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Srschsnt jeden Wochentag Abend- V Uhr für den andern Tag. Preis vierteljühr«, Üch 2 Mark 2d Pf., »weimonatl. 1 Mk. oO Pf. und ein- monatl. 75 Pf. Die Redaktion be findet sich Rinnen- gaffe SL^ ll. Et. KeibergerAnzeiger und Tageblatt. Inserate, werden bis Vor- . mittags II Uhr füt . nächste Nr. ange nommen u. die ge spaltene Zeile oder deren Raum prit 10 Pf. berechnet. Inserate sind stets an die Expedition, Frotscher'sche Buch handlung, zu senden. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Brand. W» Mittwoch, den 28. April. 1875. Tagesschau. Freiberg, den 27. April. Kaiser Wilhelm wohnte gestern Vormittag einer musi- kalischen Matinee beim Regierungspräsidenten v. Wurmb bei, begab sich Mittags zur Besichtigung der Kaiserglocke nach Biebrich, von wo er nach Wiesbaden zurückgekchrt Abends im Hoslheater erschien. Der Landgras Friedrich von Hessen tras an, Montage in Wiesbaden ein. — In Bezug aus die Reise des deutschen Kronprinzen nach Neapel meldet ein Telegramm, daß derselbe auf dem Wege dorthin Rom passirte. Die italienischen Blätter sind mit Betrachtungen über die kronprinzliche Neile angesüllt, die jedoch nichts besonders Neues bieten. Wie weiter unten mitgetheilt wird, ist Kronprinz Humbert mit Gemahlin von Rom nach Florenz abgereist. — Die Rückkehr des Präsidenten des Reichskanzler-Amts, Staatsminifters Delbrück, nach Ablauf seines zweimonatlichen Urlaubs, wird Ende dieser Woche erwartet. Es wird dann in nächster Zeit der Geh. Rath Michaelis einen längeren Urlaub antrcten und sich zur Herstellung seiner angegriffenen Gesundheit nach Süd-Tyro: begeben. Als eine der ersten Arbeiten, welche im Mai das Reichskanzler - Anit beschäftigen werden, wird der Ent wurf eines BankstatMS bezeichnet, dessen weitere Feststellung dem Bundesrath nach seiner Wiederzusammenberufung ob liegen wird. Zu den Hauptagilationsmitteln der Ultra- montane» gehört in neuerer Zeit eine Preßorganisation, wie sic einheitlicher nirgend zu finden ist. Es ist lohnend von Zeit zu Zeit einen Blick aus dieselbe zu werfen, und ihr rapides Wachsthuni zu betrachten. Bis zum Jahre 1860 gab es in ganz Deutschland, Oesterreich mileingerechnet, nur 18 Blätter mit exklusiv kirchlicher Richtung, ini Jahre 187b dagegen aus dein Gebiete des deutschen Reiches allein 89 und in Oesterreich 2t). Die in Tcutfchland erscheinen den klerikalen Blätter vertheilen sich folgendermaßen: Berlin I, Westfalen und Nheinprovinz 30. Provinz Hannover 7, Schlesien 9, Sachfen 3, Kurheffen l. Heffen-Darmstadt 4, Frankfurt 1, Baiern 27, Baden 9, Hohenzollern 3, Württem berg 4 und Straßburg 1. In Liefen Zahlen sind nur die Politischen Blätter ultramonlancr Farbe einbegriffen, die wiffenfchastlichen und Unwrhaltungsschriften derselben Farbe sind fast Legion, Lie wenigsten davon haben einen rein wiffenschasUich-theologifchen Inhalt, die meisten sind eben falls kirchenpolitische Streitschriften. Nach einen, nicht ein mal vollständig zn nennenden Verzeichnisse erschienen zu Anfang dieses Jahres in Tentschland, Oesterreich und der Schweiz a» periodischen Zeitschriften ultramontaner Richtung 49 täglich, 63 zwei bis vier Alai wöchentlich und üb ein mal wöchentlich. Aber trotz aller dieser Anstrengung darf doch als Thatiache konstalirt werden, daß das Ansehen der Ultramontanen im Rückgänge begriffen ist. Wer nur ein Jahrzehnt zurückdenken will, wird sich zu erinnern wisse», daß man früher vor der römischen Schlauheit einen unge heuren Respekt empfand. Die päpstliche Diplomatie galt als die geriebenste der Welt und in jeder römischen Prälaten- kutte mußte ein Staatsmann feinster Sorte stecken, dem weltliche