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1 Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Brand Sonntag, den 28. November 1875 .R 277 erschien der Arzt, der den Baron er um sich der Arzt, und fragte ängstlich: „meinen Sie Lady 1 Sofort kam der Reichskanzler auch aus seinem Varznl nach Berlin. Wir wissen nicht, wie ihm das konstitutionelle Glaubensbekenntniß Camphausens gefallen hat, doch jeden- alls verpflichtete es ihn mit moralisch und er durste -es nicht widerrufen, ohne die schlimmsten Folgen zu befürchten. Wollte er nicht seinen Reichsfinanzminister offen verläugnen, o blieb ihm gar nichts Anderes übrig, als in daS Horn desselben zu blasen. So geschah es auch. Allerdings sprach der Reichskanzler wie Herr Camphausen für die Nützlichkeit der neuen Steuern und gestand unumwunden seine Neigung und Absicht für indirekte Reichsbesteuerung. Aber geschah dies aus Vaterschaft für die zwei Kinder, so war doch die Hauptsache, daß er deren Beseitigung nicht tragisch nehmen zu wollen erklärte und mehrfach betonte, daß es nicht an gezeigt sei, die Sache auf das Gebiet der parlamentarischen Machtfrage zu spielen; überhaupt könne von Empfindlichkeit Um halb vier Uhr endlich zu sich brachte. Furchtsam blickte „Wo ist sie?" „Wer?" fragte Dangerfield?" Sir Peter schlug das Auge auf. „Wie befinden Sie sich, Sir Peter?" fragte die Gou vernante mit sanfter Stimme. Im ersten Augenblicke erkannte er sie nicht, er starrte sie hilflos an; beim Klange ihrer Stimme aber breitete sich ein Ausdruck des Entsetzens über seine Züge, er hob sich halb, schrie laut auf und fiel bewußtlos in die Kissen zurück. Alle Bemühungen, ihn wieder zu beleben, blieben erfolglos. Die Zeit verstrich. ""Stumm und erschreckt saßen die beiden Diener, welche Mrß Herncastle behilflich sein sollten, da. Unmüdet setzte diese dre Wiedererweckungsversuche fort. das Geld genau zuzuzählen. Andererseits ruht alle Macht der Volksvertretung in der Bewilligung der Einnahmen und Ausgaben des StaateS; es ist nicht in ihrem Interesse, daß die Finanzverwaltung von ihr möglichst unabhängig gemacht werde, im Gegentheil soll dieselbe sich unter der Kontrole und dem Bewilligungsrecht des Parlaments fühlen. Der Reichstag, schon beim Militärbudget bei Seite ge schoben, würde sein Budgetrecht um so mehr schwächen, je mehr er die Neichsfinanzen aus neuen indirekten Steuern hervorgehen ließe. Besser, die Matrikularbeiträge werden beibehalten, die doch alljährlich genau in ihrer Höhe be stimmt werden können und so jedesmal eine klare Kennt- niß der Finanzlage bieten. Soll das Reich finanziell selbständig gestellt werden, so nicht auf einem Wege, der die Verwaltung aus dem Bereich der Abhängigkeit vom Reichstage führt. Sobald man über diese Tragweite klar war, gab eS keinen Zweifel mehr, daß die Mehrheit des Reichstages entschieden die Steuervorlagen ablehnen werde. Angesichts dessen sah sich die Reichsregierung vor einer bedentenden Niederlage, wollte sie eS auf Biegen oder Brechen ankommen lassen. Nun besteht aber unser« Reichs regierung nur aus dem Reichskanzler allein; er ist allein verantwortlich. Die Verwalter eigener Ressorts haben nichts zu thun als ihm vorzubereiten und ihm für die Arbeiten, hat er sie übernommen, die Verantwortlichkeit zu überlassen. So schlau wie der preußische Finanzminister ' Camphausen, der nebenbei auch in Reichsfinanzen macht, Peter fiel vom Pferde, und ich weiß nicht, ist er ohll- mächtig oder todt. Wenn es nicht sehr gefährlich ist, will ich wieder zu Bette geben." Die Gouvernante beugte sich über die leblose Gestalt, fühlte den Puls, wischte mit einem feuchten Schwamm das Blut weg und entdeckte die Verletzung. „Sir Peter ist vom Falle betäubt, die Wunde an sich ist unbedeutend und es ist nicht die geringste Nothwendig keit Ihres Bleibens vorhanden, gnädige Frau. Gehen Sie zur Ruhe, ich werde hier Alles besorgen." „Gut^ ich muß wohl, meine Nerven sind ganz irritirt. Senden