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- Erscheinungsdatum
- 1899-05-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189905191
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18990519
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18990519
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-05
- Tag 1899-05-19
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Monat
1899-05
-
Jahr
1899
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Freiberger ««zeige» ««d Tageblatt. Seite S. — 19. Mat. 1899 und ohne deren sie das Wartegeld beziehen (8 1 Absatz 2), treten die im § 1 bezeichneten Beamte» kraft Gesetzes gänzlich in den Ruhestand erhalten die gesetzliche Pension mit der Maßgabe, daß diese Rücksicht auf die Dauer der Dienstzeit auf drei Viertel des penfionSberechtigten Dienstemkommens zu bemessen ist. — Auf Grund einer Umfrage bei alte» richterlichen Beamten im Alter von 65 bis 75 Jahren hat sich ergeben, daß zwei Drittel derselben "unter den im Gesetz angegebenen Bedingungen in den Ruhestand überzutreten geneigt find. Die Durchführung des Gesetzes auf den vorgeschlagenen Grundlagen würde einen Gesammtaufwand von 8*/, Millionen Mark erfordern. Die ReichStagskomniission für die Gewerbeordnungs-Novelle schränkte gestern in der fortgesetzten zweiten Lesung die Bestimmung, daß von 9 Uhr abends dis 5 Uhr morgens die Verkaufs stellen für den geschäftlichen Verkehr geschlossen sein müssen!, dahin ein: die beim Ladenschluß im Laden schon an wesenden Kunden dürfen noch bedient werden. Ueber 9 Uhr abends dürfen Verkaufsstellen für den geschäftlichen Verkehr geöffnet sein: 1. in unvorhergesehenen Nothsällen, 2. an höchstens 40, von der Ortspolizeibehörde zu bestimmenden Tagen bis spätestens 10 Uhr. 3. nach näherer Bestimmung der höheren Verwaltungsbehörden »für ländliche Gemeinden, in welchen der Geschäftsverkehr sich in 'der Hauptsache auf einzelne Tage in der Woche oder aus einzelne 'Stunden des Tages beschränkt. Ferner wurden die Vorschriften, daß in Gemeinden mit mehr als 20,000 Einwohnern in offenen Verkaufsstellen die ununterbrochene Ruhezeit für die Angestellten mindestens 11 Stunden betragen muß, auf Geschäfte mit mindestens zwei Gehilfen und Lehrlingen beschränkt. Dagegen beschloß die Kommission nach längerer Verhandlung, an der Bestimmung einer mindestens Inständigen Mittagspause bei Einnahme der Mahlzeit außerhalb oer Verkaufsstelle festzuhalten, obgleich Staats sekretär Graf v. Posadowsky dringend bat, auf die Vorlage zurück- zukommen. Er berief sich auf den lebhaften Widerstand, der sich letzt bereits gegen die Vorlage geltend mache, gedachte der Bäckerei- Verordnung und erinnerte an das Sprichwort „Allzu scharf macht schartig." Besteht eine Entfremdung zwischen Recht und Volk? Wir lesen in der „Deutschen Tageszeit.": Ein Zeichen der Zeit ist es, daß ein hervorragender Rechtslehrer, Professor Krückmann m Greifswald, diese Frage in einem kürzlich gehaltenen Vortrage bejaht hat. „Eine Entfremdung zwischen Recht und Volk", so sagt er, „ist zweifellos vorhanden und auch eine nicht unbeträchtliche Unzufriedenheit mit unserem Rechte". Der Herr Professor hat damit nicht gerade etwas Neues gesagt, zahlreiche staatserhaltende Politiker, welche dem praktischen Leben nahe stehen, haben schon lange ähnliche Beob achtungen gemacht und beklagt. Neu und wichtig ist nur der Umstand, daß ein Rechtsgelehrter den Muth gefunden hat, eine Thatsache offen einzugestehen, welche man in Juristenkreisen niemals zugeben wollte. Em spöttisches Achselzucken war die einzige Antwort dieser Herren auf die zahlreichen Klagen über die Unpopularität vieler Reichsgesetze. Hoffentlich wird es nun anders werden. Professor Krückmann