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Beilage W AmkeOerger Tageblatt mb Bejirksanzeiger. Beranbovrllichrr Redakteur: Lrnst Roßterg in Frankenberg t. Sa. — Druck und Verlag von L, G. Lohberg in Frankenberg t. Sa. M^ZZ Arrtlag, »e» 24. September W»S ManSverkrltill. Die ««»ländische Presse widmet den deutschen Kaiser- manSvern begreifliche Aufmerksamkeit. In der Londoner „Daily Mail" schließt Robert Blatchford seine Berichte über die Manöver in Württemberg mit folgenden Worten: „ES war ein großartiges Erlebnis. Wir haben 125 000 Mann im Kampfe gesehen auf einem Schlachtfeld so groß wie die ganze Grafschaft Sussev. Was es bedeutet, solche riesigen Truppenmassrn zu führen, will ich versuchen, in späteren Artikeln zu erklären. 125000 Mann waren hier, und ich Habenicht einen einzigen betrunkenen Sol daten gesehen, nicht einen einzigen Fall von schlechtem Be tratzen kann ich anführen. Es gab keine Unglückssälle, selbst von Krankheitsfällen hörte man sehr wenig. Die Städte und Dörfer blieben nachts so ruhig wie am Tage, als sei gar nichts Ungewöhnliches im Gange. Diese Tatsachen reden Bücher für die tadellose Disziplin in der deutschen Armee. Sie sprechen aber auch für die Intelligenz und die angeborene Tüchtigkeit des deutschen Volkes." .Der Vertreter des „Ncwyork Herold" übermittelt seinem Blatte u. a. folgende Schilderung: „Die Ausdauer der Truppen war ganz erstaunlich, be sonders die Leistungen des bayerischen Kontingents waren über alles Lob erhaben. Die Truppen haben zwar nicht den elastischen, sehnigen Schritt der französischen Infanterie, aber sie marschieren, als ob sie niemals müde werden könnten. Mit solchen Truppen kann man in der Tat überall hingehen nnd alles machen." Der Londoner „Daily Telegr." veröffentlicht einen Artikel des Obersten Gädke über die großen französischen Manöver. Der Oberst faßt seine Ausführungen dahin zu sammen, daß er Vergleiche zwischen der französischen und deutschen Art der Ausführungen der Manöver zieht. Bei dem französischen Manöver handle es sich vor allem darum, dir Wirklichkeit nachzüahmrn, bei den deutschen Manöver» müsse dagegen täglich eine Schlacht stattfinden. Ein Vorzug der französischen Manöver sei, daß bessere taktische Erfahrun gen erzielt werden. Bezirksausschutz - Sitzung. Unter dem Vorsitz deS Herrn ReglerungsamtmannS Schubert fand am 20. September im Sitzungssaal der König!. AmtShaupt- mannschaft eine Sitzung des Bezirksausschusses statt. Vor Eintritt in die Tagesordnung gedachte der Herr Vorsitzende zunächst deS am 2. September erfolgten Ablebens des langjährigen Vorsitzenden d«S Bezirksausschusses, deS Herrn Amtshauptmann Dost, und richtet« an die Versammlung die Bitte, das Andenken an den Ver blichenen durch Erheben von den Plätzen zu ehren. Die Ver sammlung entsprach dieser Bitte. — Hierauf nahm der Bezirks ausschuß Kenntnis von einem Dankschreiben deS MagdalenenhilfS- vereinS in Chemnitz für auS BezirkLmitteln bewilligte Unter stützung. Sodann wurden in öffentlicher Sitzung folgende Gegen stände erledigt: Genehmigt wurden: rin Gesuch eines FortbildungSschülerS in Wünschendorf um Genehmigung zur Mitwirkung beim Ausspielen öffentlicher Tanzmusik in Orten deS Bezirks der Königl. Amts- hauptmannschaft Flöha; ein Nachtrag zum Anlagenregulativ der Gemeinde Börnichen bei Oederan; Bestimmungen über die Er hebung der Hundesteuer in Hohenftchte; die Uedrrnahme bleiben der Verbindlichkeiten in zwei Füllen seitens der Gemeinde Auers walde; die Uebernahme bleibender Verbindlichkeiten seitens der Gemeinde Ebersdorf, betr. die Lieferung elektrischen Stromes seitens der Stadt Chemnitz an die Gemeinde Ebersdorf; ein Nachtrag zum Ortsstatut der Gemeinde