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— 181 — Feriengedanken Die Zeit der Ferien neigt ihrem Ende zu. Nur noch einige Tage und man muß sich wieder einreihen in die „Maschinerie" des alltäglichen Lebens. Wer wird sich da nicht gefreut haben, ein paar Tage, einige Wochen auszu spannen I Der Mensch bedarf nun einmal der Erholung einer mehr wie der andere. Das heutige Leben fordert vom Menschen nun einmal sein ganzes Können, seine ganze Kraft. Von selbst stellt sich da mit der Zeit eine Ent kräftigung ein, der Mensch wird abeitsmüde — seine Nerven machen nicht mehr mit. Der Mensch sucht sich Erholung. Er reist ans Meer, ins Gebirge, nur weit weg von der Stätte seiner Arbeit. Dort will er sich neue Kräfte sammeln, seine Nerven wieder neu beleben. Bei schönery Wetter weiß ja jeder die Zeit zu verbringen. Aber wenn es regnet von früh bis abends. Tag für Tag, — da ist guter Rat teuer Alle möglichen Gedanken durchschwirren den Kopf. Ich muß da an ein Wort denken, das ich früher einmal gehört habe: „Ich bin so verdrießlich, also muß ich verdrießlich sein." Man sollte es kaum glauben, daß cs leider viele Menschen gibt, die dieses Wort über manchen ihrer Tage schreiben könnten. Schon frühmorgens, wenn man aufwacht, möchte man es machen wie viele kleine Kinder, die beim Erwachen gleich ein klägliches Geschrei anheben, oder immerfort sagen: „Nein, das tue ich nicht, das will ich nicht!" Und wenn nun gar der Kleinkram des Lebens, so ein unangenehmer Brief, eine Rechnung, die größer, als erwartet, ausfällt, trübes Wetter usw. uns ärgert, dann ist die Laune vollends ver. darben, und wir halten uns vollständig berechtigt, dieser üblen Stimmung Rechnung zu tragen. Aber wie falsch ist dos. Man könnte hier fast den Satz aufstellen: „Launen hat man nicht, sondern Launen haben uns." Das wird jedem cinleuchtcn: was wir haben, das beherrschen wir, aber was uns hat, das beherrscht uns. Anstatt daß wir gegen die schlechte Laune kämpfen und sie beherrschen, räumen wir ihr giftigst die Herrschaft über uns ein. Wir meinten ihr nur die Hand gereicht zu haben, da hat sic aber auch schon unfern Arin, uns ganz erfaßt. Wie oft kann man heutzutage hören: „Still, still Kinder, der Vater ist verdrießlich!", oder „Kinder, seid ruhig, Mutter ist nervös." Das liegt dann wie ein Alp auf dem ganzen Hause, niemand wagt sich frei und harmlos zu geben, alles sitzt in erwartungsvollem Schweigen, sicher, daß das drohende Wetter alsbald über irgend ein schuldiges Haupt losbrechcn wird. Darf man sich da noch Wundern, wenn sich erwachsene Söhne und Töchter im elterlichen Hause nie gern lange verweilen der Gewitterschwüle wegen. „Ner vös ist das moderne Wort für verdrießlich. Was haben nicht alles die Nerven verschuldet! Gewiß werden wir modernen Menschen durch das aufreibende, anspruchsvolle Leben sicher nervöser gemacht als unsere Vorfahren, die ge- mächlicher und einfacher leben konnten, aber niemand sollte es sich erlauben, seine Nerven zur Entschuldigung für schlechte Laune. Unfreundlichkeit, Heftigkeit und Streitsucht »zu machen. Wenn der Mensch ernsthaft will, kann er schwei gen und auch freundlich sein, aber leichter ist es natürlich, einem anderen den Kopf a.bzureißen, wenn man gerade in Kampfstimmung ist, als sich selbst den Kopf zurecht zu setzen. Wenn man in solchen Augenblicken, wo man eine fast unbe- zwingliche Neigung verspürt, dem ersten, der einem in den Weg läuft, irgend einen Gegenstand an den Kopf zu werfen, wo man ein Gefühl hat, als zwicke einen jemand fort während bald rechts, bald links, wenn man in solchen Augen blicken einmal ruhig darüber nachdenkt, woher doch all diese reizvollen Empfindungen kommen, so kommen oft wunder bare Ursachen Mage. Wir wollten durchaus eine ange- sangene Arbeit vollenden und strengten uns Tag und Nacht an, sie fertig zu bringen. Wir waren recht oft in Gesell schaft und hatten mit einem Freund ein interessantes Ge- spräch, so daß