Staatsmänner von keiner Seite beikommen konnten. Zu diesem Glauben hatte das Publikum allerdings ein gewißes Recht, wenn es bemerkt«, daß selbst an prote stantischen Höfen die Jesuiten sich einen großen Einfluß zu verschaffen wußten. Das kam lediglich daher, weil Beicht väter und ander- geistliche Berather kurzsichtigen Herrschern die nöthige Furcht vor der Revolution eimuflößen ver standen. Als aber ein freierer Luftzug durch Deutschland zu .wehen begann und die Volksvertretungen nach der schlimmen Reaktionsperiode, die dem Jahre 1848 folgte, allmälig wieder in ihre Rechte traten, da änderte sich denn doch die Sache einigermahm. Dann kam der Unsehlbar- keitsschwindel. Den Ultramontaueu waren in der ange nehmen Reaktions-Temperatur die Herrschastsgelüste doch etwas zu sehr ins Kraut geschoßen ; sie glaubten schon so weit zu sein, die Kronen ohne Weiteres den, Papstlhum dienstbar machen zu können. Das war ein Beweis, wie ihre vielgerühmte Klugheit nur ans der Unklugheit Anderer beruht. Seit dem haben sie Böcke aus Böcke geschoßen, von denen die jüngste Fuldaer Bischoss-Adresse an den deutschen Kaiser nicht der kleinste «ar. Jedes Kind mußte einsehen, daß dieser Schritt die Krone Preußens zum voll ständigen Bruch mit der früheren Kirchenpolitik drängen und die ohnedies schon untergrabene Herrschaft der Ultra- montanen in Trümmer schlagen mußte. Gott sei Dank, daß es soweit gekommen ist. Die Nachricht von einem Kongreß, welchen Fürst Bismarck bei den ausländischen Kabinetten angeregt haben sollte, wird von allen Seiten demenlirt. Ein Korrespondent der „Karlsruher Zeitung" versichert sogar: „Wenn ich recht berichtet bin, io hat die deutsche Regierung kürzlich eine sich darbietende Gelegenheit benutzt, den Insinuationen über angebliche Versuche, die kircheupolitischen Fragen aus den internationalen Weg hinüber zu leiten, mit der bestimmten Erklärung entgegenzutreten, daß sie jedem Staate und jeder Negierung das unbedingte Recht zugestehe, nach den gegebenen konkreten Verhältnissen den Kamps mit dem Vatikan zu führen, daß sie aber selbstverständlich auch ihrerseits ihren eigenen Weg gehen werde. Das Wichtigste in dieser Er klärung möchte übrigens sein, daß sie die hohe Genugthuung ausspricht, koustatiren zu können, daß das Ziel des Kampfes, die Umgrenzung und Abwehr von Ausschreitungen des vati kanischen Systems, allen 'Regierungen ohne Ausnahme ge meinsam sei." V In Frankreich fließt Alles von Friedensliebe über; selbst der rothe Gambetta hält es für zeitgemäß, die Rc- vanchcgelüste -Iwas itt Len Hintergrund zu drängen, damit Frankreich ungestörter fortrüsteu kann. In Belleville hielt Ler Exdictator dieser Tage eine Rede, in welcher er die Errichtung des Senats als eine die demokratischen Interessen fördernde Institution vertheidigte und versicherte, auch di- demokratische Partei hege die friedlichsten Gesinnungen gegen das Ausland. Natürlich nur so lange, als es den Herren jenseits der Vogeßen paßt, zumal die Armee noch nicht schlagfertig ist. Uebcr diese ungeheure Friedensliebe Frank reichs, wie sie jetzt durch alle Welt posaunt wird, läßt sich glücklicherweise Niemand täuschen. — Das Journal „La France" zieht in einem größeren Artikel eine Parallele »wischen Napoleon und Bismarck und erzählt dabei folgendes Witzwort des Herrn Thiers. Als eines Tages kurz vor dem Ende des Kaiserreichs Jemand äußerte, daß Napoleon llt. eigentlich im rechten Sinne des Wortes gar keine Minister habe, antwortete Thiers rasch: „Sie täuschen sich, er hat zwei wirkliche Minister gehabt, Gras Cavour und Gras Bismarck." Ueber die Absetzung des Guikwars von Baroda gehen selbst in England die Meinungen anseiuander. Wir