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- Erscheinungsdatum
- 1903-02-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-190302250
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19030225
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19030225
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-02
- Tag 1903-02-25
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Monat
1903-02
-
Jahr
1903
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v»m hiesigen König!. Schöffengericht zudiktiert. Dieselben haben kürzlich an der Morgenröter-Raulen- kranzer Staatsstraße drei granitene Prellsäulen gewaltsam herauSgerissen, wofür ihnen sechs Wochen bez. ein Monat Gefängnis zuerkannt wurden. * Bad-Elster. In dem benachbarten böhmischen Orte Grün hat sich am Sonnabend der vor einigen Jahren in Pension getretene österreichische Oberauf seher W-, der viele Jahre auf dem Nebenzollamt hier beschäftigt war, den Tod gegeben. W. befand sich in geordneten Verhältnissen und hatte sich ein eigene- Heim erbaut, glaubte aber mit der ihm verwilligten Pension nicht auSkommen zu können. * Löbau. Am Sonnabend abend in der 11. Stunde sind in Neu-Kittlitz die Gebäude de, Wirt- schast,besitze!« Dürrllch und der Frau Loose voll, ständig ntedergebrannt. Die Bewohner haben nur mit Mühe ihr Leben gerettet. Der Frau Loose ist eine Kuh, ein Schwein und eine Ziege in den Flammen umgekommen. SchöffengerichtssiHnng deSKgl.AmtsgerichtsHohenstein-Ernstthal vom 24. Februar 1903. Unter der Anklage, am 22. Januar d. I. dem Bäckermeister I. in Hohenstein-Ernstthal, in dessen Wohnung er behufs Ofensetzens beschäftigt war, einen auf einem Schrank liegenden Ring im Werte von 14 M., sowie Pfd. Mandeln gestohlen zu haben, erschien der in Oschalin (Böhmen) geborene, im vorigen Herbst vom Militär in Oesterreich ent« lassene und z. Zt. in Chemnitz in Arbeit stehende Maurer Franz Johann Böhm vor Gericht. Trotz dem die gestohlenen Objekte dem Eigentümer nach erstatteter Anzeige wieder zugestellt werden konnten, wurde der geständige Angeklagte in anbetracht seiner Vorstrafe — eine 2tägige Gefängnisstrafe wegen Diebstahls —, sowie des Umstandes, daß er durch Verübung des in Frage kommenden Dieb stahls sich eines groben Vertranensbruches schuldig gemacht, zu 3 Tagen Gefängnis und in die Kosten verurteilt. . In der Strafsache gegen re. Brok-Gersdors wurde, da der Angeklagte zur Verhandlung nicht erschienen, anderweiter Termin für Dienstag, den 10. März, vormittags ^10 Uhr anberaumt. In einem später eingegangenen Telegramm entschul digte sich der Geladene mit einer Reise nach Zwickau. Verhandlung gegen Max Oswald Ludwig Eger. Der Angeklagte, der bereits früher mit Bezugnahme auf die weite Entfernung seines jetzigen Aufent haltsortes von hier um Vereinigung der 2 gegen ihn anstehenden Verhandlungen in einen Termin nachgesucht hatte, welchem Gesuche auch entsprochen wurde, wußte sich sowohl das erste Mal durch Beibringung eines ärztlichen Zeugnisses —, als auch bei einer später angesetzten Verhandlung ohne Entschuldigung seiner Vernehmung zu entziehen. Da derselbe auch heute unentschuldigt sernblieb, beschloß der Gerichtshof, gegen Eger Hastbefebl zu