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tw ''V *V-V.** . Wy- ? i »,1 rt N. 1jL,4<XU '• ( ' -»w # *■'■*' v - ' *x+ *' /t ty^4v'."'^ .. .5.1 suchen. Nie war bis dahin ein so realisti scher Stoff auf einer Opernbühne darge stellt worden, und nie waren die Figuren eines Opernstoffes ausnahmslos einfache Menschen aus den unteren Schichten der Gesellschaft. Das Urteil der Pariser laute te: „Welche Realistik, aber was für ein Skandal!". Bizet mußte erleben, daß er mit der Her ausbildung eines eigenen Stils immer we niger Anerkennung fand. „Musiki Welch hohe Kunst, aber welch trauriger Beruf! sagte er einmal. Er hatte Erfolg, als er als Schüler des Conservatoire noch von den Vorbildern Gounod und Meyerbeer stark beeinflußt war. Doch er strebte nach et was völlig Neuem. Er suchte eine Form, die realistische, d.h. für das Publikum nachvollziehbare Gefühle widerspiegeln konnte. Er entwickelte eine Charakterisie rungskunst, in derer kennzeichnende The men für einzelne Träger der Handlung ein führte, die aber wesentlich dramatisch und nicht nur rein musikalisch motiviert sein sollten. So kehren z.B. in „Carmen" Me lodien, die am Anfang des Stückes mit Carmen, Micaela und Escamillo verbun den sind, im weiteren Verlauf häufig wie der; die des Jose tun das nie, denn die Wandlung seines Charakters läßt kein einziges musikalisches Motiv durchge hend als passend zu ihm erscheinen. Gerade dieser Realismus in den Werken Bizets war es, der die Menschen schok- kierte. In der Oper erwartete sie keine „heile Welt" mehr, sondern sie wurden mit beinahe dämonischen Gefühlen kon frontiert, die jeder in sich nachvollziehen konnte. Die Kritiker verurteilten die Musik fast durchgängig. Einige warfen Bizet „Wagnerianismus" vor (ganz im Gegen satz zu Friedrich Nietzsche, der in seiner Schrift „Der Fall Wagner" Bizet auf Ko sten Wagners lobte), andere meinten, der Oper fehle es an Melodik. Trotzdem er lebte die erste Inszenierung der Oper in Paris 1875 49 Vorstellungen, eine Zahl, < *** “T . ,y„- r< ... !. S * *- / y? * /- K *"irv-—'•* - ~ ‘ ~ ^ ^ iu OV _ ^ ' • rr , fu t-~ *** ■ - y, J U' ' r , 0\ * . ■ . , 0/ C" r-"^4~ ’ IW' ~ 4 ■ die es nicht rechtfertigt, von einem Durch fall zu sprechen. Am Abend der 33.Vorstellung - am 3.Juni 1 875 - starb Bizet auf seinem Landsitz in Bougival. Zu seiner Beisetzung kamen fast 4000 Menschen, obwohl er nie ein wirk lich erfolgreicher und anerkannter Kom ponist gewesen war. Noch im qieichen Jahr wurde „Carmen" in Wien in deutscher Sprache aufgeführt, was die Oper international bekannt mach te. Bizets Studienfreund Ernest Guiraud hatte die gesprochenen Dialogtexte der Originalfassung unter Verwendung Bizetscher melodischer Wendungen und harmonischer Formeln mit feinem Taktge fühl in Rezitative umgewandelt. In dieser bei Choudens Paris verlegten Fassung wurde die Oper weltberühmt und erklingt sie auch heute abend. Erst nach acht Jah ren kehrte „Carmen" - übrigens in der Ori ginalfassung - nach Paris an die Opera Comique zurück, wo dann niemand mehr die einstige kühle Aufnahme, ja Ableh nung verstehen konnte. (E.T.) Bizets Handschrift der Habanera mit Anweisung an den Librettisten Halevy 9