wollen zunächst hier den Hergang der Sache in Kürze schildern. Mulhar Rav war angeklagt, gegen den englischen Residenten in Baroda, Oberst Phayre, einen Gistmord ver sucht zn haben. Die zur Untersuchung der Angelegenheit niedcrgesetzle Kommission bestand zu einer Hälfte aus Indiern, zur andern Hälfte aus Engländern. Nur die englischen Richter bejahten die Schuldfrage, während dieselbe von den Indiern verneint wurde. Dieser Ausgang erregte bei den Eingeborenen Freude und lauten Jubel. Der englische Advokat Ballentine, welcher die Vertheidigung des 'angckiagten Fürsten mit Meisterschaft sührte, ist bei Ler indischen Bevölkerung überall Gegenstand begeisterter Hul digung geworden. Man hat ihm Dankadreßen und Ehren geschenke dargebracht, ih» in schwungvollen Sanskrit be sungen, seine Sprache mit der Macht des Ozeans verglichen und seinen Namen Ballentine in Sanskrit übersetzt: „Mann von gewaltiger Stärke." Während die Indier so ihrer Freude über Leu AüSgang des Prozeßes Ausdruck gaben, ging Lie englische Presse mit dem Vicekünig ins Gericht, weil er ohne genügendes Bewcismaterial die Untersuchung angestrengt habe. Die „Times" meinte sogar, Oberst Phayre hätte ani besten gethan, den gegen ihn gemachten Vergistungsversnch überhaupt gar nicht zur Anzeige zu bringen. Dieser Tadel bestärkte natürlich die Indier in dem Glauben, daß Mulhar 'Rao wieder in sein Fürsten thum werde eingesetzt werde». Da kam die von uns be reits erwähnte Proklamation des Vicekönigs, wonach der Fürst seines Thrones verlustig erklärt und in eine Festung eingesperrt wird. Nu» sagt die „Times": „Während Gründe vorhanden sind, um sich mir der Entscheidung des Vicekönigs zufrieden zu geben, besitzt sie doch einige eminent unbefriedigende Phafen. Der mit der Kommission be gangene grobe Jrrlhum ist nun vollständig demonstrirt. Obwohl die 'Regierung nun erklärt, daß sie ihre Entschei dung nicht auf den Bericht cer Kommission basirte, noch Feuilleton. Rosa Lichtwsrt. Novelle voll E. Ä ichert. Gonletznno.) Rosa erröthete und sah zur Erde. Sie überdachte rasch, daß sie nnmöglich die Wahrheit sagen und den Frei herr» kompromiltircu dürfe; eine Erfindung selbst der un schuldigsten Art wurde ihr aber schwer, und der Zwang, daraus sinuen zu müßen, trieb ihr das Blut in's Gesicht. Endlich mußte sie sich doch, so peinlich cS ihr war, zu einer Nothlüge entschließe», in der Hauptsache wenigstens. „Ich bin die Tochter eines armen Literaten," sagte sie nicht ohne Aengstlichkeft, „er ist vor einigen Jahren verstorben und konnte mir nichts hinterlaßen, als sein 'Andenken, das ich zeitlebens in Ehren halten werde. Bald nach seinem Tode nahm ich die Stelle einer Erzieherin auf dem Lande an — lernte einen sehr achtbaren jungen Mann kennen und verlobte mich mit ihm - " „Hauslehrer —" unterbrach der Professor, „nicht so?" Rosa ließ die Frage offen, aber ihr Gesicht erglühte in noch tieferem Roth. „Die sichere Aussicht auf eine nahe Verbindung," fuhr sie fort, „machte uns leider unvorsichtig und die Folgen blieben nicht aus. Mein Bräutigam be eilte um so mehr seine Vorbereitungen zur Begründung eines eigenen Hausstandes; aber Ivas auch der Grund gewesen fein mochte, er erkrankte schwer auf der Reise nach unserem künftigen Wohnort und — starb. Ich stand ver laßen da in der bedrängtest-» Lag-, kaum noch fähig, mir leibst kümmerlich das Dasein zu fristen. Und als dann ein lieb-S Kind »reine ganze Thätiqkcit in Anspruch nahm — ich brauche gewiß nichts weiter hinzuzufügen." „Armes Mädchen," bedauerte die Professorin recht mit- Ittdig. „Nun, was in unseren Kräften steht, wollen wir gewiß dazu beitrage», Jh»e» Ihr Unglück weniger empfind-l lieh erscheinen zu