erlassen und nach erfolgter Verhaftung neuen Ver handlungstermin festzusetzen. Kirchliches. Am Montag, den 26. Januar, bot die fran zösische Deputiertenkammer ein eigentümliches Bild. Der Sozialist Jauräs führte den Vorsitz. Erörtert wurde der Kultnsetat. Bekanntlich machen die Sozialisten in Frankreich alle Jahre den Versuch, mit diesem Etat, der die Staatszuschüsse für die Kirche enthält, anfzuräumen. In diesen Verhand lungen nahm der Ministerpräsident Combes das Wort nnd sprach einige hochwichtige Sätze. Wen» man bedenkt, daß Combes der eifrige Klosterzer- störer ist, der in Frankreich unter den Mönchen tüchtig aufräumt, so gewinnt seine Erklärung eine noch auffälligere Bedeutung. „Wenn Sie den Kultusctat durch eine unvorbereitete Abstimmung striche», würden Sie dieses Land in die denkbar größte Verlegenheit versetzen. Diese Verlegenheit, die Sie nicht zu ahnen scheinen, würden nicht nnr die Gewissen erschüttern, die Sie verwirrt hätten, sondern Sie würden die Republik selber in eine wahre Gefahr bringen. Nicht umsonst ist ein Volk während einer langen Reihe von Jahrbunderten mit religiösen Ideen genährt worden, als daß man eines schönen Tages durch bloße Abstimmung der Mehrbeit andre Ideen, die jenen entgegengesetzt sind, a» ihre Stelle setzen könnte . . Unser Gesell schaftsleben kann sich nicht mit den moralischen Ideen begnügen, die in dem oberflächlichen und beschränkten Unterricht unsrer Volksschulen geboten werden. Um den Menschen fähig zu machen, mit diesen Ideen den Schwierigkeiten des Lebens zn begegnen, müssen sie in einem weiteren Unterrichte gefestigt werden, den Sie noch nicht geschaffen haben und den Sie schaffe» müssen, ehe Sie daran denken, die sittliche Belehrung von der Hand zn weisen, die bisher den Geschlechtern geboten wurde. Wir sind der Meinung, daß augenblicklich die moralischen Ideen, wie die Kirchen sie bieten und die Kirche» allein bieten sie außer der Volks schule — notwendige Ideen sind " Die große Mehrheit gab Herrn Combes recht. Religiönsstatistik. Das eben erschienene Viertel jahrsheft zur Statistik des Deutschen Reiches gibt an, daß im Jahre 1900 im Deutschen Reiche ge zählt wurden : 35 Millionen Evangelische (62 v. H.) und 20 Millionen (36 v. H.) Katholiken. Gegen über 1870 haben sich die Evangelischen um 4,2 Millionen oder 13,6 v. H., die Katholiken um 2,7 Millionen oder 15 v. H. vermehrt. Die schnellere Vermehrung der Katholiken beruht nicht auf einem größeren Ueberschuß an Geburten, sondern einer starken Zuwanderung von Italienern, Böhmen und Polen, von welcher unser Sachseniand besonders in Mitleidenschaft gezogen wird. Kleine Chronik. * Berlin, 24. Febr. Inder Briefabfertigungs stelle des hiesigen Hauptpostamts erfolgte gestern nachmittag gegen 4 Uhr eine Explosion, bei der ein Beamter nicht unerheblich verletzt wurde. Die Untersuchung über die Explosion ist noch nicht ab geschlossen. Wahrscheinlich ist ein Brief daran schuld, der unmittelbar vor der Explosion abge stempelt wurde und eine ganze Menge von Zünd plätzchen enthalten haben soll, wie sie bei Kinder- Pistolen verwendet werden. * Trier. Der sonderbare Fall hat sich dieser Tage hier ereignet, daß das Gericht von einem