begnügt sich nicht damit, die Thatsache zuzugcstchen, er sucht sie auch zu erklären und macht Vorschläge zur Abhülfe. „Wir Juristen", das find seine Worte, „können mit Recht fordern, vag das Volk uns und das Recht aufsuche, aber wir haben auch die Pflicht, ihm diesen Schritt nach Möglichkeit zu erleichtern." Als Mittel hierzu schlägt er vor: möglichst volksthümliche Abfassung der Gesetze, mündliche Belehrung durch Privatgespräch und öffentlichen Vortrag, volksthümliche Darstellung, Errichtung von Armen rechtsbureaus. Daß die Sprache vieler Gesetze unverständlich, ost geradezu undeutsch ist, wußten wir schon lange. Ist doch selbst daS so ost durchgefeilte bürgerliche Gesetzbuch noch nicht ganz einwandsfrei. Landgerichtsdirektor Gensel in Leipzig hat hierüber vor Jahren die beherzigenswerthen Worte geschrieben: „Niemand hat so sehr die Pflicht, schlicht und verständlich zu schreiben, wie der Richter und der Nerwaltungsbeamte, weil seine Gebote und Verbote verstanden werden müssen." Glück licherweise sind wir so weit gekommen, daß eine möglichst volks thümliche Fassung der Gesetze selbst unter den Juristen mehr und mehr als wünschens- und erstrebenswerth angesehen wird. Die Belehrung des Volks über sein Recht und unentgeltlicher Rechtsrath sind sehr erstrebenswerthe Ziele. Es ist nur die Frage, wer soll sie leisten? Unsere überbürdeten Richter können es vielfach nicht und die Rechtsanwälte, welche namentlich ange sichts der Konkurrenz selbst zu kämpfen haben, werden es weder können noch wollen. Hier muß eben der Staat eingreisen. Für jedes Landgericht und größere Amtsgericht müßte ein juristischer Beamter eigens zu dem Zwecke angestellt werden, Rechtsbelehrung zu geben. Die Mehrkosten würden sich sehr bald durch Entlastung des Gerichts wieder bezahlt machen, ganz abgesehen von dem moralischen Werth, der darin liegt, daß das Volk sein Recht versteht und schätzt. Viel Unzufriedenheit rührt eben auch daher, daß Gesetze nicht verstanden oder falsch auf gefaßt werden. Hier würde die unentgeltliche Rechtsbelehrung sozial mildernd und beruhigend wirken. Einen hohen Beruf spricht Krückmann dem Richter zu: „Jeder Richter ist ein Er zieher, er soll nicht bloß aburtheilen, er soll richten, gerade richten nicht die Sache, sonder« die Menschen, er soll ihren Sinn zum Guten und Edlen, zur Gerechtigkeit hi» richten." DaS sind wahrhaft goldene Worte, denen man nur allseitige Beachtung und Würdigung wünschen kann. Wen« in diesem Sinne Recht gesprochen und geschaffen wird, dann wird und muß die Entfremdung schwinden und die Harmonie zwischen Recht und Volk, wie sie bei unsern germanische» Vorfahren bestand, wieder zur Thatsache werden. Die Postkommission deS Reichstages beendete die zweite Lesung der Fernsprechgebührenordnung wesentlich entsprechend den Beschlüssen der ersten Lesung. Die Pauschgebühr in der Fünfkiloincterzone wurde bis 50 Anschlüsse auf 80 Mark festgesetzt, mit 7 weiteren Stufen bis 180 Mark über 20000 Anschlüsse. Bei Bezahlung einer Pauschgebühr ist die unentgelt liche Benutzung durch dritte Personen gestattet. Die Gesprächs gebühr zwischen verschiedenen Orten bis auf 25 Irm Entfernung ist auf 20 Pfg. festgesetzt. