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128 — Wärmster Bewunderung. Man wußte, daß die Arbeit schon am ersten Tage verkauft worden war. Graf Georg war noch nicht m der Stadt gewesen. Me Zeitungen die Kritiken über sein Werk brachten, schickte ihm der Künstlerverein zu. Am Abend fuhr er kinüber zur Ausstellung. Beim Kastellan holte er die Schlüssel und be trat die Halle. Er drehte das Licht an und sah sich um. Mes ältere Werke, die ec schon kannte . . . Er stieg die Treppe emp^r. Da . . . gleich vorn stand eine Arbeit des Professors, seines lieben, alten Meisters und daneben . gleich danwen st in Werk . . . feine Trrza . . . aor einer schweren, ro^sn Samtportiere, auf schwarzem, niederem Sockel. Noch schöner, heiliger schien ihm das Kindergesicht in dem Halbdunkel, in dem stillen, weiten Räume. Er zog den Sessel, der gegenüberstand, näher, und setzte sich. „Seine Arbeit! . . . und schon verkauft . . . Der Künstlerverein, der den Verkauf übernommen hatte, hatte ihm am Morgen die Nachricht gesandt . . . Eine Hand legte sich auf seine Schulter. Er wandte sich um und sprang auf. „Nondy!" Eine furchtbare Erregung packte ihn. Er stieß den Sessel fort und ging zurück, bis er mit dem Rücken die Statue deckte. „. . . Verzeihen Sie den Ueberfall, Graf Lorey. Ich sah Sie hier eintreten und folgte Ihnen. Sie wissen, daß ich Ihre Arbeit gekauft habe?" Einen Augenblick stand Georg wie betäubt. Eine Blut welle schoß ihm heiß ins Gesicht . . . Sie? Das wußte ich nicht." Er zerriß die Worte zwischen den Zähnen. „. . . Mer Sie bekommen sie nicht . . . Sie bekommen sie nicht . . . eher zerschlage ich sie. . .!" Graf Rondy trat näher. Ein Bitten kam in die herrischen Augen. „Bei Gottes Engeln ist mehr Freude über einen Sün der, der Buße tut, als über neunundneunzig Gerechte. Ich habe eine Stunde vor Ihrem Werke gesessen, allein, gerade wie Sie jetzt. Ich. habe das Gesicht des kleinen Engels studiert. Dann ging ich zur Kunsthalle . . . Am Abend war ich wieder hier bei Ihrer betenden Unschuld . . . Wollen Sie es mir nicht lassen...? Darf ich's behalten, Lorey...?' „Ja!" Lerse, halberstickt kam es. „Und die Märchen für meinen Park... die Gruppe für die Halle. . . werden Sie die schaffen . . . wenn ich bitte . . . werden Sie kommen...?" Dem Künstler versagte die Stimme. Jetzt waren alle seine Sorgen zu Ende. Die Kleidermotte Bon F. Tiemann Nachdruck verboten „Sind die gestrengen Herrn vorbei, Schwirrt kühn die Mottenbrut im Mai." Unter all den vielen Schädlingen aus dem Tierreiche, die uns in unseren Wohnungen zu den verschiedensten Jah res- oder Tageszeiten mehr oder weniger belästigen, ist die Kleidermotte entschieden das arglistigste und am schwersten zu bekämpfende Tierchen. Nicht nur Frau Sorge schleicht sich durchs Schlüsselloch in unsere friedliche Behausung, son dern auch die Motte findet vorzugsweise ihren Zugang in unsere Kleiderschränke, Truhen und Kommoden durch die Schlüssellöcher, kleine Ritzen und Spalten, um nun als klei ner Dunkelmann dafür zu sorgen, daß unseren Kleidern, Pelzen und sonstigen Zeugstücken das Siegel der Motten un- ausschöschlich aufgedrückt und uns durch ihre hinterlistige Arbeit bei mangelnder Aufmerksamkeit ganz erheblicher Schaden zugcfügt wird, den wir gewöhnlich erst bemerken, wenn es zu spät ist und der beste Stoff vom Bratenrock erster Garnitur an vorzugsweise gar nicht zu verdeckender Stelle fein säuberlich abgenagt ist. Wo kommen nun aber die vielen Motten plötzlich her. die Fenster sind doch zu und alle Pelzsachen so schön einge mottet? Ja, wo kommen die Motten alle her! Sucht nur! Seht einmal in den