Angeklagten förmlich gebeten wurde, ihn mit einer möglichst hohen Strafe zu belegen. Vor der Straf kammer hatte sich der Hirtenknecht Gooßmann aus Oberkirn, der wegen vorsätzlicher Brandstiftung zu drei Jahren Gefängnis verurteilt wurde, noch wegen Sachbeschädigung zu verantworten. Gooß mann hielt eine längere Verteidigungsrede, worin er auf seine verwahrloste Erziehung hinwies und dann nach Trierer Blätter» wörtlich schloß: „Ich gestehe alle die mir zur Last gelegten Straftaten und bin froh, daß ich in, Gefängnis bin, denn dort lernt mau Anstand und Bildung, Ordnung und Fleiß. Auch hat man sein schönes Brod im Gefängnis; wenn ich heute entlassen würde, wüßte ich nicht, wohin. Ich nehme jede Strafe dankbar an, je höher, desto lieber. Ich bitte nur um die Gunst, die Geschädigten um Verzeihung bitten zu dürfen." Als dann das Gericht ihm eine zusätz liche Gefängnisstrafe von vier Monaten diktierte, dankte Gooßmann dem Gerichtshof. * Sommerfeld, 23. Februar. Hier fand eine Zusammenkunft höherer preußischer und sächsischer Eisenbahnbeamlen in Sachen des Leipziger Zentral bahnhose« statt. Die Resultate der Verhandlungen werden geheim gehalten. * Esse«, 24. Februar. Im Karnevals-Trubel wurde ein hiesiger Einwohner erstochen. Der Täter entfloh. * Cassel, 23. Februar. Ein großer Brand hat in der stürmischen Sonntagsnacht das könig liche Kohlenbergwerk Wilhelmshöhe heimgesucht. 50 000 Centner Braunkohlen und fast alle Gebäu lichkeiten über der Erde sind verbrannt. * Schwerin i. M-, 23. Febr. Wegen fahr lässiger Tötung seines Brnders wurde der Lehrer Adolf Lüben in Stavenhagen von der Strafkammer zu 2 Monaten Gefängnis verurteilt. Der Ange klagte hat seinen Bruder am 29. November v. I. auf der Jagd infolge Fahrlässigkeit erschossen. * Laucha a. N., 23. Febr. Der Kellner Kunth aus Gleina, der hier Sparkassengelder erhoben hatte, um sich selbständig zu machen, wurde in einem Hohlwege bei Dorndorf durch mehrere Schüsse schwer verletzt und seines Geldes beraubt. Der Räuber konnte noch nicht ermittelt werden. * Kronach, 22. Febr. Im Nachbarorte Nurn stürzte der Gastwirt Joseph Völkel durchs Scheunen loch auf die Tenne. Die schweren Verletzungen, die er beim Sturze davontrug, hatten den Tod des 54jährigen Mannes zur Folge. * Mainz, 23. Februar. I» dem pfälzischen Dorfe Geisweiler ist eine Bluttat verübt worden. Der Polizeibeamte Schmitt wurde nachts überfallen und erschlagen. Die Leiche hatte der Täter, welcher bereits verhaftet ist, in den Bach geworfen. * Bunzlau, 23. Februar. In Waldau sind in der Sonntagsnacht fünf Besitzungen niederge brannt. Das vierjährige Töchterchen eines Gärtners fand den Tod in den Flammen. Der Sparkassen rendant Krischke ist vor Schreck gestorben. Fünf Familien sind brotlos, Mobiliar und Vieh ver nichtet. * Ischl, 23. Febr. Nach zweitägigem Sirokko und ungewöhnlich hoher Temperatur ist hier ein sogenannter Schlammregen medergegangen. * Prcßburg, 21. Febr. Die 26jährige Baro nesse Luise Vay, ein sehr beliebtes Mitglied der hiesigen Aristokratie, ist seit einige» Tage» ver schwunden. In eine», Briefe hat sie erklärt, den Tod in der Donau suchen zu »'allen. Der Fall erregt großes Aussehen. * Lemberg, 23. Febr. In