Zum Programm DRESDNER O PHILHARMONIE Z wei kirchliche Werke stehen sich gegenüber, eine Kantate von J. S. Bach und die kleinere der beiden Messen Beethovens, die in C-Dur. Da kann sich die Frage stellen, ob eine Beziehung zwischen beiden Kompositionen besteht. Doch zwischen Bach und Beethoven liegen Welten, rund 100 Jahre zwischen der Entstehung beider Werke, und damit eine unvorstellbare Entwick lung der musikalischen Gestaltungs- und Aus drucksweise. Daraus resultieren eher Unterschiede, und sie könnten den Reiz einer solchen Werk- Gegenüberstellung ausmachen. Wenigstens aber gleicht sich der Ausgangspunkt für die Schaffung solcher Werke. Sie sind entstanden zum Lobe Gottes und zur Erhebung der menschlichen Seele. Nur die Fierangehensweise beider Schöpfer war sehr unterschiedlich. Bach, streng gläubig, aufgewachsen in einer tief wurzelnden evangelischen Tradition, komponierte immer zum Lobe Gottes, gleichgültig, welches Genre er gerade bediente. Beethoven aber wende te sich direkt an den Menschen. Für ihn galt das altgriechische Ideal der Läuterung. Der Mensch solle durch Gefühl und Vernunft einer höheren Bestimmung zugeführt werden, und seine - Beet hovens - Musik könne dies vermitteln. Der Kom ponist wendete sich an innerlich freie Menschen. So wurde es Beethovens Thema, seine „Helden“ durch Nacht zum Licht zu führen, dem Schicksal in den Rachen zu greifen und kraftvoll das eige ne Leben zu bestimmen. Beethoven sah sich selbst, spiegelte sich in seinem eigenen Gottesbild, dem Wesen des Göttlichen, das im Menschen ver ankert ist. Die Natur war seine Gottheit. Sie hat te ihn gelehrt, jede Erscheinung als Spiegel göttli chen Wesens aufzufassen und zu ehren. So sah er sich selbst als Gefäß überirdischer Offenbarungen. Die Lehre von der Natur in Gott und Gott in der Natur, von der Erscheinung Gottes im Allwesen der Welt steigert sich hier zur mystischen Erkenntnis Gottes in einer einzigen schaffenden Individualität, in seiner - Beethovens - eigenen.