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ZUR EINFÜHRUNG Spieldauer: ca.: 36 Minuten Die natürlich strahlende "Zweite" - entstanden während Beetho vens beginnender Ertaubung © Hört man heute Ludwig van Beetho vens 2. Sinfonie op. 36 in D-Dur, dieses heitere, freudige Werk, so kann man die teilweise Ratlosigkeit der Zeitge nossen des Meisters nicht verstehen, die das Opus als „zu lang und einiges über künstlich" bezeichneten. Gewiß, über ir gendwelche freundlichen musikalischen Unverbindlichkeiten und die einfache Erfüllung formaler Gesetzmäßigkeiten setzt sich Beethoven auch mit diesem sinfonischen Werk hinweg, gibt sich aus künstlerischem Zwang seine eigenen Gesetze, doch künstlich ist nun wahr lich nichts an der natürlich strahlenden "Zweiten". In der Nachbarschaft des c-Moll-Klavier- konzertes, des „Prometheus"-Balletts um 1802 entstanden, gibt die Sinfonie kaum Kunde von dem erschütternden Schicksal des Meisters, das sich gerade in dieser Zeit zur Gewißheit verdichtete, seiner Ertaubung. Das „Heiligenstädter Testa ment" hat in diesem Werk musikalisch keinen Niederschlag gefunden, obschon es zur Entstehungszeit der zweiten Sinfo nie auf dem Höhepunkt dieser persönli chen Krisis des Meisters niedergeschrie ben worden ist. Ähnlich der Überwindung der Tragik der g-Moll-Sinfonie durch die Jupitersinfonie im sinfonischen Spätwerk Mozarts ringt sich auch Beethoven zur männlich kraftvollen Freudigkeit der "Zweiten"durch. Sein Bekenntnis „Ich will dem Schicksal in den Rachen greifen, ganz niederbeugen soll es mich gewiß nicht. Oh, es ist so schön, das Leben tau sendmal leben" findet zumindest in sei nem Schlußsatz durch die zweite Sinfo nie seine klingende Bekräftigung. Gemeinsam mit einer Wiederaufführung der ersten Sinfonie, der ersten Aufführung des drit ten Klavierkonzertes in oMoll und des Oratori ums „Christus am Olberg" fand die Urauffüh rung der DDur-Sinfonie in einer großen Aka demie am 5. April 1803 im Theater an der Wien unter Beethovens Leitung statt. Schon der erste Satz zeigt, wie weit Beet hoven über seine Vorbilder hinaus geht, wie persönlich er die Form des Sonaten hauptsatzes erfüllt, ja sogar, wenn seine gedanklichen Intentionen es erfordern, gewisse Gesetze umstößt. Eine gewichti ge langsame Einleitung - Adagio molto - eröffnet das Werk. Oboen und Fagotte tragen eine cantable Weise vor, die von den Streichern übernommen und aus geziert wird. Doch sie kann sich nicht recht entfalten: impulsive Zweiund- dreißigstelabstürze wechseln sich in Strei chern und Bläsern ab, das friedvolle Bild zerstörend. In machtvollem Crescendo steigert sich diese Bewegung zu einem markant rhythmisierten d-Moll-Dreiklang- absturz, Vorahnung des ersten Satzes der Neunten Sinfonie. Langsam tritt Beruhi gung ein. In kleinen Trillern der Flöte er kennen wir ein Hauptmotiv des letzten Satzes. Dann leitet ein rascher Lauf der Violinen zum Allegro con brio über. Aus einer motivischen Sequenz und einem Dreiklangabstieg besteht das erste The ma, von den tiefen Streichern nicht son derlich markant vorgetragen, dann schon intensiver von den ersten Violinen über nommen. Auch das zweite Thema zeigt sich noch nicht gleich in strahlender Grö ße. Holzbläser stellen das marschähnlich klingende Thema vor, das dann in der Mollvariante stolz emporragt. Hier hat Beethoven die üblichen Charaktere der Hauptsatzthemen umgetauscht, gewinnt aber auch aus dieser Kombination dra matische Entwicklungen. Eine Steigerung führt zum verminderten Septakkord des Tutti-Orchesters, langsam rollen dann im Pianissimo die Sechzehntelfiguren des er sten Themas an und bringen die Exposition zu einem kraftvollen Abschluß. Die spannungsgeladene Durchführung, die gegenüber der ersten Sinfonie schon erheblich umfänglicher und bedeuten der geworden ist, wird vor allem durch das Kopfthema des Satzes bestimmt.