Polstermöbeln, Wollsachen, den schönen Kelimdecken und Portieren genau nach und ihr werdet stau nen, was man da für — nicht Motten — aber Mottenrau- ven, Puppen und allerhand unangenehme Spuren ihrer Tätigkeit findet. Mit einer seltenen Arglist schleicht sich das befruchtete Mottenweibchen in den Kleiderschrank und legt als vorsorg liche Mutter, die auf das Wohl ihrer Nachkommenschaft be dacht ist, etwa 60 längliche, milchweiße Eier vorzugsweise an Woll- und Pelzsachen ab, so daß die nach ungefähr zwei bis drei Wochen ausschlüpfenden kleinen weißen Motten- räupchen (Larven), gleich wie die Made im Speck, mitten im. schönsten Schlaraffenland sitzen und nichts zu tun brauchen, wie ihre kräftigen Bcißwerkzeuge ständig in Tätigkeit zu halten Diese kleinen Raupen, die bis 9 Millimeter lang werden, haben einen gelbbraunen Kopf, das Nackenschild ist glänzend hellbraun und nur selten sieht man die Tierchen nackt, denn meistens umhüllen sie sich mit abgenagten Stoff- fasern oder -Haaren die sich dem Körper in sackartiger Form anschmiegen. Da die anfangs winzig kleine Raupe an Kör- vcrumfang allmählich bis zur Vervuppung zunimmt, so wird ihr gar bald das Hüllsäckchen zu eng und mit einem angeborenen Schneidertalent fügt sie, ähnlich wie es Wohl eine sparsame Mutter mit der zu eng gewordenen Hose ihres Söhnchens macht, bald hier, bald dort ein Stück ein, um Platz für den mit Nahrung gefüllten Leib zu haben. Legt man diese Raupen auf Tuch von verschiedenen Farben, so kann man leicht feststellen, welche Stücke die kleine Schneide rin nachträglich eingesetzt hat. Diesen interessanten Versuch hat der Erfinder des Thermometers, der wohlbekannte Räaumur, bereits in der ersten Hälfte des 18 Jahrhunderts mit der Raupe der Kleidermotte angestellt. Wir haben also in der Mottenraupe den Uebeltätcr und Freßsack aus der Lebensentwickelung der Motte gefunden, denn nur die Raupe ist es, die den schönen Wollstoff im wahren Sinne des Wortes abmäht und das Tuch dadurch schäbig macht, woher auch die Bezeichnung Schabe für die Kleidermotte herrühren mag. Vielfach herrscht noch der Glaube, daß der Motten schmetterling als solcher unsere Kleider verwüstet; das ist aber nicht richtig, denn die Motte hat keine derartigen Freß- Werkzeuge, um die Wollfasern oder Pelzhaare zernagen zu können. So friß: sich nun die Raupe langsam, aber sicher durch den Sommer und Herbst hindurch, und wenn d-r erste Frost ihr auch in dem Kleiderschrank zu ungemütlich wird, spinnt sie sich mit dem Hüllsäckchen an dem einen Ende fest, schließt die offene Seite und legt sich zum Winterschlafe nieder. Erst im Frühjahr erwacht sie unvcrwandelt und nun erfolgt, nachdem sie sich auch gehörig genährt hat, erst im Mai etwa die Verpuppung, die nur kurze Zeit andauert, denn nach un gefähr zwei Wochen entschlüpft aus der gelbbraunen Puppe der zierliche Motterstchmetterling, und wir versuchen den Kampf mit dem kleinen llngeheuerchen aufzunehmen. DaS Wegfangen einiger Motten genügt nicht, ebenso wie es nicht genügt, wenn wir vor Antritt unserer Sommer- reise alles, was Kleider, Pelze, Polstermöbel und dergleichen heißt, mit großen Mengen Kampfer, Naphtalin und sonsti gen Mottenmittelchen bestreuen, die den Stoffen in der Hauptsache einen nicht gerade angenehm zu nennenden Ge ruch geben, der ihnen bis in den Winter hinein anhaftet. Schier unzählig sind die fast täglich auaeprieienen Mot- tcnmittel, die sich getrost in Bezug auf die Menge mit den Zahnweh- und Rheumatismusmitteln messen können und häufig mit ihnen nur gemein haben, daß sie meist nicht nutzen, zun! mindesten das Unheil aber nicht mit der Wurzel a.usrotten.