Sie mir sofort Nachricht im Moment der Gefahr." Und mit kläglicher Miene kehrte Lady Dangerfield zu ihrem Lager zurück, und Miß Herncastle hatte die Pflege übernommen. Sie entlieh die gaffende Dienerschaft, badete Gesicht und Schläfe des Verwundeten mit Eiswasser und brachte scharfe Essenzen an seine Nase, bis die bleichen Lippen sich bewegten, und der Körper im wiederkehrenden Leben erbebte. hat dies dem Kanzler gefallende, aber im Grunde doch regellose Verhältnis noch keiner der Verwalter illustrirt. Herr Camphausen erklärte mit der größten Gemüthltchkeit, daß er seine Pflicht thue uyd di» neuen Steuern vorlege, aber bei Leibe mochte er nicht deshalb seinen Hals in die Schlinge bringen und für seine Person einen Konflikt mit dem Reichstage bewirken. Er benutzte sogar die Gelegen heit zu einer Erklärung, die er vielleicht als verantwort licher Reichsfinanzminister nie so offen gegeben hätte und die eine konstitutionelle Auffassung enthielt, welche sonst in der Praxis preußischen Ministern nicht besonders maßgebend erschien. Herr Camphausen sagt nämlich, daß, wenn es je zu einem tieferen Zwiespalt käme, die Neichsregierung ganz konstitutionell handeln d. h. der betreffende, niedervotirte Verwalter des Reichs-Ressorts abtreten und einem andere» Platz machen würde. Herr Camphausen konnte als un verantwortlicher Reichs-Finanzverwalter gut so reden; nicht ihn, sondern den Reichskanzler ging Alles an und dieser mochte sehen, wie er, der die Neichsregierung einzig bedeutet, mit dem Konflikt fertig würde. Reichstag und Reichsrcgiernng. Die Budgetdebatte im Reichstage ist wohl geeignet, als einer der interessantesten Vorgänge in unserem deutschen Parlamentarismus näher beleuchtet zu werden. Heben wir gleich hervor, daß das Interesse nicht so sehr im Ver lauf der Verhandlungen liegt, sondern in den prinzipiellen Schlußfolgerungen, die sich daraus ergeben und die in solcher Deutlichkeit bisher nicht wahrnehmbar waren Reichstag und Reichsregierung standen im Grunde ge nommen vor einem Konflikt; ihn zu vermeiden war nur möglich, wenn ein Theil sich nachgiebig zeigte. Diesmal, und zwar sicher zur Ueberraschung, war eS die Reichs regierung, und eS kann nur aus Gründen geschehen sein welche dargelegt zu werden verdienen. Klar genug war es ersichtlich, daß die Parteien zu dem Budget und in Verbindung damit zu den beiden neuen Steuervorlagen mit Eintritt in die Debatte ihre bestimmte Stellung genommen hatten. Bis zu den konservativen Gruppen hin war man nicht geneigt, die geforderten Steuern zu bewilligen. Nicht allein, daß man dieselben angesichts des Finanzzustandes des deutschen Reiches für überflüssig halten und es einer Volksvertretung wohl widersinnig erscheinen mußte, Steuern ohne Noth, lediglich zur Bequemlichkeit einer an Ueberfluß gewohnten Ver waltung aufzuerlegen, so kam auch noch hinzu, daß die Steuerobjekte so übel als möglich gewählt waren und mit ihrer Annahme ein ganzes System für Reichsbesteuerung gefestigt worden wäre, mit dem der Reichstag abermals einen Theil seiner rechtlichen Macht verscherzt hätte. Die indirekten Steuern erfreuen sich naturgemäß der Vorliebe regierender Minister, weil ihnen der meist wachsende Ertrag derselben zufließt, ohne daß die Volks vertretung vorher etwas daran ändern kann. Eine be stehende Steuer kann ohne Zustimmung der Regierung nicht abgeschafft und als indirekte kann sie nicht in ihrem Ertrag genau begrenzt werden. So befindet sich die Regierung wohl dabei und die Kammer vermag nicht, ihr und Kabinetsfrage nicht die Re>e sein. So nachgiebig hat man wohl kaum noch den Reichskanzler zum Reichstage prechen hören. Einen Grund hat dies gewiß, aber welchen? Man wird nicht fehl gehen, wenn man als solchen die Scheu der Reichsregierung vor einem ernsteren Konflikt mit dem Reichs» tage annimmt. Ein solcher war unvermeidlich, bestand dis Negierung auf ihrem Willen. Als man die Situation erkannte, wich der Kanzler