wir bis tief in die Nacht hinein mit ihm plau derten. Mit einem Worte: wir haben unsere Nerven be handelt. e'- ob wir Schiffstaue statt ihrer hätten, und für diese unsere Unvernunft lassen wir nun unsere Umgebung büßen. Ist das Gerechtigkeitssinn? Launische Menschen können ihrer Umgebung niemals das Gefühl sicherer Behag lichkeit erwecken, das so wohltuend berührt. Viele Menschen, die ihrer schlechten Laune freien Lauf lassen, täuschen sich oft vollständig über die Tragweite und die Wirkung solchen Sichgehenlassens. Sie meinen, wenn der Sturm vorüber ist, müsse jedermann sich sofort wieder „im Sonnenschein ihrer Gunst" wohl befinden. Dabei bedenken sie aber nicht, daß Stürme Bäume entwurzeln, Blüten knicken, Früchte vernichten, ja Dächer abdecken und Häuser zerstören können. Sie vergessen ganz, daß, was sie in ihrer schlechten Laune verbrochen, verwundet oder gar vernichtet haben, das harm lose Vertrauen, die zarte Hingabe, die Liebe und den Respekt, daß das nicht so schnell wieder gewonnen ist, ja bisweilen auf immer verloren ist. Das möchten besonders Eltern und Erzieher wohl bedenken. Gewiß muß man zugeben, daß eS Zeiten geben kann, wo man wirklich an kranken Nerven leidet, aber dann soll man sich in die Behandlung eines ver ständigen Arztes geben, niemals aber seine üble Laune mit dem so viel mißbrauchten „Ich bin so nervös" entschuldigen. Wenn darum jetzt die Ferien bald ihrem Ende zugehen, so werden sie hoffentlich das gebracht Haben, was sie bringen sollten — Erholung. Zeigen wir, daß wir tatsächlich neue Kräfte gesammelt haben, daß unsere Nerven neu gestärkt sind, daß wir unsere „Verdrießlichkeit" — „Nervosität" ab gelegt haben, so doch wenigstens bestrebt sind, es zu tun. Lrage Träumten einst in träger Ruhe Deine Ahnen so wie du, SchlSss sich über deinem Haupte Wohl das kaubdach schützend zu? s. H. Dies und Das Beherzigenswerte Worte schreibt Professor Roth in der! Wochenschrift „Die Naturwissenschaften" über die Verfol gungswut, die in Deutschland Platz gegriffen hat. um bald den letzten Raubvogel aus unseren Gauen für immer zum Verschwinden zu bringen. Freilich führen die Raubvögel ihren Namen mit Recht, aber das, was sie rauben, sind oft Schädlinge, die der Förster und Landmann auf andere Weise gar nicht vertilgen könnte. Ja, die Eulen, gegen die ge radezu ein Vernichtungskrieg geführt wird, sind tatsächlich als nützliche Tiere zu bezeichnen: sie nähren sich hauptsäch lich von Ratten, Hamstern und ähnlichen schädlichen Gcschöp. sen. Aber auch ganz abgesehen von diesen rein praktischen Gesichtspunkten sind es noch viel höhere, welche gegen den Vernichtungskrieg gegen die Raubvögel sprechen. Die Natur ist ein großes Kunstwerk, in dem jedem Einzelwesen eine be stimmte Aufgabe zufällt: durch die Vernichtung eines Teiles dieses Kunstwerkes wird diese? verhindert, seine harmo nische Gesamtrolle zu spielen. Hiermit steht nicht im Wider spruch, daß der Mensch Raubtiere, die ihm wirklich schädlich sind, ihn an Leben und Gesundheit bedrohen, bekämpft. Aber die wenigen Raubvögel, die noch in deutschen Landen Hausen, schaden dem Menschen nicht, und darum wollen wir iie am Leben lassen. Wie seltsam manchmal Vergiftungen anscheinend ge ringer Art bei Tieren sich bei den Nachkommen derselben bemerkbar machen können, beweist ein im Archiv für Augen kunde mitqcteilter interessanter Fall. Kaninchen können nämlich, ohne daß bei ihnen irgendwie erhebliche Krank- hcitserscheinungen austreten, ziemlich beträchtliche Mengen von Naphthalin genießen wenn ihnen dasselbe, in Oliven- öl gelöst, geboten wird. Solche zunächst nur durch einen Zufall vorgenommenen leichten Vergiftungen weiblicher Kaninchen hatten aber die sonderbare Folge, daß sich bei den Nachkommen derselben last ausnahmslos der graue Star zeigte, der bekanntlich in einer Trübung der Augen linse besteht. Welche wunderbaren Vorgänge müssen hier nach im Körper des Muttertieres eingetreten sein, wenn