der Stadt Dolina hat eine Feuersbrunst über 200 Häuser einge äschert. Die Stadt bietet ein Bild grauenhafter Verwüstung; zahlreiche Straßen sind zerstört. Die Bevölkerung befindet sich im größlen Elend; Hun derte von Familien, deren gesamte« Hab und Gut in Trümmern liegt, campieren unter freiem Himmel. * Rom, 22. Februar. Der römische Advokat Castrali stürzte bei der Besteigung de« Grensoffo mit seinen beiden Führern, überrascht von einem Schncesturm, in einen Abgrund. Alle drei sind tot. * Petersburg, 23. Febr. Au« Sewastopol wird gemeldet, daß zehn Matrosen, die sich vom Panzerschiff „Tscherma" an« User begeben wollten, unterweg« in« Wasser stürzten und nur einer von ihnen gerettet werden konnte. * Stavanger, 23. Februar. Mit dem hier beheimateten Dampfer „Jalderen" kamen heute 4 Mann von dem deutschen, in Geestemünde be heimateten Fischdampfer „Friedrich Albert", Kapitän Buschen, bier an. Ter Fischdampfer strandete am I». Februar an der isländischen Küste. Die Be satzung, elf Mann, rettete sich auf eine kleine Sandbank, wo der erste Maschinist und ei» anderer Man» starben. Der Steuermann versuchte, eine größere Sandbank schwimmend zu erreichen, ver- schwand aber spurlos. Die Schiffbrüchigen er reichten das Land in einem von ihnen selbst ge fertigten Boot, nnd kamen sehr ermattet elf Tage nach der Strandung in Reikjavik an, wo sich znr Zeit noch fünf Mann befinden. * New Bork, 2>. F-br. Ein großer Schnee sturm wütet auf Neufundland. Eine Depesche aus St. Johns besagt, daß zwei Schnellzüge mit Hunderten von Passagieren im Innern der Insel einqeschneit sind. Der eine dieser Züge war vier Tage lang von allen Nahrungsmitteln abgeschnitten, und die Passagiere schwebten, da alle Versuche, den Zug herauszuschasfen, sehlschlugen, in der größten Angst, Hungers zu sterben. Hilfszüge sind sofort an die Stelle der Schneeverwehungen abgesandt worden. Es herrscht eine grimmige Kälte. Das Thermometer zeigt 40 Grad unter Nnll. HandelS-Nachrichten. NerU», 23. Februar. (Wechsel-EourS.) 3 3 3 4'/. Reichsbanl 3'/.°/», Lomb.-Z.-F. 4>/,°/°. 81,45 G 80,80 G vl»«»»t 8 r 2M 8 T 3M 10 L 2M 10 T 8 r 3M 14 r 2M 8 r 3M 8 T 3M 3 4 4 3 83,35 G 84,60 G 5'/, 8 r 3'/'3M, Marl 166,75 G 167,60 G 81,30 G 80,70 G 81,35 (N 81,25 G 20,48 l» 20,31 G Amsterdam per 100 st. d. Brüstet und Antwerpen pr. 100 Francs. Italienische Plötze pr. 100 Lire Schweiz. Pl. 100 Frc. London pr. I Lstrl. Madrid und Barcelona pr. 100 Pesetas Pari» pr 100 Franc Petersburg pr. 100 Rubel Warschau 100 Rubel Wien per 100 Kr. ö W. S»x<I«burr, 28. Februar. Kornzucker cxcl. 88°/,Ren- demenl 9,20—9,50. Nachproducte ercl. 75'/« Rendement. 7,15—7,40. Stimmung: Stetig. Krqstallzucker 1 29,82'/,. Brodraffinade I 29,57'/,. Gem. Raffinade mit Faß 29,57. Gem. Melis 29,07. Rohzucker I. Product Trans, f. a. B. Hamburg per Februar 16,40 Gd., 16,60 Br., per März 16,50 Gd., 16,55 Br., per Mai 16,80 Gd., 16,85 Br., 16,80 bez., per Aug. 17,20 Gd., 17,25 Br., 17,22 bez., per Okt.- Dezember 18,20 Gd., 18,30 Br., —bez. Stimmung: Stetig. Uumdurx, 23. Februar. Weizen stetig, Holsteinischer und Mecklenburger 154, Hard Winter 133. Roggen ruhig, südruss. 