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Weitverbreitetes Insertions-Organ für amtliche und Privat-Anzeige«. Bei Abholung monatlich die einzelne Nummer 5 „ Durch die Post bezogen 1.25 Mk. excl. Bestellgeld. 30. Jahrgang. Freitag, den 16. Januar 1903. Nr. 12. Amtlicher Teil Jnsertionsgebühreu: die sechsgespaltene Corpuszeile oder deren Raum für den Veroreitungsbezirk 10 Pfg., für auswärts 12 Pfg Reklamen 25 Pfg. Bei mehrmaliger Ausgabe Rabatt Annahme der Inserate für die folgende Nummer bis Vorm. 10 Uhr. Größere Anzeigen abends vorher erbeten. . Dieses Blatt erscheint mit Ausnahme der Sonn- und Festtage täglich nachmittags. — Zu beziehen durch die Expedition und deren Aus träger, sowie alle Postanstalten. Für Abonnenten wird der Sonntags-Nummer eine illustrierte Sonn tagsbeilage gratis beigegeben. Hchmslcm-ErnsttlM Anzciger TaMatt für Koßenstein Grnktkat, Höerlungmiß, Oersdorf, Dermsdorf, Wernsdorf, Wiistenbrand, Ursprung, Mittelbach, Langenberg, Falken, Meinsdorf, Grumbach, Tirschheun rc. Abonnement: - Frei ins Haus 35 Pfg. monatlich 42 Pfg- vierteljährlich 1 M. 25 Pfg- Junger, kräftig gebauter, dunkelbrauner Huub (anscheinend größere hier abgegeben worden. Abzuholen bis nächsten Montag auf hiesiger Polizeiwache. Rasse» ist als zugelaufen Heule Freitag, vormittags 8 Uhr, wird im hiesigen Rathause das Fleisch eines beanstandeten Schweines in gekochtem Zustaude, ü Pfund 40 Pfg., öffentlich verpfundet. Kny. Amtliche Bekanntmachungen. Zwangsversteigerung. DaS im Grundbuche für Ernstthal Blatt 448 aus den Namen dcS Webers Heinrich Eduard Nagelin Hohenstein Erustthal«ingetragene Grund- stück soll am 19. März 1903, vormittag« 10 Uhr an der GerichtSstelle im Wege der Zwangt» Vollstreckung versteigert werden. Dat Grundstück ist nach dem Flurbuche — Hektar 5,7 Ar groß, mit 211,84 Steuereinheiten belegt, aus 16 500Mk. — Psg. geschätzt, besteht auS einem Wohnhause mit 2 Kellern und Waschhaus sowie anstoßendem Hintergebäude mit Stallung und Hof- raum, liegt an der hiesigen Fitkolisckenstroße, trägt die Hausnummer 18 und die Nr. 35 3 Abt. O. deS BrandversicherungSkolasterS, sowie die Nr. 505 deS Flurbuchs für Hohenstein-Ernstthal — Flurteil Ernstthal —. Die Einsicht der Mitteilungen deS Grundbuch. amIS sowie der übrigen daS Grundstück betreffenden Nachweisungen, insbesondere der Schätzungen, ist Jedem gestattet. Rechte aus Befriedigung auS dem Grundstücke sind, soweit sie zur Zeit der Eintragung deS am 29. November 1902 verlautbarten Versteigerung-Ver merkes auS dem Grundbucht nicht ersichtlich waren, spätestens im Versteigerungstermine vor der Aus. forderung zur Abgabe von Geboten anzumelden und, wenn der Gläubiger widerspricht, glaubhaft zu machen, widrigenfalls die Rechte bei der Fest» stellung deS geringsten Gebote- nicht berücksichtigt und bei der Verteilung deS Versteigerungserlöses dem Ansprüche deS Gläubiger- und den übrigen Rechten nachgeletzt werden würden. Diejenigen, die ein der Versteigerung entgegen- stehende- Recht haben, werden ausgesordert, vor der Erteilung d«S Zuschlag- die Aushebung oder die einstweilige Einstellung de- Verfahren« herbeizu. führen, widrigenfalls für da- Recht der Berfteizer- ungSerlöS an die Stelle des versteigerten Gegen- stände- treten würde. Hohenstein-Ernstthal, den 8. Januar 1903. Königliches Amtsgericht. Deutscher Reichstag. 