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G O M W Feierabend ^ BW Unterhaltungs-Beilage der Sächsischen Volkszeitung Nr. Ho Sonntag den 9. November M3 Mutter-Gottes-Bild am weg s steht am weg, dem sonn'umglühten, Lin steinern Mutter-Gottes-Bild. Der wilden Rosen rote Blüten Umranken seine Füße mild. Rings Schmtlersang und Sichelklirren, Und wanö'rer zieh'n, vom weg bestaubt, Und weiße Falterflügel irren Liebkosend um des Bildes Haupt. Doch sinkt der Caa, und steigt im Flimmern Des Ulond's die Sommernacht zur Welt, Dann wird's, als schritt' in hcil'gem Schimmer Die Jungfrau durch das aold'ne Feld, Als träte von der Säule Steine Herab sie in das stille Land Und segnete im Sternenscheine Die Flur mit ihrer Ukutterhand. Und alle Aehren rauschen leise Der Mutter alles Lebens zu; Ihr Haupt, das milde, sternenweiße, Erglänzt wie in des Himmels Ruh'. Der Blumen Reiche duften heißer, Und leise singen, schlaferwacht, Rings Laub und Gras und Baum und Reiser Lin Ave durch die aold'ne Nacht. A. v. Waiden. 26. Sonntag nach Pfingsten Evangelium Tas Unkr. ul unter dem Weizen. M llhäus 3, 21 — 30. Ter Mangel an Einsicht und Liebe bewirkt nicht selten, daß wir schlechte Nachahmer der göttlichen Langmut wer den. Selbst geduldet von Gottes Nachsicht und znwartender Liebe, erzürnen wir uns doch so leicht über fremdes Un recht, über das Böse neben uns, und bieten uns der gött lichen Gerechtigkeit als Handlanger an, um das Unkraut auszuraufen. Doch der himmlische Hausherr ruft aus dem heutigen hl. Evangelium in seiner Liebe und Weisheit: Lasset beides mit einander wachsen bis zur Ernte. Ja, das erscheint den Menschen oft so unbegreiflich, warum Gott die Bösen wachsen und mächtig werden läßt und es duldet, datz sie die Guten unterdrücken und weit und breit Verderben stiften. So klagte schon im Alten Bunde der Prophet: „Warum, o Herr, schauest du nicht auf die Uebeltäter, und warum schweigest du, während der Gottlose seinen Nächsten verschlingt, der gerechter ist als er?" (Hab. 1, 3 u. 4.) Hören wir darauf die Antwort des bl. Augustinus: „Jeder Böse lebt entweder dazu, datz er gebessert werde, oder dazu, damit durch ihn der Fromme geübt werd e." Gott der Allmächtige wcitz aus der Vermischung von Guten und Bösen Heil zu bereiten für beide. Frage also nicht länger: Wie kann doch Gott solche Menschen ungestraft walten lassen? „Siebe, er erbarmt sich aller, wie der Weise spricht, weil er alles vermag, und er hat Nachsicht mit den Sünden der Menschen, damit sie sich bessern." Darum trägt Gott die Strafwürdigen, die der Ausrottung schon wert wären, mit so großer Geduld, um eben dadurch die Schätze seiner Herrlichkeit zu offenbaren gegen diejenigen, deren Er sich erbarmen will und die Er dadurch zur Ver herrlichung vorbereitet." (Röm. 9, 22 u. 23.) Also dieser unendlichen Langmut Gottes hast du eS zu verdanken, o Sünder, daß du, obwohl verderbliches Un kraut unter dem herrlichen Weizen Gottes, noch stehest, so viele Tage und Jahre schon, ob du dich vielleicht um. wandeln möchtest. Drum duldet die ewige Erbarmung neben dem Engel den abscheulichen Wüstling, neben dem Barmherzigen und Mildtätigen den gefühllosen Wucherer, neben dem Menschenfreunde den Plagegeist, den Bedrücker, seiner Mitmenschen, neben den Kindern Gottes die Ge- sollen des Teufels. Darum läßt er den unfruchtbaren Feigenbaum noch nicht umhauen, ob er schon des Platzes, den er einnimmt, nicht wert ist. Er läßt ihn düngen und umgraben, ob er nicht Furcht bringe. Er läßt sie neben einander bestehen, damit das lebendige, sprechende Beispiel der Guten ihnen eine beständige Rüge, eine lebendige Strafpredigt gegen ihre Ungerechtigkeit sei, und sie be schäme, erwecke und zur Sinnesänderung bewege. Er mischt den edlen und kräftigen Sauerteig der Guten unter die große Masse, und wie mancher ließ sich davon durch säuern und nahm eine andere Natur an. Wie oft hatte die Kirche Veranlassung, die wundervollen Wege der göttlichen Erbarmung zu Preisen, die in jenem Augenblicke, da alle noch vor einem Feinde alles Guten zitterten, den Wolf in ein Lamm verwandelt hatte! Es ist also wahr, die Bösen leben, damit sie gebessert werden: aber sie leben auch, damit die Frommen durch sie geübt werden. Sie dienen dem Frommen zur Belehrung und Warnung. Wie oft warnt der Prediger vor der Sünde und ihrer giftigen Frucht; aber seine Warnung wird nicht begriffen, nicht im Herzen erfaßt. Siebe, da warnt nun Gott und lehrt nachdrücklich, wie schändlich die Sünde ist, indem er in lebendigen Beispielen der Lasterhaften die schreckliche Verwilderung einer von Gott abgefallenen Seele zeigt, und das Elend, die Zerrüttung, wo die Saat des Bösen zu reifen beginnt. Und wenn so ein Knecht der Sünde, elend an Leib und Seele, unter uns wandelt, so ist es die ewige Gerechtigkeit, die allen zuruft: Siehe, so weit kommt der Mensch, der Gott verläßt; siebe, so brandmarkt das Laster seine Diener: siehe, das ist der Anfang und die Frucht' des Bösen. So viel Schändliches bat ein einziger Schritt gebrockt, der erste Sckritt außer den Schranken der hl. Sckam. So nahe legt dir's Gott ans Herz beim An blicke so mancher Sünder: Siehe, das bat die Wollust ge tan; den bat die Schwelgerei so stumpfsinnig und tierisch gemacht: der ist zum Scheusal geworden, weil er vor dem Umgänge mit Schlechten sich nickt wollte warnen lassen. Lerne daraus, wie weit eine einzige unbewachte Neigung den Menschen bringen kann: lerne Wacken über dein Herz und auf der Hut sein gegen die Stimme der Verführung! Lerne aber auch, welchen Dank du Gott schuldig bist, wenn er dick nickt sinken ließ in so tiefes Elend, vor dessen An blick dir graut! Erkenne, wieviel Ursache du hast, demütig vor Gott zu sein und behutsam zu wandeln und zu zittern vor dem Leichtsinn deines eigenen Herzens, das so leicht die wohlgemeinte Warnung in den Wind schlägt. Die Lasterhaften sollen dir zur Warnung dienen. Dock sie leben nickt bloß dazu: sie gewähren uns, ohne daß sie cs wollen, Anlaß zur Prüfung, zur Uebung aller