klug einen Schritt zurück. Die Steuergesetze werden nun fallen, ohne daß eS darüber zwischen Reichstag und Reichsregierung zu einem Konflikt kommt, durch welchen — das ist unstreitig — das Ansehen der letzteren nach Außen wie nach Innen schwer erschüttert werden würde. Sei dies eine Lehre für die Zukunft, um in allen derartigen Fälleis zur Verständigung auf beide» Seiten bereit zu sein. Die reaktionäre Strafgesetz-Novello wird in Kurzem einen anderen Prüfstein dafür bilden. Da ihre Annahme in allen Stücken dem Reichstag auS Achtung für seine eigene Arbeit, aus Würde als Hüter der Volksrechte, unmöglich ist, so wird seine Festigkeit ebenso wenig wie diesmal zum Konflikt mit der Regierung, sondern zu einer Verständigung führen, die dem Reichskanzler wie den Reichstag nur zur Ehre gereicht. „Nein, Isabella Dangerfield." Der Arzt schüttelte das Haupt. „Sir Peter, Ihr Geist ist noch —" Zürnend stützte sich der Kranke auf den Ellenbogen. „Ich aber sage Ihnen, ich sah sie zwei Mal. Ich sah sie, sie stand unter den Bäumen vor mir, ganz weiß, mit wallenden Haar, das starre Augen gen Himmel gerichtet. Ich sah sie, ich sah sie, das weiß ich genau. Und vor fünf Minuten stand sie hier und beugte sich über mich." Der junge Arzt, der erst seit Kurzem in Castleford weilte, die Geschichte aber doch vom Hörensagen kannte, trat zurück. War Sir Peter gänzlich verrückt geworden?" Mrs. Butler, die Haushälterin, trat vor. „Sie regen sich unnöthig auf, Herr Baron, ich ver sichere Sie, es war nur Miß Herncastle, die Gouvernante, die Sie hier sehen ; bitte, Fräulein, bestätigen Sie selbst meine Aussage." Miß Herncastle trat langsam aus dem Schalten. „Ich bedaure, Sir Peter, das meine unselige Aehnlich- keit mit ihrer todten Verwandten Sie erschreckt hat." Er setzte sich im Bette auf, sein verstörter Blick wurde ruhiger. Ihr Auge blieb fest auf ihn gerichtet. Welch' magnetische Kraft zwang ihn, ihr zu gehorchen? „Legen Sie sich nieder, Sir Peter, ich werde Ihnen Arzenei geben und mit MrS. Butler bei Ihnen wachen." Ginevra war ärgerlich, daß man sie in ihrem besten Schlaf gestört hatte. m "Was kann ich thun?" fragte sie, als sie gleichgiltig des Gatten blutende regungslose Gestalt betrachtete, „was nützt -S, mich zu rufen?" Plötzlich erschien Miß Herncastle im langen Nacht- p!atze "" Lampe in der Hand auf dem Schau- K, "O Miß Herncastle," rief die Dame, vielleicht wissen h'" iu thun ist, ich weiß eS wahrlich nicht, «'d unvorsichtig, mich zu wecken, da meines » L ^üttet sind und der Anblick von Blüh mich überdies krank macht. Sehen Sie einmal nach. Sir Lagesslhlm. Freiberg, den 27. November. Der Bundesrath beabsichtigt, alle mit dem Bankgesetz in Verbindung stehenden Angelegenheiten sämmtlich vor dem 1. Januar k. I. abzuwickeln. — Der Reichskanzler Fürst Bismarck wird in dieser Session vier Soireen geben, von denen die erste heute, den 27. d. M., in früherer Weise stattfindet. — Auf dem Tische des Hauses waren Für den Monat Dezember werde« aus den „Freiberger Anzeiger" von alle« Postanstalten, sowie von der unterzeichneten Expedition täglich Abonnements zum Preise von 75 Pfennigen entgegengenomme«. kxpväiiion 6e8 „freibsrgen ^nrsigei'". (Arotscher'sche Buchhandlung, Grbischestr. 609.) Feuilleton. Geheimnitzvoll. Nach dem amerikanischen Originale der Mr». May Agne« Fleming frei bearbeitet von Lin- Freifrau von Berlepsch. (Fortsetzung.) 15. Kapitel. Düster, wie in einem Erdspiegel. Auch der Stallknecht schrie laut auf, als er den Baron aufhob; Sir Peter hatte sich die Stirn auf einem Stein blutig gestoben, und war bewußtlos, im fahlen Mondlicht glich er einer Leiche. Der Lärm war gehört worden, ein paar Lakaien kamen herbei. Sie trugen den -Verwundeten tn's Haus und bald verbreitete sich die Hiobspost in dem weiten Gebäude. Der Vorfall wurde der Dame des Hauses angezeigt, und einer der Bedienten ritt nach Castleford, den Arrt zu rufen. ° HMeibergerAilMerK TW- SS.« und Tageblatt.