237. Sitzung vom 14. Januar. Das Haus ist schwach besetzt. Die Beratung der Resolutionen zum Zolltarif wird fortgesetzi. Die zweite, von der Kommission beantragte Reso lution ersucht die verbündeten Regierungen, mit möglichster Beschleunigung zu erwägen, ob nicht durch differentielle Zolltarifierung non raffiniertem und rohem Petroleum die Schaffung einer in ländischen Raffinerie-Industrie möglich und wirt schaftlich geboten sei. Abg. Wurm (Soz.) bekämpft die Resolution, aus deren Durchführung für das ärmere Volk eins überaus schwere Belastung erfolgen würde. Es handle sich um einen Raubzug der Agrarier, die ihre bankrotte Spiritusindustrie durch Verteuerung des Petroleums künstlich heben wollten, indem sie dadurch den Brennspiritus konkurrenzfähiger machen wollten. Diesem famosen Bestreben würde ein nationales Mäntelchen umgehängt, indem man Amerika und Rockefeller an die Wand male. Die Regierungsvertreter hätten schon in der Kommission mit zwingender Logik nachgewiesen, daß uns das von Amerika doch nicht unabhängig machen würde, weil wir das amerikanische Rohpetroleum brauchten, da da- russische bei unseren in Deutschland üblichen Brennern nicht brauchbar sei. Eine deutsche Raffinerie würde bei uns auch keineswegs die Arbeitsgelegenheit vermehren, da die Raffinerien überhaupt nur geringer Arbeitskräfte bedürfen. Redner plaidiert dann für Förderung des Ver brauchs von Waffergas zu Leuchtzwecken und ver langt Ermäßigung des Zolles für Mineralöle. Abg. Freiherr Heyl zu Herrnsheim /nat.-lib.): Es handelt sich hier nicht um eine agrarische Maß nahme ; im Gegenteil. Die Mitglieder des Bundes der Landwirte haben ja auch in der Kommission gegen diese Resolution gestimmt, weil sie von ihr sogar eine Verbilligung des Petroleums befürchten. Jetzt beherrscht Rockefeller den Petroleummarkt; je nachdem er davon Vorteil hat, stellt er den Preis billiger oder teurer. Mit unserer Resolution wollen wir dieses unerträgliche Monopol Rocke fellers brechen, gerade auch im Interesse der deut schen Konsumenten. Irgend welchen Hintergedanken haben wir bei dieser Resolution nicht. Redner weist dann noch darauf hin, daß in Frankreich nicht weniger als 15- bis 20 000 Arbeiter allein in den Raffinerien beschäftigt würden. Mittelbar, einschließlich aller Nebenbetriebe, seien dort sogar 40 000 Arbeiter infolge der Differenzieruna des Petroleumzolles beschäftigt. Wisse Herr Wurm ein besseres Mittel, um den mächtigsten aller be- stehenden Ringe, den Rockefellerschen, zu brechen, so werde er mit seinen Freunden ein solches Mittel gern akzeptieren. Unterstaatssekretär Fischer hat gegen die Reso lution ernste Bedenken, einmal wegen der zolltech nischen Schwierigkeiten der Zolldifferenzierung, weiter weil die Erfahrungen im Auslande gelehrt hätten, daß auf solche Weise eine Emanzipation deS Inlandes von der Standard Oil-Company doch nicht herbeigeführt werden könne, und endlich wegen der Schädigung der Reichskasse, die aus einer derartigen Maßnahme erwachsen müßte. Abg. Frese (freis. Vrg.) ist mit Wurm der Ansicht, daß bei Durchführung dessen, was die Resolution will, die Konsumenten geschädigt würden. Die Standard-Company habe den Preis des Petroleums nicht verteuert, schon um sich keine Konkmrcnzen großzuziehen. Der Preis vor der Gründung der deutsch-amerikanischen Petroleum- Gesellschaft sei höher gewesen, als später. Der Hauptbestandteil des Unternehmens bestehe m der Verbilligung des Petroleumtransports durch geeignete Dampfer und Lagereinrichtungen. Mehr als 20 Prozent der verteilten Dividende stammten aus dieser Verbilligung des Transports her. Abg. vr. Paasche (nat.-lib.) tritt demgegenüber lebhaft für die Resolution ein. Sogar die dem Vorredner nahestehenden Kreise, z. B. das „Berl. Tageblatt", habe seit Jahren auf die rücksichtslose Ausplünderung der deutschen Konsumenten durch die Standard-Company hingewiesen. Diese habe auch in Baku ihre Agenten. Sie stehe mit der Nobel-Company in fortdauernder Fühlung. Natür lich, „eine Krähe hackt der anderen die Augen nicht aus"! Die Resolution verlange doch auch einst weilen nur Erwägungen von der Regierung. Ein jeder sollte doch solchen Resolutionen und solchen Bestrebungen zum Schutze unserer Konsumenten zustimmen können. Abg. Gothein (freis. Ver.» bekämpft ebenso wie Abg. Frese die Resolution. Der Gedanke, in Deutschland die Petroleum-Raffinerie