106, Holsteinischer und Mecklenburger 143. Mais ruhig, 130—132, runder 93. Hafer ruhig, Gerste ruhig. Wetter: Stürmisch. Zahlungseinstellungen. Hermann Kirschner, Berlin. Willibald Baruchsohn, Berlin. Franz Dörrenbach, Düsseldorf. Ludwig Pinoff, Magdeburg. Theophil Sontowski, Elbing. H. Rochus Schulze, Lübbenau. Paul Müller, Zschöllau-Oschatz. Mathias Silverios Nachf., Passau. Ulrich v. Veltheim, Schönebeck-Stargard i. P. Albert Kattner, Sagan. P. G. Ewald, Stettin. Josef Berger, Zabrze. Der Fremde. Roman von Robert Kohlrausch. 75. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) „Ach, ich fühle eS ja, daß ich ihn nicht Wieder sehen werde," rief sie in leidenschafilichem Schwerz; dann aber trocknete sie die Augen und versuchte zu lächeln. „Es mag sehr unvernünftig sein, an solche Ahnungen zu glauben, — wenn nur daS Herz mir nicht so unsagbar schwer wäre! Aber Du hast recht, ich darf im Augenblick an mich nicht denken, und ich will Dir alles sagen, was ich weiß. Bis vorgestern abend blieb er so sanft und traurig, dann kam eine furchtbare Verwandlung. Seitdem war er in einem Zustand der Erregung, der Todes- angst — ich kann es nicht anders nennen — wie auch ich eS noch niemals an ihm gesehen hatte. Keine Minute hat er geschlafen in der ganzen Nacht, alle Zimmer hat er erleuchten lassen und ist unaus- hörlich hin- und hergegangcn, ohne nur einmal zu ruhen. Ich versuchte ihn zu trösten, aber auch mich wollte er nicht sehen; er wolle allein sein, daS war alles, was er sagte. Und als ich nicht gleich hin- auSging auf seinen Wunsch, ward er so heftig, daß ich erschrak." „Kam diese Veränderung ganz plötzlich? Weißt Du gar keinen Grund, der sie erklären könnte?" „Ein Besuch, den Papa gegen Abend hatte, wäre die einzige Erklärung. Ein Herr ist bei ihm gewesen, ich habe ihn nicht gesehen, aber der Diener hat ihn mir beschrieben. Er soll noch nie vor her im Hause gewesen sein, ein kleiner, alter Herr in schwarzem Anzug, mit einer Brille und häßlichen Augen." „Der war vorgestern abend hier?" „Vorgestern in der Dämmerung. In der Nacht hat Papa, wie gesagt, sich nicht schlafen gelegt, und gestern war der Zustand ganz unverändert. Es war furchtbar zu sehen, wie er so ruhelos um- hergetriebcn wurde; ich ging zuweilen zu ihm, er wies mich auch nicht mehr hinaus, aber er schien mich gar nicht zu sehen und hörte nicht, was ich sprach. Sein Gesicht war so schrecklich verändert, so um Jahre gealtert, so schlaff und grau geworden! Geredet hat er nicht mit mir, auch nichts genossen den ganzen Tag, und je später es wurde, desto größer wurde seine Unruhe. Es war mir, als wenn er jemand erwartete, wohl hundertmal ging er ans Fenster und sah hinaus. Dann, gestern abend —" Sie stockte und atmete schwer. „Gestern abend? Laß uns keine Zeit verlieren," bat Boysen. „Ich war für kurze Zeit in mein Zimmer hin hinüber gegangen. Es liegt nach hinten, und ich kann von dort nicht auf die Straße sehen. Aber ich hörte doch einen Wagen kommen und hörte, wie er hielt. Ich dachte zuerst, er sei vor dem Hause, doch die Tür wurde nicht geöffnet. Nachher habe ich mir klar gemacht: es wird der Wagen gewesen sein, mit dem Ihr gekommen seid. Meinen Papa aber habe ich seitdem nicht wieder gesehen." „Ist er gleich darauf