Grünhainichen; ei» Nach trag zum OrtSstatut der Gemeinde Gahlrnz; die Erhöhung des Gehalt- deS GemetndevorstandS zu Gahlenz. Zu Abtrennungen bei Grundstücken Waldkirchen, Flöha und Leubsdorf wurde dtspensationsweise Genehmigung erteilt, vor behältlich deS noch einzuholenden Gehör- der in Frage kommenden Gemeinderäte. Bedingungsweise Genehmigung wurde erteilt: ») zur Errich tung von Schlächtereianlagen für Groß- und Kleinvieh seitens Ernst Emil Gerlachs in KrumhermerSdorf und Mar Schellen bergers in Ebersdorf; d) zur Vergrößerung der Schlächtereianlage von Otto Emil Steinbach in GarnSdorf. — Sodann befaßte sich der Bezirksausschuß mit mehreren gegen die Landtagswahllisten erhobenen Einsprüchen, die, weil sie unbegründet waren, zurück- aewiesen wurden. Hierauf erklärte der Bezirksausschuß Einver ständnis mit dem aufgestellten Voranschlag zuw HauShaltplan des Bezirksverbands Flöha auf das Jahr 1910. — Bezüglich der An stellung eines dritten Schutzmanns in EberSdorf sprach sich der Bezirksausschuß dahin aus, daß in der Angelegenheit von wetteren Maßnahmen zurzeit abgesehen, die Sache aber Im Auge behalten werden möchte. Die Veränderung einer Stauanlage in Ditters dorf wurde von der Tagesordnung abgesetzt. Die Einziehung des bei üm 3,025 der Chemnitz-Hainichener Staatsstraße, 3. Abteilung, links abgehenden und bis an das Flurstück Nr. 79 führenden öffentlichen Weges, Flurstück Nr. 59» des Flurbuchs für Oberlichtenau wurde genehmigt. Mit dem für dieses Flurstück in Aussicht genommenen Kaufpreis von 63 Mark erklärte sich der Bezirksausschuß einverstanden. — Zu der Ein gabe deS Saalinhabervereins im Bezirk der Königl. Amtshauvt- mannschaft Flöha beschließt der Bezirksausschuß, das Gesuch, in soweit dasselbe darauf gerichtet ist, jedem Saalwirt die Verpflich tung aufzuerlegen, bei Abhaltung öffentlicher Tanzmusik Eintritts geld zu erbeben, mit Rücksicht auf den 11. Nachtrag zum Tanz- regulativ für den Bezirk der AmtShauptmaNnschaft Flöha für er ledigt anzusehen, insoweit dagegen die Eingabe den Wegfall der Abgabe vom Eintrittsgeld zur Armenkasse der jeweiligen Gemeinde bezweckt, daS Gesuch abzulehnen. Von dem Dankschreiben des Kurators deS Friedrich-August-StiftS in Börnichen bei Waldkirchen und einem Unterstützungsaesuch deS Vorstandes der Deutschen Heil stätte in Davos wurde Kenntnis genommen. In nichtöffentlicher Sitzung wurden erledigt . 10 Schankkonzessionsgesuche und 2 Än- lagenrekurse. 8 Schankkonzessionsgesuche wurden genehmigt und je 1 dergleichen abgelehnt, bez. von der Tagesordnung avgesetzt. Zwei Anlagenrekurse wurden für beachtlich erklärt. vrmtrcdM. * Dnellforderuug au eiue« Redakteur. Großes Auf sehen erregt in Hamburger Handelskreisen die Duellfor- derung an den HandelSrrdakteur deS „Hamburger Fremden- blattrS", Herrn F. Hildebrand. Dieser hatte sich in scharfen Artikeln mit dem Geschäftsgebaren der Deutschen Vacuum Oil Co. in Hamburg beschäftigt und hatte diese aufgefordert, gerichtlich gegen ihn vorzugehen, damit er den Beweis seiner Behauptungen antreten könne; das ist nicht geschehen. Da gegen wurde Herrn Hildebrand gestern eine Aufforderung des militärischen Ehrenrates des Kgl. Bezirkskommandos in Ham burg überbracht, sich dort einzufinden, um es dem Ehrenrat zu ermöglichen, den Versuch eines Ausgleichs zwischen ihm M »«rtsktzinll.j Oie leisten Varrs. Rvman von Albert Graf von Schlippenbach. Zehn Minuten vor der festgesetzten Zeit standen sie vor den, für den Familientag im Gasthof reservierten Zimmern. Lebhafte und erregte Gespräche schallten ihnen entgegen, die aber sofort verstummten, als sie zur Tür. hereintraten. Die erste Begrüßung war sehr steif und reserviert. Herr Viktor von