einzubürgern, müsse vor allem daran scheitern, daß wir in Deutschland für die Raffinerierückstände nicht ge nügende oder doch nicht genügend preiswürdige Verwendung und Verwertung haben; denn das Masut komme wegen des auf dem Rohpetroleum liegenden Zolles, der doch auch nach dem Gewichts verhältnis für das im Rohpetroleum enthaltene Masut mit zu entrichten sei, in Deutschland zu teuer zu stehen. Redner erwähnt, daß ein Gewerbe aufsichtsbeamter als Keffelrevisor einem Fabrikanten Vorhaltungen gemacht habe, weshalb dieser mit Benzin heize und nicht mit Spiritus Die Be- amten sollten angewiesen werden, sich solcher Ein griffe zu enthalten. Abg. Graf Kanitz (kons.) stellt, eine Gotheinsche Aeußerung zurückweisend, fest, daß er selbst im Landeseisenbahnrat die Detarifierung von galizischem Petroleum lediglich deshalb bekämpft habe, weil Petroleum ein viel zu wichtiges Kompensations objekt für die Handelsvertragsoerhandlungen sei. Die Resolution wird angenommen mit 152 gegen 70 Stimmen, bei 2 Stimmenthaltungen. Zur Beratung stehen dann die beiden auf das Meistbegünstigungsverhältnis bezüglichen Resolu tionen. Die eine von den Abgeordneten Heyl zu Herrnsheim, Gras Kanitz und v. Kardorff bean tragte, will daS Meistbegünstigungsrecht gegenüber all den Ländern gelöst wissen, .welche den deutschen Waren nicht volle Reziprozität in bezug auf die Zollgesetzgebung oder zollamtliche Behandlung ge währen". Die zweite Resolution der Abgeordneten Speck und Genoffen vom Centrnm verlangt Lösung des Meistbegünstigungsverhältnisses gegenüber all den Ländern, „bei denen die Erfahrung gezeigt hat, daß ein solches Verhältnis den deutschen Interessen nachteilig ist." Abg. Heyl zu Herrnsheim führt zu Gunsten seiner Resolution aus, die Meistbegünstigung habe einzelnen Ländern gegenüber geradezu als Prämie auf schikanöse Behandlung deutscher Waren gewirkt. Redner nimmt namentlich bezug auf die Vereinig, ten Staaten von Amerika und auf Argentinien. Gerade diese überseeischen Länder hätten von der ihnen gewährten Meistbegünstigung den denkbar größten Vorteil gezogen, indem sie den Löwenanteil unseres Weizenexportbedarfs gedeckt hätten. Er und einige seiner Freunde würden keinem Handels verträge zustimmen, der irgend einem Staate er mögliche, uns aus Grund einer Meistbegünstigung mit Getreide zu überschwemmen. Abg. Speck (Ctr.) empfiehlt seine Resolution namentlich auch, damit die Zollbelästigung deutscher Waren in Amerika ein Ende nehme. Komme eine Verständigung mit Amerika nicht zu stände, so müßten wir Amerika eben unseren Generaltarif auferlegen. Staatssekretär Graf PosadowSky giebt zu, daß das Meistbegünstigungs-Verhältnis auch seine Nach teile habe. Aber wenn wir grundsätzlich auf jedes Meistbegünstigungsverhältnis verzichten würden, so würden wir in einen Zustand geraten, ähnlich dem jenigen im Auslande, vor Abschluß des Zollver einigungsvertrags. Ein solch grundsätzlicher Ver zicht würde uns Schranken auferleqen, die mit unserem Weltverkehr nicht im Einklänge ständen. Was Amerika anlangt, so hat tatsächlich die Meist begünstigung zwischen uns und Amerika aufgebört. Wir haben Amerika unseren Konventionaltarif be willigt und dafür die Konzession erhalten, die Amerika an Frankreich gemacht hat. Dieses Ab kommen ist jederzeit binnen drei Monaten kündbar. Die Annahme, als ob Amerika sofort in den Besitz aller der Vergünstigungen treten müsse, die wir anderen Staaten vertraglich bewilligen, trifft des halb nicht zu. Wir werden künftig auch in bezug auf die Meistbegünstigung mehr individualisieren als dies bisher geschehen. — Weiterberatunq morgen. Schluß nach 6 Uhr. Zur Angelegenheit der Kronprinzessin. Unter der Uebersckrist „Die sächsische Kron» Prinzessin, Jesuiten und Aufklärer" bringt die "neu Aufsatz, der in jedem Falle höchst beachtlich ist, wenn auch Tausende, die auf einem weniger vorgeschritteneren