fortgegangen?" „Unmittelbar hinterher. Der Diener hat an der Tür gestanden und den Wagen drüben Vor fahren sehen, und kaum fünf Minuten später ist Papa an ihm vorbei aus dem Hause gegangen und hat ihn gescholten, daß ec sich draußen herumtreibe. Sein Wesen aber ist dem Diener so aufgefallen, — er sei so sonderbar unruhig gewesen, sagt er — daß er ihm doch vorsichtig nachgeschaut hat, als Papa fortgegangen war. Und da hat er bemerkt, daß er nicht nach der Stadt sich gewandt hat, sondern nach links, nach dem Walde zu. DaS ist da» letzte, was ich von ihm weiß. Ich habe auf ihn gewartet die ganze Nacht, aber er ist nicht zu mir zurückgekommen." Sie brach wieder in leidenschaftliches Weinen aus, schlang die Arme um Boysen-Nacken und so, daS tränenüberströmte Gesicht zu ihm emporgekehrt, flehte sie: „Such' ihn mir, bring' ihn mir zurück!" „Ich gehe und suche ihn. Du aber vertraue darauf, daß Du einen Freund und Beschützer hast, der lieber sein Leben hingibt, als daß er Dir ein Leid geschehen läßt, daS er hindern kann." Er küßte sie noch einmal und ging. Der Diener, den er unten befragte, wußte ihm nicht» weiter zu berichten, al» wa» Eva ihm bereits gesagt, und so schritt er hinaus aus seinen ungewissen Weg, einem Manne nach, der sich vor ihm verbarg. Er wußte die Stunde, in der er daS Haus verlassen, und er wußte die Richtung, die er zuerst eingeschlagen hatte, — daS aber war alle-, ein schwacher Anhalt für den Suchenden. Draußen empfing ihn ein Heller Tag mit sonnigem, blaßblauem Himmel und ruhiger Luft, ein Tag des Friedens scheinbar nach den anderen voller Wind, Regen und Schnee, und doch für ihn ebenso ein Tag der Sorge, des Bangens, des unsicheren Forschens, wie jene düsteren Vor gänger eS gewesen waren. (Fortsetzung folgt.) Neueste Nachrichten und Depeschen vom 24. Februar. Dresden. Den „Dresd. N. Nachr." wird aus Salzburg gemeldet, in dortigen Hofkreisen glaube man mit Bestimmtheit, daß der Papst die zwischen dem Kronprinzen und der Kronprinzessin von Sachsen geschlossene Ehe annullieren werde, nach dem diesbezügliche Gründe vorliegen, welche den, kirchlichen Gerichtshof in dieser Hinsicht genügen dürften. Bernburg. Eine Versammlung von Ver tretern der Konservativen, Nationalliberalen und Freisinnigen beschloß einstimmig, bei der Reichs tagswahl für den Groß-Industriellen Geheimen Kommerzienrat Wessel einzutreten. Wessel dürfte freikonservativen Anschauungen folgen. Wien. Einem Telegramm aus Salzburg zu folge faßte Leopold Wölfling infolge finanzieller Schwierigkeiten den Entschluß, Genf zu verlassen und nach Amerika zu reisen, um dort als See offizier in die Marine einzutreten. Der Großherzog von Toskana bezahlte alle Schulden, die Wölfling vor seinem Weggang gemacht hat; Wölflings Bitten um weitere materielle Unterstützung blieben jedoch unberücksichtigt. Wien. Prinz Philipp von Sachsen-Coburg läßt im „Fremdenblatt" durch seinen Rechtsvertreter Bachrach alle vom Abgeordneten DaSzynSki im Abgeordnetenhaus bei Besprechung der Affaire Mattachech gegen ihn vorgebrachten Behauptungen und Anschuldigungen als böswillige Erfindung bezeichnen. Budapest. Infolge der Obstruktion der Oppo sition gegen die Wehrvorlagen mußten die