Gernow, ein stattlicher Fünfziger, ehe maliger Offizier, jetzt reichverheirateter Großgrundbesitzer, der älteste der Vettern aus Schlesien, war der einzige, den der Grielitzer Majoratsherr von früher kannte. Er über nahm daher die Vorstellung. Zunächst trat sein Brüder, Geheimrat Boguslaw, vor und verneigte sich korrekt und . tadellos. Sein glattrasiertes, steinernes Gesicht, mit den stechenden grauen Augen, war unsympathisch. Er galt .für. einen der bösartigsten und rücksichtslosesten Streber, d^r vor den Vorgesetzten kroch und die Untergebenen dafür quälte. — Dann folgten die Brüder Klaus, Klemens und Detlow, Sie hatten meist bessere Tage gesehen. Ihr Vater ^heiratete jung ein reiches Fräulein von Gurlt, deren Mutter aus Holland stammte und ihrem Manne Millionen mit in die Ehe brachte. Mit dem Geld« der Schwieger mutter erwarb Herr Mürtimer von Gernow einige schöne Guter in fruchtbarster Gegend Schlesiens; aber er war ,ein unverbesserlicher Spieler und Schürzenjäger. Das Geld zerrann ihm zwischen den Fingern. Da der Besitz nicht Majorat war,, verkaufte er wieder ein Gut nach dem andern. Als alles verpraßt wär, schoß er sich tot. Sein .ältester Sohn Klaus besaß ein kleines, erheiratetes Gut in Oberschlesten, das kaum seine zahlreiche Familie ernährte. Das hicke, gedunsene Gesicht verriet den Freund schwerer Gelränke. Plump und bäuerisch wie sein Aussehen, war HUch di« Verbeugung, die et den märkischen Vettern .machte. Der zweite lebte vergrämt Und verbittert als Witwer mit einem hälbgelähmten Sohn in einer kleinen .Stadt ,lm Bergwerksrevier, wo cr,. dex. frühzeitig verab schiedete Hauptmann, eineStellung imPrivatdienst be.leidete. Er war der beste aller schlesischen Gernows, ein anständiger Charakter, nur..durch Sorgen und Kummer querköpfig und schloff geworden. Mit seinen Brüdern und Vettern stand er sich nicht gut. Es hatte ihnen, unter Vorspiegelung von allerhand unzutreffenden Angaben, Mühe gekostet, seine .Zustimmung zu jenem Schriftstück an Egbert zu erhalten Mürrisch und unfreundlich, wie seine Art, fies auch an scheinend die Begrüßung aus, trotzdem er, der einzige unter den Namensvettern, Egbert und Einst wenigstens die Hand reichte, Detlow, der jüngste, galt ehemals für einen »er schönsten Männer der Provinz, Laster und Leiden schäften gruben aber frühzeitig ihre Runen in sein Gesicht. Jetzt mar er, obgleich erst vierzigjährig, nur noch eine körperliche Ruine. Weiter als bis zum Fähnrich hatte er es nicht gebracht. Wegen Schulden und einer schmutzigen Geschichte verschwand er einst nach Amerika. Es hieß, er hätte dort das Leben eines Desperados im fernen Westen ge führt. Vor Jahren tauchte er plötzlich in der Heimat wieder auf, zur Entrüstung der wohlhabenden Vettern und zum Aerger seiner Brüder. Wovon er eigentlich lebte, wußte man nicht recht. Man munkelte nur allerlei von nicht ganz reinlichen Quellen, aus denen ihm Unterstützungen zuflossen. Herr Viktor und Herr Boguslaw wären sicherlich mit ihm nicht in nähere Verbindung getreten, allein Haß und Neid gegen die märkischen Vettern erforderten ein gemeinsames Vorgehen aller Mitglieder der schlesischen Linie gegen sie. Als Detlow sich nach seiner Rückkehr aus Amerika mit der Bitte um Unterstützung an sie wandte, ließen sie sich durch ihren Rechtsanwalt derartigeBelästigungen verbitten. Neuer dings besänftigten dann einige blaue Scheine seinen Groll und machten ihn ihren Wünschen gefügig. Nach einer fast verletzend nachlässigen Verbeugung wendete sich Herr Detlow von den märkischen Vettern ab und stellte sich in eine Fensternische, wo er sich mit ge langweilter Miene eine Zigarette drehte. Als neuerdings ernannten Vertreter der Unmündigen