Volltext Seite (XML)
MN Feierabend Airterhaltnirgs-Veilage der Sächsischen volkszeitung Nr. ^3 Sonntag den 26. Oktober ... ^ W3 Allerseelen Nachd. Verb. >^cwembernebel lagern grau und düster, Geipensterhaft und dicht auf Feld und Flur; Durch kahle Bäume geht es wie Geflüster, In Schmerz und Wehmut Ichauert die Natur, versunken wehmutsvoll in stilles Sinnen Ich einsam wandre in der Toten Stadt; Bier schlummern, die geichieden find von hinnen, Die schon des Todes Hand getroffen hat. Da liegen sie, gebettet sanft in Schlummer, Die Iugend und das Alter, arm und reich. Sie sind befreit von Lrdenlcid und Lummer, Und in der Erde Schoß sind alle gleich. Der Linder Lrcuze weiß und schimmernd ragen Gen Bimmel, wo die Lleincn treu bewahrt Die Schar der Engel, die der Eltern Llagen Zerstreuen, daß sich Schmerz mit Freude paart. Die teuren Eltern und die treuen Gatten: Sie ruhen ans, in kühler Gruft vereint. Und alle ließ der Senienmann ermatten; Der Feind liegt friedlich neben »einem Feind. So reiht sich Grad an Grab in dichter Menge, Mein Äuge mild und traurig sie begrüßt; wem klein die Welt war, dem ist nicht zu enge Der dunkle Raum, der seinen Leib umschließt. Und aus den Grüften wenden sich di« Bände In stummer ÜZual und flehentlich mir zu. Daß mein Gebet des Feuers Glut beende. Die Pein verwandle sich in ew'ge Ruh'. Ihr teuren Seelen, ruhet sanft im Frieden! B, seid getrost, ihr Armen, zaget nicht! Ich denke euer, die so früh geschieden. Und bete, daß euch leuckte ew'ges Licht. Leo «Iberti 24. Sonntag nach Pfingsten Cv irgelium Lie Hebung des Aussätzigen und de? Knechtes des H untmrmnes. M tthäus 8,1—13. Unsere Kranken. „Ein armer Kranker!" Wie inhaltsreich ist dieses Wort, wie wirkt es auf unser Mitgefühl und unsere Rührung! Was ist denn ein Kranker? Ein Mensch, den ein offenes oder verborgenes Uebel langsam aufzehrt und dem oft von seinen Kräften nichts mehr übrig bleibt, als notwendig ist, um die Schmerzen seiner Krankheit zu empfinden. Wie Feuer glüht es ihm vielleicht in feinen Adern, in seinem Munde haben sich Galle und Essig ange setzt. so daß er geplagt wird, wenn er hungert und auch wenn er etwas genießt. Er ruft nach Labung und erzürnt sich doch über das, was man ihm darreicht: er begehrt nichts und seufzt doch darüber, daß man ihm nichts anbietet. Wie ein harter Fels ist ihm das Lager; die Finsternisse der Nacht machen ihm eine Stunde zur Ewigkeit und mit heißer Sehnsucht seufzt er nur um ein paar Minuten Schlaf als eine Erleichterung seines Uebels. DaS ist ein Kranker! Und nun lassen wir zu diesem Zustande noch Armut und Elend sich gesellen. Sieh da! Der Kranke verlangt eine Arznei, von der er gewiß weiß, daß sie ihm Linderung verschaffen würde; sie kostet auch nicht viel, aber ein trauriger Seufzer der Seinen sagt ihm statt aller Antwort, daß die Mittel dazu nicht da sind. Dort muß ein Kranker, um das geringe Labsal eines Trunkes frischen Wassers zu erhalten, die Zurückkunst des Gatten, eines Kindes, abwarten, welche, außerhalb des Hauses beschoß tigt um des dürftigen Unterhaltes willen, erst nach einem langen und mühevollen Tage zurückkehren werden. Dort wieder hat der bedauernswerte Kranke in seiner schrecklicher Lage nur eherne Herzen um sich, die sein Seufzen mit Schmähworten erwidern, Menschen, die mit kaltem Blute die Schmerzen des Kranken verdoppeln. Armer, armer Kranker, wie bist du beklagenswert! Aber schon hat das Uebel, welches den Körper deS Kranken verzehrt, auch seine Seele gewaltsam ergriffen. Der Geist, ehemals voll Kraft und vielleicht auch voll Eigen dünkel, liegt jetzt danieder, einem gebrochenen»Bogen ähnlich, schwach und kraftlos. Gleich einem Wanderer, den Stürme und Wogen weit vom Ufer verschlagen haben, er blickt er nur noch verworren und in dunkler Ferne die Herrlichkeit einer Welt, welche, fliehend von ihm ihn noch gefesselt hält. Der Wunsch, noch länger zu leben, regt sich gar mächtig in ihm. Und nun kommen gewisse Wahrheiten, die er ehedem von sicb zu entfernen gewußt, und drängen sich ungestüm seinem Geiste auf und drücken ihn mehr nieder, als sie ihn rühren und trösten. Es stellt sich der Tod. der sonst wenig gefürchtete und fern geglaubte, jetzt mit all seinen Schrecken in furchtbarer Nähe vor ihm auf und weist ihn mit drohen der Gebärde auf das Grab bin, das sich vor ihm auftut. Schon glaubt er das dumpfe Getöse der Pforten der Ewig keit. die sich öffnen, zu vernehmen. Großer Gott! ruft er voll Entsetzen aus, sie fängt also für mich an, die furchtbare Ewigkeit, und was habe ich getan, mich zu derselben vorzu- bereiten? Die Sünden, worüber er sich ehemals keinen Dorwurf gemacht, wachsen jetzt und werden riesengroß — wie ein Kriegsheer in Schlachtordnung stehen sie vor ihm da, er kennt sie alle. Ein nie gefühlter Schrecken ergreift ihn bei diesem Anblick, und als könnte er demselben auS- weicben, wirft er sich auf die andere Seite, allein auch hier glaubt er eine Hand zu gewahren, die sein Verdammungs urteil an die Wand säbreLt. Vielleicht hört er das unter drückte Schluchzen der lEnen, vielleicht sieht er eiskalte Gleichgültigkeit auf ihren Gesichtern; beides dient nur dazu, feine innere llnruhe zu vermehren; er seufzt, er betet, er schweigt, er redet, er hofft, er verzweifelt. Armer, armer Kranker! Und es soll kein Verbrechen lein, seinen Mitmenschen in solchen Schmerzen sich allein zu überlasten? Wie? ich werde an seiner Wohnung vorübergeben, ich werde Listen, daß ein Blick von mir, daß ein Wort, daß vielleicht meine Gegenwart allein schon hinreichen wird, seinem Schmerze eine Linderung zu bereiten und seine Seele mit neuer Hoff nung zu beleben, und ich werde diesen Blick, dieses Wort, diesen Augenblick ihm verweigern? Und ich werde nicht fürchten das Gericht Gottes über die Unbarm herzigen? Und nicht einmal, so oft bist du vorüber- gegangen, etwa bei einem Freunde, bei Menschen des näm lichen Standes und der nämlichen Religion, bei einem kranken, alten, treuen Dienstboten, bei dem Krankenlager eines allen Beistandes entbehrenden Familienvaters, ohne dein Herz dem Mitleid zu öffnen und die Hand der Werk tätigen Hilfe?