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Die Ablehnung der Kanalvorlage in der Kommission des preußischen Abgeord netenhauses ist als ein bedauerliches Moment in der Entwickelung des in so hervorragendem Maße auf Förderung der wirthschast- lichen Interessen weiter Landestheile und damit der ganzen Monarchie gerichteten Unternehmens zu betrachten. Die Regierung vertrat stets den Standpunkt, daß die Durchsühruna des Mittel land-Kanalprojektes nicht nur von weitreichendem Nutzen sür das ganze Land wäre, sondern auch aus Verkehrs- und anderen Rück sichten als eine Nothwendigkeit anzusehen sei. An diesem Stand punkte muß die Regierung bei eingehendster Würdigung der Einwendungen der Gegner der Vorlage festhalten, und sie erwartet, daß eine weitere Erörterung der wirthschaftlichen, ver kehrspolitischen und militärischen Seite der Kanalfrage im Plenum die Abgeordneten zu einem anderen, erfreulicheren Ergebniß führt. Die Regierung glaubt dies um so mehr erwarten zu dürfen, als sie bei aller Wahrung der prinzipiellen Stellungen zu der Kom pensationsfrage bereitwillig erklärte, in eine Prüfung darüber eintreten zu wollen, auf welchem Wege der etwaigen durch die Verschiebung der wirthschaftlichen Verhältnisse infolge desKanal- baueS eintretenden Schädigung einzelner Landestheile im konkreten Falle vorzubeugen sei. MajorvonWißmann hat seit kurzer Zeit, vom Kap- lande kommend, in Kairo Aufenthalt genommen, um sich allgemach an das nördliche Klima zu gewöhnen. Wie der „Berl. Börs. Cour." erfährt, läßt sein Befinden zu wünschen übrig, weshalb seine Gattin ihm nach Kairo entgegenreiste. Unter diesen Um ständen ist zunächst noch nicht zu bestimmen, wann Major von Wißmann wieder in Berlin eintreffen wird. Eine Beschwerde und Warnung anläßlich der Ausweisung deS Pastors Everling geht der „Tägl. Rdsch." von einem Leser in Nachfolgendem zu: „Everlings Ausweisung aus Oester reich beweist wieder einmal, wie wenig die Reichsdeutschen über die Verhältnisse des Nachbarstaates Bescheid wissen. Wenn ein Pfarrer auf eigene Hand die Brandheerde der Bewegung durch reist, so würde seine Ausweisung wenigstens nicht schaden; wenn derselbe aber mit den wichtigsten Schriftstücken und Sitzungs- Protokollen über die Grenze geht, die dann sämmtlich in die Hände der Behörden fallen, so liegt hier eine Unvorsichtigkeit vor, die , nicht genug beklagt werden kann. Beamte z. B. sind dadurch . auf das Entsetzlichste kompromittirt und sehen sich nun vor die Nothwendigkeit gestellt, aus ihrer Laufbahn zu scheiden, da es . der Regierung nun einmal einfällt, die Bewegung als eine . politische zu bekämpfen. Andere werden wegen Geheimbündelei - oder Vergehens gegen die Kolportagegesetze vor dem Richter zu , erscheinen haben. Das Vertrauen der Oesterreicher zu den reichs- - deutschen Freunden hat jedenfalls einen argen Stoß erlitten und - die besten Kämpfer scheiden aus den Schlachtreihen aus." Ungarn. Mit aufrichtiger Befriedigung ist die Aufhebung der Nationalitätenabtheilung im ungarischen Ministerpräsidium zu begrüßen. Dem unheilvollen Treiben dieser Abtheilung, die ' mit der Ueberwachung der nicht-magyarischen Nationalitäten in i Ungarn betraut war, ist ein großer Theil der Schuld an den Gewaltthaten des herrschenden Magyarenthums gegen Deutsche, Rumänen und Slaven zuzuschreiben. In dieser Abtheilung wur den die chauvinistischen Verwaltnngsmaßregeln und Gesetze aus gesonnen, die auch bei den aufrichtigsten Freunden Ungarns und der Magyaren den allerübelsten Eindruck machten und manche bisherige Sympathie in Abneigung verwandelten. Dem gewalt- thätigen Baron Banffy war die Nationalitätenabtheilung ein willkommenes Werkzeug, dessen er sich skrupellos bediente; einem Staatsmanne von vornehmem Sinn, wie Koloman Szell, konnte eine derartige, nur allzusehr an berüchtigte russische Ein richtungen gemahnende Institution nicht zusagen. Durch ihre Aushebung hat er den nichtmagyarischen Bürgern des Stefans reiches eine Genugthuung für mancherlei Unbill h die ihnen durch die Schuld jener Abtheilung zugefügt worden ist, geboten ; Koloman «szell wird dabei vermuthlich nicht stehe» bleiben, viel mehr durch versöhnliches Entgegenkommen die Kluft zu überbrücken suchen, die, nicht zum Heile des