und der Nascituri stellte Viktor von Gernow endlich einen sehr eleganten Herrn von Meerslein vor. Er sah klug aus, und die verbindlichen Umgangsformen verrieten den Mann von Welt, seine Physiognomie den spöttelnden Zyniker und Genußmenschen. Mit Ausnahme von ihm und Klemens von Gernow erschienen alle wie auf Draht gezogen; nur die beiden Rechtsgelehrten, Neumann und Hörn, begrüßten sich in kollegialischer Weise, während sie sich mit schnellen, Blick musterten. „Ich glaube, wir können wohl gleich in die Ver handlung eintreten," meinte Hörn, die beiden gelrennt stehenden Gruppen der Gernows spöttisch betrachtend, nach dem die Vorstellung beendet war. „Die Herren Namens vettern scheinen sich vorher nicht viel zu sagen zu haben. — Im Nebenraum ließ ich vom Wirt eine große Tafel aufstellen, an der die Herren — wenn ich mir den Vor schlag erlauben darf — vielleicht Platz nehmen. Rechts die ältere märkische, ehemals mecklenburgische Linie, links, durch uns Juristen getrennt, die Herren aus Schlesien. Nach einer zustimmenden, allseitigen, stummen Ver beugung folgte man Hörn ins Nebenzimmer, wo die Mehr zahl der Herren umfangreiche Aktenmappen vor sich auf den Tisch legte. „Darf ich Herrn von Meerstein zunächst bitten, die Vollmachten für die Minderjährigen vorzulegen," fuhr der Iustizrat fort, nachdem alle sich gesetzt hatten. Der Angeredete schob mit einem verbindlichen Lächeln ein Aktenstück über den Tisch. Hörn prüfte es flüchtig. „Ich vermisse nur die Vollmacht für den zwölfjährigen Leo von Gernow," meinte er und sah Meerstein fragend an. und Herrn Dr. Ruperti, dem Vorstandsmitglied der Vacuum Oil Co., zu machen, da dieser, welcher Reserveoffizier ist, sich durch die Artikel beleidigt fühlte. H. lehnte es ab, in dieser Angelegenheit die Kompetenz des militärischen Ehrenrates an zuerkennen und wies nochmals darauf hin, daß diese die Oeffentlichkeit stark interessierende Affäre lediglich vor die or dentlichen Gerichte gehöre. Kurze Zeit darauf wurde Herrn H. im Auftrage Dr. Rupertis eine Duellfordrrung überbracht. Auch diese wurde abgelehnt. Sie wäre noch einigermaßen ver ständlich gewesen, wenn sie nach der gerichtlichen Austragung der Affäre erfolgt wäre. Das „Hamburger Frrmdenblatt" veröffentlicht heute eine Erklärung, in der eS u. a. heißt, daß sich solche Angelegenheiten mit der Waffe in der Hand nicht lösen lassen, weil dadurch die Gefahr bestehe, daß die Beweis führung einfach unterbunden werde. — Der einzig richtige Standpunkt. * Eine Skaudalaffüre. In Landsberg wurden mehrere Frauen wegen Verbrechens gegen das keimende Leben ver haftet. Die Frau eines Lokomotivheizers ist an den Folgen der Behandlung gestorben. Die Affäre zieht weite Kreise; bis jetzt sind 20 Frauen in sie verwickelt. * TodeSsturz eines Aviatikers. Aus Boulogne für mer wird berichtet: Der Luftschiffer de Rue stieß gestern vor mittag 11 Uhr bei der Landung mit dem vorderen Teile seines AeroplanS auf eine Erderhöung. De Rue geriet unter den Apparat, der umstürzte, und wurde mit zerschmettertem Brustkasten tot hervorgezogen. * Nachwirkungen vom Berliner „Zeppeltu"-Vesnch. Seitdem Graf Zeppelin mit seinem Luftkreuzrr in Berlin Einzug gehalten hat, wird sein Name mit allem Möglichen und Unmöglichen verquickt. ES gibt jetzt u. a. einen Likör „Zeppelin", eine bekannte Zigarrenfabrik hat eine ihrer Marken „Zeppelin" getauft, ein Mützenfabrikant führt weiße „Zeppelin"-- Mützen rc. Nunmehr hat auch eine vielgenannte Firma für Obst- und Gemüsekultur einer länglichen Melonenart den Namen „Zeppelin"-Melone beigelegt. * Et« rühmliches Zeugnis für die Hereromisfio« führt die Oktober-Nummer der „Evang. Missionen" an. Während die große Menge