dies jährigen Assentierungen (Einberufungen), die sonst regelmäßig im Herbst stattfinden, auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Petersburg. Das Militär-Bezirks-Gericht ver urteilte gestern den Leutnant Hoffmann vom 91. Regiment zum Ausschluß aus dem Militärdienst, Verlust des Ranges und der Orden und Einreihung in die Arrestanten-Abteilung auf drei Jahre. Hoff mann hatte einen Marine-Soldaten, der ihm in der Trunkenheit zwei Schläge versetzt hatte, mit sieben Revolverschüssen getötet. Petersburg. Die „Nowoje Wremja" meldet über Wladiwostock au« Tokio, die japanische Re gierung plane eine Reduktion der Ausgaben der Militärverwaltung. E« handle sich um eine Ein schränkung de« Gendarmerie-Korp«, Abschaffung zahl reicher unterer Militärbeamtenstellen, Neu-Ordnung de« Arsenalwesens u. a. Rom. Minister Prinetti wird sich auf Anraten seiner Aerzte nach Abazzia begeben. Ob er definitiv zurücktreten wird, ist noch nicht bestimmt. Loudon. „Daily Mail" meldet au« Konstanti nopel: Die Araber der feindlichen Provinzen im Hinterland von Aden und die Gleichgültigkeit der Behörden lasten eine Erneuerung de« Konflikte« voraussehen. Eine Krist« ist anscheinend unver meidlich. Madrid. Der „Heraldo" bezeichnet die Zirku- lar-Note de« Ministers de« Innern über die Wahlen als einen Slaaltstreich und fordert die Opposition auf, sich zu einigen, um Wahl-Enthalt ung zu üben und nur ein einzige« Mitglied in die Corte« zu entsenden, welcher gegen das gesetzwidrige Verfahren der Regierung zu protestieren hätte. Die ministeriellen Blätter bekämpfen die Austastung de« „Heraldo" und erklären, der Minister beabsichtige mit der Nole nur Wahlfälschungen zu verhindern. Barcelona. Die Tischler sind in den Ausstand getreten und üben einen scharfen Druck aus die übrigen Arbeiter aus. Die Polizei hat bereit- zahlreiche Verhaftungen vorgenommen. Sofia. In der breiten Oeffentlichkeit gibt sich schon jetzt eine starke Enttäuschung über den Um fang des makedonischen Reform-Programmes kund, und die Opposition in der Sobranje wird eben falls Lärm schlage». — Der Gehülse des Abtes des Klosters i» Nilo, der Mönch Paisij, wurde auf Verlangen der Regierung nach einem süd bulgarischen Kloster versetzt, weil er verdächtig war, die makedonische Bewegung zu unterstützen. Konstantinopel. Hier verlautet, der Sultan werde auf Anraten mehrerer Mächte den ehemaligen Generalgouverneur des Libanon, Naum Pascha, zum obersten Gouverneur von Makedonien ernennen. , Fez. Der Kriegsminister machte auf dem Vor marsch gegen Tazza einen größeren Umweg, um die aufrührerischen Kabylen der Hairoz-Stämme zu be strafen. Die Regierungstruppen sollen jedoch eher geneigt sein, die Rebellen zu unterstützen, als sich gegen sie zu wenden. Washington. DieVertreterFrankreichS, Belgien- und Spaniens hatten eine Unter edung mit Bowen über die FriedenSprotokolle. Die Vorschläge Bowen werden den betreffenden Regierungen erst Ende dieser Woche zugestellt werden- Kirchen-Nachrichten. Mo« Gverkungwitz Freitag, den 27. Februar, vormittag 10 Uhr Wochen- tommunion in der obcrcn Kirche. Herr ?. Zeißig. — An- »icldnng vorher in der Salristci.
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