ungarischen StaateS und nicht tritt — und solche gemüthSrohe Menschen sind gar nicht auS der Welt zu schaffe« — nach Gebühr abzustrafen. Man braucht gar nicht mal Geschichte, sondern nur ein paar Dutzend Menschen zu kennen, um zu wissen, daß der Zukunstsfriede ein Nonsens ist wie der Zukunftsstaat. Bekommen wir ihn, so ist er ein fehler haft beschriebenes Blatt Papier, das nicht eine Stunde vor Riffen und Brüchen geschützt ist — selbst wenn man eS sorgfältig in alte Makulatur wickelte, di« beim Streite um den Frieden schon verdruckt worden ist." I« den politischen Kreisen Rußlands hat die Ernennung des Professor» v. Stengel zum deutschen Vertreter auf der Friedenskonferenz im Haag wegen seiner bekanuten Broschüre gegen die Id« einer allgemeinen Abrüstung eine» ungünstigen Eindruck hervorgeruse», da sie dort mißverständlich als eine Ver höhnung der Anregung des Zaren auSgelegt wurde. Mit Bezug darauf erscheint eine Mittheilung von großem Interesse, die der bekannte englische Publizist W. T. Stead einem Mitarbeiter des „B. L. A." macht«. Stead, der wieder eine längere Unterredung mit d«m Zaren hatte, versichert auf daS Bestimmteste, daß der Zar die Broschüre v. Stengels nicht nur erhalten, sondern auch gelesen habe und davon sehr unangenehm berührt gewesen sei. Ebenso habe die Zarin es bedauert, daß gerade auS ihrer deutschen Heimath der ideale Gedanke ihres Gatte» ein so unfreundliches Echo gefunden habe. Stead fügte hinzu, in den politischen Kieven der russischen Hauptstadt sei die Annahme verbreitet, Professor v. Stengel habe selbst dem Zaren seine Broschüre übersandt. Diese Behauptung ist jedenfalls durchaus willkürlich, und wir nehm«« von ihr nur Notiz, weil daraus erhellt, wie sehr gewisse Kreise in Petersburg bemüht sind, die v. Stengelsche Broschüre in antideutschem Sinne für ihre Zwecke zu verwerthen. Im Hinblick auf die großen Anforderungen an die Leistungs fähigkeit d«S deutfchen Richterstandes, die aus der Einführung deS Bürgerlichen Gesetzbuchs am 1. Januar 1900 sich er geben müffen, ist vielfach das Verlangen laut geworden, den älteren Richtern dir Möglichkeit zu gewähren, ihre Pensioniruug unter bestimmte« Ausnahuiebedingungen auch dann bewirken zu können, wenn eine eigentliche Dienstunfähigkeit derselben nicht vorliegt. DaS preußische Abgeordnetenhaus hat dementsprechend 'am 21. Februar d. I. beschlossen, die Regierung aufzufordern, „noch m dieser Tagung einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen unter voller Wahrung der dienstlichen Jntereffen den älteren Richtern aus Anlaß des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuchs der Uedertritt in den Ruhestand erleichtert wird." Dieser Aufforderung ist di« preußische Negierung mit einem Ge setzentwurf nachgekommen, der dem Landtage soeben zugegangen ist. Der nur auS zwei Paragraphen bestehende Entwurf lautet: 8 1. Richterliche Beamte, welche vor dem 1. Januar 1900 daS fünfundsrchzigste, aber »och nicht das fünfundsiebenzigste Lebens- iahr vollendet haben werden, können mit ihrer Zustimmung durch Königliche Verfügung mit dem Ablauf des 31. Dezember 1899 in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Sie beziehen in diesem Falle bis zum 31. Dezember 1902, längstens jedoch bis zu« Ablauf des Vierteljahres, in dem sie das fünfundsiebenzigste Lebensjahr vollenden, auch wenn sie vorher dienstunfähig werden, da» Diensteinkommen, welches ihnen vom 1. Januar 1900 ab zustehen würde, einschließlich des bisherigen Wohnungsgeldzu- schuffeS unverkürzt als Wartegekd. Als Verkürzung des Dienst einkommens ist es nicht anzusehen, wenn die Gelegenheit zur Wahrnehmung von Nebenämtern oder zum Bezüge von Neben- emnahmen entzogen wird. Das Wittwen- und Waisengetd für di« Hinterbliebenen solcher Beamten wird in jedem Falle unter Zugrundelegung von drei Viertel» deS pensionsberechtigten Dienst- einkommenS gewährt. 