Standpunkte stehen, allen Folgerungen nicht zustimmen werden. Zunächst bricht die „Köln. Ztg." eine Lanze für Nietzsche und Zola. Hier gehen die Meinungen ja schon weit auseinander. ES giebt ernst denkende Menschen, die im Zweifel darüber sind, ob der Gewinn, den daS hohe Geistesleben durch die Schriften von Nietzsche und Zola errungen, die Verwirrung und den Schaden aufwiegt, der durch sie — gewiß in den meisten Fällen infolge mangel haften Verständnisse- — in vielen Köpfen und Herzen erwachsen ist. Do« Blatt schreibt: „Die Kronprinzessin Luise soll Nietzsche und Zola gelesen haben. Also war eS die Lektüre der Werke dieser beiden Unholde, au- der sie den logischen Schluß gewann, daß eS gut sei, eine Liebschaft mit einem jungen Sprachlehrer anzulongen. ES giebt nun fehr viele Damen in der Welt, die Nietzsche und Zola ganz oder teilweise gelesen hoben, ohne daß sie mit irgend einem jungen Manne infolgedessen durchgegangen wären, selbst wenn man zugeben muß, daß die beiden Schriftsteller in unklaren Köpfen manche Verwirrung anqerichtet haben. Hier ist der Punkt, wo da- persönliche der Angelegenheit wenig stens gestreift werden muß. AuS oll den zahlreichen Mitteilungen über jene Dame haben wir bis heute noch nicht daS geringste entnommen, waS darauf Hindevten könnte, al- sei sie wirklich eine geistig bedeutende Frau, die sich persönliche L-ben-anschau- ungen auf Grund eines tiefen Nachdenken-erworben hätte. V-elmehr scheint sie der Durchschnittstypus einer lebhaften, modernen Dame der vornehmen Gesellschaft gewesen zu sein, die neugierig mit allerlei Dingen spielte, die eben gerade al» „modern," als „chic" galten. Da könnte eS denn wohl der Fall gewesen sein, daß sie Nietzsche und Zola gründ lich mißverstanden hätte. Bil lleicht Hot sie Nietzsche aerobe so verkehrt ausgefaßt, wie e- die Herren Ultramontanen tun, die nicht erst jetzt, sondern schon seit langem al- ganze Weisheit über ihn nur zu sagen wissen, er predige die Lehre, daß der Mensch sich auSleben müsse und darunter wiederum verstehen sie die Lebensweise von jungen Fohlen, die sich ohne Aussicht im Freien tummeln. Nietzsche predigt aber in Wirklichkeit nur da- Recht deS Menschen, alle in ihm wohnenden Kräfte frei entfalten zu können, um dadurch zur vollkommenen Wirkung seiner DaseinSbestimmung zu gelangen. DaS ist ein sehr ernste- Ding, über da- man verschiedener Ansicht sein kann, bei dem ober Nietzsche gerade eine sehr strenge Selbstzucht voraussetz,; denn wo« er unter den Kräften deS Menschen versteht, da« hat mit irgend welchem erlaubten Sport fehr wenig zu tun." Dann wendet sich da- Blatt gegen die Ultra- montanen, indem e» schreibt: „Wenn die Ultra- montanen sich so sehr empören über die „bösen Lügen", die gegen die „wackeren" Söhne Loyola- verbreitet weiden, so müssen sie e- gerechtermaßen auch al- bewußte Lüge oder krasse Dummheit er kennen, wenn solches Zeug Uber da- freie Denken verbreitet wird, al- ob diese- absichtlich die Unsitt- lichkert förderte." Schließlich wendet eS sich der Erziehungsfrage zu, über die eS heißt: „Diese Methode ist e« dann, die nicht nur an gewissen Höfen, sondern in weiten Kreisen, die vor nehm sein wollen, eine Erziehung fördert, welche Früchte zeitigt, wie wir sie in Dresden haben reifen sehen. Besonders wird da in der Mädchenerziehung gesündigt. Mit Recht tritt man der Klosterer ziehung mit ihren weltfremden Einseitigkeiten und ihrer schiefen Entwickelung de» weiblichen Gemüts leben» entgegen. Aber durchau« nicht besser ist die vornehme Erziehung mit französischen und englischen Gouvernanten, bei denen selbst da« Heranwachsende junge Wesen über sehr seichte Spielereien mit Littcratur- und Kunstgeschichte hinau« von allem dem ferngehalten wird, wa« man deutsche« Geistel leben nennt. Man bekreuzigt sich vor den größten Namen der Erde und eine ganze Familie verfiele