkte der Tagesordnung, Wahl de» Ifteprästdrnten «nd der Sekretäre, wurden auf Vor- chlaa des Rittergutsbesitzers Dr. Pfeifer durch Zuruf ge wählt: Oberbürgermeister Dr. Beutler zum Vize präsidenten, und Oberbürgermeister Dr. Kaeubler und Graf zur Lippe zu Sekretären. Nächste Sitzung Freitag, 12. November, vormittags 11 Uhr. Tagesordnung: Registrande. Verlosung der Sitzplätze. Wahl der vier Deputationen. Zweite Kammer. 3. Präliminarsitzung. Dresden, 11. November. Nach Eröffnung der heutigen Sitzung teilte Präsident Dr. V»arl zunächst der Kammer mit, daß soeben die Präsidenten beider Kammern durch Se. Majestät den König in Pflicht genommen worden seien. Es erfolgte sooann die Abnahme des Gkdes auf 8 82 der Ver- fassungSurkunde. Der Eid lautet: „Ich schwöre zu Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, die Staatsverfassung treu zu bewahren und in der Ständeversammlung das un zertrennliche Wohl des Königs sund deS Vaterlandes nach meinem besten Wissen und Gewissen bei meinen Anträgen und Abstimmungen allenthalben zu beobachten. So wahr mir Gott helfe." Den neu eingetretenen Mitgliedern, welche zunächst aufgerufen wurden, wurde dieser Eid vor- lelesen und jeder einzelne sprach hierauf unter Erheben der rechten Hand die Worte: „Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe!" Diejenigen Mitglieder, welche der Kammer bereits in rüheren Zeiten angehört hatten, wurden nur durch Hand schlag seitens deS Präsidenten nnter Bezugnahme auf den bereits früher geleisteten Eid verpflichtet. Alsdann erklärte der Präsident die Kammer für konstituiert und beraumte die nächste Sitzung aus Freitag vormittag V-10 Uhr an. Tagesordnung: Wohl der ordentlichen Deputationen, so wie Konstituierung derselben. Nach Schluß der öffentlichen Sitzung sanden noch vertrauliche Mitteilungen statt. Fräulein Chef. Von Hanna Aschenbach. 62j Nachdruck verboten.) Vorsichtig kreuzt er Le» Korridor. Zwei ge schlossene Türen. Er zögert. -Die eine führt in das kleine Speisezimmer, die andere in das Wohn gemach, in dem er so manchesmal mit Lena ge wacht hat. Für dieses entscheidet er sich. Ent schlossen, aber behutsam drückt er die Klinke nieder. Gottlob, sie ist auch hier nicht. Er atmet ordent lich erleichtert auf. Aber Torheit! Sucht er sie nicht? Er muß sie finden. Also weiter. Mit der Vorsicht und Lautlosigkeit eines Indianers auf dem Kriegspfade schleicht er über den dicken Tep pich. Dann steht er in der Tür zum Neben raum. Sein Auge muß sich erst an das Dämmer licht gewöhnen, welches die herabgelassenen Ja lousien bewirken. Und nun erblickt er die Weiße Mädchengestalt, die auf ein Ruhebett gestreckt, das Antlitz in den Händen verborgen, regungslos liegt. Doch nicht regungslos: ein Zucken und Zittern geht durch die feinen Schultern. Herrgott, si« weint! entsetzt sich der Doktor und stürzt, alle Vor sicht vergessend, auf sie zu. Sie hat sich jäh em- porgerichket. Aber kein tränenüberstrümtes Antlitz, Ivie er geglaubt, zeigt sich seinen Blicken. Keine Muskel zuckt in den totenblassen Zügen, nur die leicht gerötete» Lider verraten, daß dieser starren Ruhe bittere Kämpfe vorangegangen sind, lmd aus den Augen, da brach eben »och solch trostloses Weh. Oder war es doch eine Täuschung? Auch die Augen blicken eisigkalt. „Wer hat Sie —? Wie kommen Sie —?" „Niemand, Fräulein Walther, trägt Schuld an diesem Ueberfall als ich selbst, oder richtiger Sie." „Ich?!" „Ja, Sie. Sie zwangen mich dazu. Sie kön nen mich nicht einfach aus Ihrem Leben tilgen, wie Si« zu denken scheinen." Er hält erschrocken inne. Mit diesem gereizten Tone kommt er nicht zum Ziel, s „Verzeihen Sie, Fräulein Lena. Ich kam nicht, mn Ihnen Vorwürfe zu machen. Sie haben mir bitter Weh getan in diesen Tagen, da her kam's. Aber ich habe das reichlich verdient. Vergeben Sie mir, was ich Ihnen unbewußt zu Leide getan. Ich will alles gut machen. Werden Sie die Meine! Mache» Sie den Traum zur Wahr heit, den mein Herz träumt, seit meine Augen Sie zuerst geschaut." Er stockt. Das ist nicht das Richtige. Er fühlt es selbst. So hölzern kommt es heraus. Und er wollte doch ganz anders sprechen. Aber der starre Blick ihrer Augen lähmt seine Gefühle. „Und Ihre