8 2. Nach Ablauf der Zeit, während zum Ruhm der Magyaren, zwischen diesen und der anderssprachigen großen Mehrheit der Bevölkerung Ungarns klafft. Niederlande. In dem soeben ausgegebene» amtlichen Verzeichnisse der Mitglieder der Friedenskonferenz sind der Vereinbarung gemäß die Staaten in alphabetischer Reihen folge geordnet. DaS Berzeichniß beginnt mit „äUsmaxuv" und schließt mit „Mu-gnlv«. Im Ganzen find 25 Staaten vertreten. Die Zahl der amtlichen Delegirten ist 98. Drei Staaten sind bloß durch je einen Delegirten vertreten: China, Griechenland und Persien. Von den Großmächten ist Rußland ziffermäßig am stärksten (durch acht Delegirte) vertreten, dann kommen Frankreich, Deutschland und Oesterreich mit je sechs, Italien mit fünf, England mit vier Delegirten. Dazu kommen noch die diplomatischen Sekretäre, Hilfsarbeiter und Dolmetsche. Monte negro ist in dem Verzeichniß mit der Bemerkung aufgesührt: „Siehe Rußland", da Montenegro durch den russischen Bevoll mächtigten vertreten wird. Erst am Montag Nachmittags hat der päpstliche Nuntius Tarnassi Haag verlaffen und sich nach Luxemburg begeben, wo er im bischöflichen Palais Wohnung nimmt. Noch letzter Tage waren diplomatische Bemühungen im Zuge, um zu vereinbaren, daß ein Vertreter des Papstes zum Mindesten zu jenen Konferenzsitzungen geladen werde, in welchen die Frage der Schiedsgerichte zur Erörterung gelangt, zumal ja der Papst in verschiedenen Fällen schon das Amt eines Schieds richters ausübte, doch scheiterten die Verhandlungen, offenbar am Widerstande Italiens. — Der erste russische Bevollmächtigte, Herr von Staal, ist leidend. Er erkältete sich bei dem Besuche des „Schlaffes im Busch" und hat leichtes Fieber, doch ist kein« Gefahr vorhanden. Der achtzigjährige Staatsmann ist jedoch großer Schonung bedürftig. Das Unwohlsein des Herrn von Staal hat zu dem Gerüchte Anlaß gegeben, daß die Eröffnung der Konferenz verschoben werden soll. Bisher liegt eine Bestätigung dieses Gerüchtes nicht vor. Frankreich. AuS Pari», 13. Mai, schreibt man der „Voss Ztg.": Es gelingt dem Geueralstab nicht» mehr. Di, sichersten Streiche, die noch vor ganz Kurzem die schönste natio' nalistisch-antisemitische Wirkung gehabt hätten, schlagen jämmer lich fehl. Da ist dieser Major Cuignet. Ein wackerer Mann. Unerschrocken wie Henry, als er vor dem Schwurgericht dem Oberstlieutenant Picquart sein berühmtes: „Sie lügen!" inS Ge sicht schleuderte. Ueberzeugt wie Cavaignac, wenn dieser von den „Millionen des Auslandes" spricht. Gelehrt wie General Gonse, der noch heute nicht ahnt, was eine hydropneumatische Bremse ist Er hatte die Aufgabe, den Strafsenat dumm zu schwatzen. Er entledigte sich dieser dankbaren und ehrenvollen Ausgabe nach Kräften und wurde dafür außer der Reihe zum Major befördert. Da ereignete sich der Zwischenfall mit der Zifferdrahtung PanizzardiS. DaS Ministerium des Aeußern hatte die richtige Entzifferung geliefert, der Generalstab die Drahtung auf das Schamloseste gefälscht, damit sie einen Beweis der Schuld Dreyfus' darstelle. Der arme Major glaubte in seiner Herzens einfalt, es sei noch immer die schöne Zeit, da ein Hanotaux Minister des Aeußern, ein Meline Ministerpräsident, ein Lebon Kolonieminister war, jede Fälschung des Generalstabs als eine hochverdienstliche That gepriesen wurde, jedes unbequeme Schrift stück vernichtet oder unterschlagen werden konnte, eine unver schämte Lüge, ein Meineid über jede störende Thatsache hinweg hals. Sein Vorgesetzter, der biedere Herr de Freycinet that Alles, um ihn in seinem Jrrthum zu