gelegentlich des unglücklichen Hereroaufstandes schnell mit dem Urteil fertig war, daß die ganze Mission unter den Herero ein Fehlschlag sei — ein Urteil, das heute noch von vielen zäh sestgehalten wird — äußern sich Kenner der Verhältnisse ganz anders. Ein eng lischer Eingeborenenkommissar erklärte im Blick auf eine Anzahl HereroS, die nach dreijähriger Irrfahrt durch die Wüste nach Transvaal verschlagen waren: „Die Missionare, die unter diesem Volke gearbeitet haben, können sich zu einem solchen Erfolg gratulieren". — Ein ähnliches schönes Zeugnis ist die Grabschrift, die Oberstleutnant v. Estorff seinem Hererodiener schrieb: „Meinem bis in den Tod getreuen Hererodiener. Sei getreu bis in den Tod, so will ich Dir die Krone des Lebens geben." * Was eiue Grotzstadt-Berwaltung jährlich ver braucht, beweist der Druck- und Schreibbedarf der Stadtver waltung Berlins. Im Rathause der Kaiserstadt find im letzten " „Der Großvater, Graf Wallot, beabsichtigte als Gegen vormund und Vertreter seines Enkels persönlich zu er scheinen," mischte sich Herr Viktor von Gernow in das Ge spräch, „da die Beschaffung einer Spezialvollmacht für Herrn von Meerstein aus der Schweiz in der kurzen Zeit nicht möglich war. Zu meinem Befremden ist der alte Herr nicht hier." „Das ist bedauerlich," entgegnete Hörn. „Bindend« Beschlüsse können also heut nicht gefaßt werden." Herr Viktor erhob sich mit einem gewissen Aplomb. „Ich hoffe, wir werden uns mit den brandenburgischen Herren Namensvettern in einer Weise einigen, die eine Ver tretung meines Neffen Leo unnötig macht. — Vielleicht hat Herr Iustizrat Neumann die Güte, einige einleitende Worte als unser Rechtsbeistand vorauszuschicken, wodurch die Situation eine nicht unwesentliche Klärung erfahren wird." Mit einer einladenden Handbewegung nahm der Sprecher mit ebenso feierlicher Miene wieder Platz, wie er aufgestanden war. Neumann schlug ein Aktenstück auf. „Nach der Stiftungsurkunde vom Jahre 1721 ist der schlesischen Linie die Anwartschaft auf das Majorat Grielitz ohne Vorbehalt eingeräumt. Es ist daher gänzlich belang los, daß eine Urkunde über des Haubold von Gernow erste Eheschließung nicht mehr beigebracht werden kann. Ob nun dem Majoratsstifter unzweifelhafte Beweise über die ehelichen Geburten der Söhne Kaspar und Harald vor lagen oder ob er darauf in diesem Falle einen Wert nicht legen zu müssen glaubte, kann uns gleich sein. In Para graph 2 der Stiftungsurkunde erklärt er sie und ihre ehe lichen Nachkommen jedenfalls für erbberechtigt. Der erste Einwand meines geschätzten Herrn Kollegen Hörn in seinem Expose vom 1. April ist daher hinfällig." Der Iustizrat machte eine kleine Pause, um die Wirkung seiner Worte auf den Gesichtern der Gegenpartei zu lesen und um ihr Gelegenheit zu einer Gegenäußerung zu geben. Aber Herr Egbert sowohl wie sein Sohn blieben völlig ruhig und schwiegen. Hörn nickte nur wie zustimmend und machte sich eine flüchtige Bleistiftnotitz. Man schien diese Entgegnung also erwartet zu haben. „Da nun auch die anderen Bedenken über die Be rechtigung der einzelnen Mitglieder der sch'esischen Linie zur Erbfolge im Majorat Grielitz auf sehr schwachen Füßen stehen," fuhr Iustizrat Neumann fort, während ein Lächeln über Hörns Gesicht glitt, „so hat Herr Viktor von Gernow sich bereit erklärt, im Namen der ganzen schlesischen Linie den Herren der märkischen Linie einen Vergleich anzu bieten. —" „Also wohl auch namens des unmündigen Leo von Gernow?" warf Hörn ein. „Nein," antwortete Neumann etwas zögernd. „Die Erbberechtigung desselben wird ja von der Gegenpartei, wenn ich mich so ausdrücken darf, nicht angezweifelt." „Dann begreife ich nicht, Herr Kollege," erwiderte