Wissenschaft?" langsam, klanglos und doch so bedeutungsvoll fallen Lie Worte von Lenas Lippen. Er braust säst zornig auf. „Was hat die Wissenschaft mit der Liebe zu tun? Herrgott, Mädchen, ich sage es doch. Soll ich's immer und immer wiederholen, daß ich mich geirrt habe, daß ich wie ein Blinder von der Farbe gesprochen, daß ich ein Narr war — daß ich —" Sie wehrt ihm ernst. „Nicht doch, was sollten Sie sich herabsetzen. Sie hatten ja so recht. Mein Entschluß, nie zu heiraten, war früher schon gefaßt und bleibt un widerruflich." „Lena," fleht er, „lassen Sie sich erweichen. Das kann, das darf nicht Ihr letztes Wort sein. Ich fühle es, Sie sind in dem Wahn befangen, daß ich später wieder anders denken, Sie quälen könnte. — Eigentlich wollte ich mir an jenem Sonn tage noch eine Unterredung erzwingen, wollte Sie auf den Knien anflehen, meine törichten Reben zu vergessen, die ja niemals Ihnen gelten konnten, einen, Geschöpf, so reich an Geist und Körper, wie es die Natur nur in ihren Feierstunden schafft. — Ich habe gewartet. Ich habe mich als Mann geprüft. Sie sollten sich überzeugen, daß meine Werbung nicht von der Leidenschaft beeinflußt ist." Sie lächelt. Ein ungläubiges, nachsichtiges Lächeln, das ihm den ersten Zweifel an einem schließlichen Erfolg erweckt. „Fräulein Lena," bittet er, „Fräulein Lena —" und dann weiß er nichts mehr zu sagen. Ueber- wältigt von Schmerz und Enttäuschung sink, er in einen Sessel. Da tritt sie neben ihn, ihre kühle Hand legt sich lind auf seine geballten Fäuste, die er an die Augen preßt. „Nun lassen Sie Mich reden, lieber Freund," sagt sie mild. „Es ist hart für Sie, bitter hart ich glaube es Wohl, aber es wird vorübergeh«n. Die Qual aber, welche eine Ehe mir bringen würde, könnte erst mit dem Leben enden. Ich hei rate weder Sie noch je einen anderen. Das ist so sicher, wie die Welt steht. Warum? Ich will, daß das Geschlecht, aus dem ich stamme, mit mir aus stirbt, weil ich an Ihre Lehre von der Vererbung glaube, fester als Sie selbst. Es ist etwas in mir, was mich an meinen Vater erinnert. Das erwacht, wenn ich geschmäht werde — und die Tochter eines solchen Vaters ist ja vogelfrei. Mein Wille hält es nieder, aber in einer Ehe — ich sprech« in dieser Stunde nicht als die wohlerzogene, junge Dame, ich spreche als Las Weib zum Manne. Ich darf keine Kinder haben. Ich würde mein und meines Mannes L«ben mit Mißtrauen, mit Furcht vor dem Erbe des Großvaters vergällen. Und nun gar Sie an Meiner Seite. Sie müssen es ja selbst empfinden, wie wenig Halt gera-e Sie mir ge währen könnten." Es ist still geworden zwischen Len beiden Men ¬ schenkindern. Der Doktor hat das Haupt tief aus die Brust geneigt. Hie und da dringt ei» Stöh nen aus der in ihren tiefsten Tiefen aufgewühlten Seele. Lind streicht die Weiche Mädchenhand über die gefurchte Mannesstirn. „Vollenden Sie Ihr Buch, Doktor! Wieviel Wahres darinnen ist, kann niemand besser empfin den als ich. Vollenden Sie's, Sie haben ein Recht zu Ihrer strengen Forderung, wenn Sie selbst ent sagt haben. In diesem Sinne behalten Sie mich in Ihrem Herzen. Bin ich auch nur ein Weib, so habe ich Loch den Mut, auf ein eigenes Glück zu verzichten, um anderer Wille», bene» die Zukunft gehört. So denke ich besser als die irdische Ge rechtigkeit die Schuld meiiics Vaters aus der Welt zu tilgen. — Noch einmal, mein Freund, ich kann nicht anders. Des Mensche» Weg liegt in der eigenen Brust vorgezeichnet. Das sind die Fried losen, die ihn verfehlen." Als der Mann aus schwerem Sinne» auffährt, ist er allein. 25. Kapitel. Tas war ein Tag! Des Himmels Wolke» wandelten des Mittags Licht in Dämmerung. Der Regen goß in Strömen, und ein rauher Nordost fegte das letzte welke Laub durch die Straßen. Aber in tausenden von Herzen lachte Heller Son nenschein. Jauchzender KinLerjubel — Blunum- und Liedergrübe — ein vielhunderifachcs Glück zu! Glück zu! aus kräftigen Arbeiterkehlen -- milde, fromme Worte aus Priestermund — und dann der Augenblick, da Eva Trcubcrg das Ja wort sprach, mit dem sie sich dem Manne zu eigen gab, vor dem ihre stolze Frauenseele sich in Demut neigte. Die Ringe sind gewechselt, der Segen des Herr» ist erteilt. Noch knien die Neuvermählten