erhalten. In den Generalstabs räumen ließ nichts ihn den eingetretenen Wetterumschlag erkennen. Er leugnete also ganz einfach, daß daS Auswärtige Amt die Drahtung richtig entziffert habe, und ging sogar bi» zur Unter stellung, daS Auswärtige Amt habe eine Fälschung begangen, um an Dreyfus' Unschuld glauben zu machen. So lange Herr Hanotaux am Quai d'Orsay waltete, waren derartige kleine Scherze gefahrlos. Herr Delcaffo aber liebt es nicht, daß auf seinen Rücken gefälscht und gelogen wird. Darin ist er komisch. Er ließ also vor dem höchsten Gericht die Wahrheit urkund lich nachweisen, die Fälschung und Lüge des General- stabeS festnageln. Das verdroß den Major Cuignet und er theilte durch den berühmten Richter Grosjean dem „Petit Journal" und „Eclair" den Briefwechsel — frei lich verstümmelt — mit, der zwischen Herrn Delcasse und dem Ehrenmann de Freycinet über die lügenhaften und verleumderischen Aussagen des Majors Cuignet stattgefunden hatte. Nebenbei bemerkt, würde man nach diesem Briefwechsel die schöne Seele des Herrn de Freycinet beurtheilen können, wenn man sie nicht ohnehin ausreichend kennen würde. Diese Mittheilung brach Major Cuignet den Hals. Er wurde zur Verfügung gestellt, und die Kammer billigte die Maßregel mit gewaltiger Mehrheit. Major Cuignet weiß wahrscheinlich nicht, wie ihm geschieht. Nahezu fünf Jahre lang hat der Generalstab regelmäßig an seinen Blättern mitgearbeitet und das Land zu wilder Wuth gegen Dreyfus, die Juden, Herrn Scheurer-Kestner, Oberst Picquart und die übrigen Vertheidiger des Rechts gehetzt. Und plötzlich soll diese herkömmliche, offenkundige, anschlags mäßige Mitarbeit ein Verbrechen sein? Der Generalstab lieferte am 1. November 1894 der „Libre Parole" den Namen des damals erst angeklagten Dreyfus aus und veranlaßte das Preß geheul, das General Mercier zwingen sollte und zwang, gegen Dreyfus Anklage zu erheben. Der Generalstab gab iin Septem ber 1896 dem „Eclair" die Fälschung: „6st animal äsvrezckus äevisnt äöeiäsmsnt trop sxixsant." Der Generalstab schickte rm Herbst 1897 Pauffin de Saint-Morel zu Rochefort, um ihm die gefälschten Kaiserbriefe zu zeigen. Der Geueralstab lieferte der „Libre Parole" die „Dixi"-Aussätze, dem „Petit Journal" die niederträchtige Verleumdung des Vaters Emile Zolas, dem „Soir", „Gaulois", „Echo de Paris" rc. die endlose Reihe von Lügen über den Strafsenat, über die „ausländische Verschwörung", über das Vorleben Dreyfus' u. s. w. All das war nicht nur straflos geblieben, sondern den unmittelbaren Thätern als hohes Verdienst angerechnet worden. Major Cuignet ahmte nur die berühmten Muster nach und siehe da — ihn ereilt eine ernste Strafe. Steht das Ende der Welt bevor? Soll der General stab keine Presse mehr haben? Soll er nicht mehr durch „Petit Journal" und ähnliche unaussprechliche Schandblätter das Ge wissen des französischen Volkes täglich vergiften dürfen? Sollten die Nationalisten sich in Herrn Krantz getäuscht haben? Das sind einige Fragen, die die Lemaitres, Judets und Dru- monts sich seit gestern entsetzt vorlegen. Duruy nahm seine Geschichtsvorlesungen an der poly technischen Schule wieder auf. Den Zöglingen war dies mal nicht mit der entsetzlichen Strafe des Verweises gedroht worden, von der der biedere Freycinet in der Kammer mit einem Ausdruck von Grauen in Miene und Geberde gesprochen hatte, sondern der kommandirende General hatte ihnen trocken bedeutet, et waige Lärmmachcr würden unverzüglich ans der Schule gestoßen und als gemeine Soldaten eingereiht werden. In Folge dessen hielten die kühnen Jesuitenschüler den Mund wie die Löwen. „Gaulois" versucht glauben zu machen, Duruy habe seinen Vortrag mit
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