Musik aus kunstvoller Stilisierung - als etwas Igor Strawinsky Körperhaft-Begreifbares - bildhaft und tänzerisch der eigenen Kunstaus übung. Wie sein Freund Pablo Picasso, der bei fast jedem Bild eine neue Technik auspro bierte, stellte sich Stra winsky ständig neue Aufgaben und versuch te, neue Ausdrucksmit tel zu ergründen und in andere musikalische Be reiche vorzustoßen, nie mals an dem einmal er reichten Leistungs- und Erkenntnisstand hän genzubleiben. Niemand hat die Ausdrucksfor men so oft, so völlig und so brüsk gewech selt wie er. Seine Neu gier war die Triebfeder für alles. Sie zeichnete ihn aus, gab aber auch vielfachen Anlaß zu Verwirrungen sowohl Der Komponist als Dirigent (1958) O hne Zweifel gehört Igor Strawinsky zu den namhaftesten Komponisten unseres Jahr hunderts. Kaum ein anderer Autor - Arnold unter Gegnern als auch Freunden. Es mochte für den einen bewundernswert, für den anderen pro blematisch sein, mit welchem Selbstverständnis Schönberg ausgenommen - hat so starken Ein fluß auf unsere Zeit genommen wie er. Aber die Wirkung von beiden ist grundverschieden. Der Russe befruchtete ganz unbewußt zahlreiche Komponisten, die sich von seinen Klängen, seiner Dissonanzenbehandlung, seinen Formversuchen und seinen Erneuerungen auf dem Gebiet der Instrumentation angezogen fühlten. Der Wiener „Neutöner“ aber gründete eine regelrechte „Schule", um seine Lehre von den „zwölf nur auf einander bezogenen Tönen“ in die Welt zu tra gen. Und daß Strawinsky ein so ganz anderer Menschen- und Künstlertyp war als Schönberg, zeigt auch sein unkonventioneller Umgang mit sich Strawinsky innerhalb der einzelnen musika lischen Stile bewegte und sie alle freimütig be nutzte. So experimentierte er mit dem Jazz und mit der Dodekaphonik (Zwölf-Ton-Musik), wen dete italienischen Belcanto ebenso an wie russi sche Folklore, liebte die Klassik der Haydnschen Sinfonik nicht weniger als das postromantische Superorchester oder mischte die strenge Poly- phonie der altniederländischen Schule mit sur realistischen Übertreibungen. Er benutzte diese unterschiedlichen Stilrichtungen als eine eigene Spiegelung in fremder Musik, nahm sie auf, ahm te sie jedoch nie gänzlich nach, tat nur gele gentlich so, als wolle er kopieren. DRESDNER PHILHARMONIE geb. 5.(17.)6.1882 in Oranienbaum (St. Petersburg); gest. 6.4.1971 in New York 1903 in St. Petersburg Privatschüler von Rimski-Korsakow 1905 Diplom in Rechts wissenschaft 1909 Zusammentreffen mit Diaghilew, für dessen „Ballets-Russes" er mehrere Werke kompo nierte und in Paris auf führte 1910- 1914 Aufenthalt in der Schweiz, lebte seither im Exil 1920-.1939 lebte in Frankreich, wurde 1934 französi scher Bürger, ging nach Kriegsbeginn in die USA (Kalifornien), 1945 amerikanische Staatsbürgerschaft 10 11