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Anterbaltnngs-Beilage -er Sächsischen volkrzeitung^ Nr. s8 Sonntag den 4. Rlai l9^3 Ave Maria. Kirchlein, bescheiden hinter dem walle ^-^Schlichter Gebäude schämig versteckt, Welche Gefühle, ärmlich« Halle, Hat mir dein Anblick im Buse« erweckt! Würdiger Tempel mußt' ich gedenken, Nagender Dome am blitzenden Rhein, Festen des Glaubens, mächtig zu senken Frommedlen Sinn in die Seelen hinein. Fort ihr Gedanken, quälend, bedrückend. Lasset die Heimat, sie liegt ja so fernl Siehe, das Kirchlein kündet beglückend: Hier ist doch auch eine Wohnung des Herrn! Freudig gehoben beschreit' ich die Schwelle, Wische mich unter die betende Schar. Heimlich vertraut ist mir bald die Kapelle, Priester und Diener und Lhor und Altar. Liebliches Vorspiel schmeichelt dem Dhre. Horche! Welch unvergleichlicher Klang Tönt nun herab von der Orgelempore I Weiblichem Munde entquillst der Sang. »Ave Maria" — süßeste Weise Schleicht sich bestrickend ins zitternde Herz. »Ave Maria" — träumerisch leise Taucht es die Seele in Sehnsucht und Schmerz. »Ave Maria" — innerste Tiefen Schließen erschüttert dem Lichte sich auf. „Ave Maria" — Saiten, die schliefen, wehen verhaltene Töne herauf. „Ave Maria" wirbt es und ladet's, Mahnt's und tröstet's innig bewegt, „Ave Maria", friedsam begnadet's, Himmlische weihe hernieder sich legt. Nachklingt im Raum die melodische Welle! Kirchlein, zuerst du so ärmlich mir schienst! Goldig durchstrahlt dich nun zaubriAe Helle! Nie hört' ich herrlicher» göttlichen Dienst! W. N. Sechster Sonntag nach Ostern. ^Evangelium: Zeugnis des heiligen Geistes. Johannes IS u. 16. Der Geist Jesu Christi Die Kirche trägt den Geist Jesu Christi in sich und sucht ihn der Welt einzuimpfen. Dieser Geist aber ist dem Geists der Welt entgegengssetzt. Darum werden beide Mächte mit einander ringen und kämpfen, so lange diese Weltzeit dauert. Der Kampf unserer Zeit gegen die Kirche Jesu Christi ist ein anderer geworden, als er in vorausgegangenen Tagen war. Zwer Merkmale tragt dieser Kainpf gegenwärtiger Tage an sich, welche ihn von den Kämpfen früherer Zeiten wesentlich unterscheiden. Der ganze Bestand des Christen tunis wird gegenwärtig in Frage gestellt und geleugnet. Nicht mehr frägt der Unglaube, ob eine oder die andere Wahrheit des heiligen Glaubens in diesem oder in einem entgegengesetzten Sinne aufgefaßt oder gelehrt Werden müsse. Es gilt ihm gleich, welche von den verschiedenen Kon fessionen die Wahrheit in sich trage. Der Unglaube leugnet das ganze Christentum und bohrt an den Grundpfeilern und Säulen der Religion überhaupt. Die Existenz eines persönlichen Gottes, die Unsterblichkeit unserer Seele, di- Existenz unseres Geistes, der Glaube an die Gotthert Jesg Christi und alle anderen Fundamentallehren des Christen tums sind dem Unglauben eine Erfindung der Priester und eine Lüge, die als Aberglaube einer längst vergangenen Zeit vor dem Lichte unseres Jahrhunderts nicht mehr besteheg könne. Dann ist der ganze Kampf der Zeit gegen den heiligen apostolischen Stuhl gerichtet. In richtiger Erkenntnis weitz der Unglaube, daß die Vernichtung des Mittelpunktes dex Kirche der sichere Todesstoß ihrer ganzen Existenz wäre; und er führt den Kampf mit allen seinen Waffen gegen den Stuhl des heiligen Petrus und gegen denjenigen, der als. der Nachfolger des Apostelfürsten auf ihm sitzt. Unsere Zeit hat eine große Aehnlichkeit mit den Tagen der ersten Christen. Damals stand die Kirche des Herrn einer heid nischen Welt gegenüber, die in Unglauben und in Laster haftigkeit versunken war; und in unseren Tagen sehen wir wiederum ein neues Heidentum mit allen Lastern und dem Unglauben des ersten sich ausbreiten. Nur andere Worte, christliche Phrasen und Ausdrücke bedecken den tiefen Ab grund, der unter unseren Füßen sich aushöhlt. Welches find nun aber die Pflichten, die wir in Unsere- gegenwärtigen Weltlage zu erfüllen haben? Wir müssen^ wie einst die Apostel, Christi Geist betätigen. Der Geist Jesu Christi ist unsere Erlösung und Er* rettung mitten in einer sündhaften und verderbten Zeit, Er lehrt uns, unser eigenes Leben und die Welt um uns nt ihren Gütern, Lüsten und Freuden in Wahrheit zu würdige« und zu verachten Der Geist Jesu Christi pflanzt uns andere Gedanken und Wünsche ein, als der Geist der Welt und ds- Sünde, der sich in uns regt: und er hebt uns zü höheren Hoffnungen und Erwartungen empor. Nur dann, wenn dieser Geist unseres Heilandes uns durchdringt, und wie eine zweite Seele in uns wirkt, sind wir wahrhafte Jünger desselben. Wer den Geist der Armut und Keuschheit, der Sanftmut und Demut, der Liebe und Versöhnung, der Wohltätigkeit und der Erbarmung, den ganzen Geist Jesu Christi, nicht in sich trägt, wie der Heiland in seinen Worten und in den Gleichnissen des Evangeliums ihn uns gelehrt und in seinem Leben selbst geoffenbart hat, der verdient nicht den Namen eines Christen. Alle Erfüllung der Gebote unseres heiligen Glaubens ohne tieferes Leben in dem Geiste des Heilandes ist ein seelenloser Mechanismus, der eines Jüngers Jesu Christi unwürdig ist und uns nicht selig machen kann. Das Prahlen mit katholischer Gesinnung und das Pochen auf Nechtgläubigkeit ist eine Lüge und Heuchelei, wenn nicht der Geist Jesu Christi in uns lebendig ist. Seid nicht ähnlich dieser Welt, sagt der Apostel, sondern seid um gewandelt durch Erneuerung eures Sinnes, daß ihr be wahret, was Gottes Wille ist, das Gute und Wohlgefällige, ünd das Vollkommene (Nöm. 12. 2). Weil ihr Söhne seid, so hat Gott den Geist seines Sohnes in eure Herzen ge- 'cmdt (Tal. 4. 6). Mit diesem Geiste Jesu Christi erfüllt steht der Christ, wie einstens die Apostel, mitten in unserer ungläubigen Welt, welche diesen Geist verachtet und von sich stößt, und