laßen." Rosa dankte mit einem warmen Blick. GrimmmgeiR wiegle den Kopf. „Trauriges Schicksal!" sagte er. „Das Leben hat doch »ine wunderbaren Wechselfälle. Wenn man nur aus Bückern nudirt, selbst aus den besten — — doch das gehört nicht hierher. Warum aber suchten Sie nicht wieder als Erzieherin —" „Ick durfte es nicht wagen. Wem hätte ich es zn- muthen dürfen, mir die Erziehung junger Mädchen zu ver trauen? Und selbst wenn ich meinen Fehltritt hätte ver heimlichen können — mein- Kermtniße sind nicht systema tisch, zum größten Theil sür den praktischen Lchrzweck ganz unbrauchbar, und ich habe kein Examen gemacht. Bis ich umcr solchen Umständen ein Unterkommen finden würde, ließ mich die Noth nicht abwarteii." „Die Hanptiache sür uns bleibt immer," meinte die Professorin, die diese Unterretnmg geendet wünschte, „daß unserem Kinde eine Wobitvat erwiesen wird, die ihm nicht von anderer Seite beschafft werde» kann. Wir können uns ja nun auch völlig zufrieden geben. Haben Sie »och besondere Bedingungen sür Ihren Eintritt in unseren Dienst?" „Daß Sie mir gestatten, von Zeit zn Zeit mein eigenes Kind zn sehen," antwortete Rosa, „sei es bei seiner Pflege mutter, sei es hier, das ist durchaus nothwendig, mir ein ruhiges Gemüth zu geben, von Lem ja auch die Wohlsahrt Ihres Knaben abhängt." Der Professor sand dies nicht mehr wie billig. Ueber die sonstigen Bedingungen wurde mau gleichfalls bald einig, und sie waren günstiger, als Rosa gehofft hatte. Sic sollte sich noch denselben Tag melden, „so schnell als möglich," bat die jnuge Frau. Beim Absckieds drückte ihr dieselbe ein Papier in die Hand. „Las als Geschenk sür die Freude, die Sie mir bereitet haben," sagte sie, Gott wolle auch serntr Ihr LiebiSwcrk segnen." Es war eine Zehttlhaler- Note. — Rosa e.lte nach Hause und berichtete, wie es ihr ge gangen war. „Sie können von Glück sagen," meinte Madame Brause wind, „das scheint eine gütige Herrschaft zu sein, und wenn Sie das kranke Kind gut durchbringen, so haben Sie einen Stein im Brett. Die zehn Thaler kommen auch wie ge rufen; da können Sie das Wegegeld für einen Monat gleich im Voraus bezahlen und behalten noch etwas sür Ihre Bedürfnisse übrig. Marie wird Ihne» beschaffen, was Sie brauchen, damit Sie sich nicht aufhalten dürfen. Wo wollen Sie denn nun aber Ihr kleines Mädchen Mlter- bringen? Das ist doch die nächste Sorge." „Sie nannten vor einigen Tagen -ine alte Frau," sagte Nosa plötzlich sehr traurig, „die hier in der Nähe wohnen und solche armen Geschöpfe in Pflege nehmen soll. Ich bin nun in den Stand gesetzt, ihr etwas mehr bieten zn können, als sie sonst erhält, und ich hoffe, daß es meinem kleinen Mädchen zu gut kommt. Und wenn Sie selbst hin und her einmal Nachsehen wollen - " „Ja, ja, das soll geschehen," versicherte Fran Brause wind, „verlaßen sie sich auf mich; so viel Zeit bleibt mir schon übrig. Sie sind doch eine tüchtige Person, Rosa, man muß Respekt vor Ihnen ha en. Nicht die Tausendste thätc Las, wmn sie's so bequem besser haben könnte. ES ist unvernünftig, das steht fest, aber man kann Ihnen doch nicht böse sei». Nein wahrhastig nicht. Es war gerade so mit Ihrem Vater; man mußte sich jeden Tag über ihn schlagrührends ärgern, aber böse konnte man ihm doch nicht sei». Mensche», Ivie Sie Beide kömum am Ende nicht dafür, daß sie so kurioS sind.' Rosa ging hinaus und packte ihrs und des Kindes ge ringe Habe zusammen. Noch einmal sah sie sich in dem kleinen Stübchen um; jetzt, da sie von ihm jchei wn sollte, kam es ihr viel freundlicher vor, als kürzlich bei der An- kuuft. Es war doch ciu Ort, de» sie sür sich allein halte, mid mancherlei trauliche Erinnerungen knüpften sich daran.