Zwei weitere Themen werden ebenfalls durch Tempo wechsel abgesetzt (Vivace / Poco meno mosso). Gegenüber dieser Exposition werden die Reprise etwas verkürzt sowie instrumentatorisch verändert und in die Satzcoda (Allegro) eine auskomponierte Solokadenz eingeschoben. Der zweite Satz findet erst nach einlei tenden Orchesterakkorden zu seiner Grundtonart D-Dur und zu einem zunächst relativ schlicht vom Soloinstrument vorgetragenen, später sich in allerlei Umspielungen auflösenden Thema. Der dritte orien tiert sich ebenfalls an der Sonatenhauptsatzform, jedoch mit einem langsameren Kontrast-Mittelteil (Andante ma non troppo) anstelle einer themenverar beitenden Durchführung. Brahms hat sich, ähnlich wie Beethoven und Bruckner, erst im reifen Mannesalter dem symphonischen Schaffen zugewandt, nachdem er bereits auf anderen Gebieten mit einer stattlichen Reihe von meisterlichen Schöp fungen hervorgetreten war. An orchestralen Werken hat er vor seiner 1. Symphonie mehrere Chorwerke, das Klavierkonzert Nr. 1 (1853), zwei Serenaden sowie die Variationen über ein Thema von Haydn (1873) geschaf fen. Der Meister war sich sehr wohl der Schwierigkeit bewußt, in der Form der Symphonie noch etwas Voll gültiges aussagen zu können, da ihm hier die Aus drucksmöglichkeiten in einem schwerlich zu überbie tenden Maß durch Beethoven ausgeschöpft erschie nen. So kam es, daß er auf symphonischem Gebiet nur zögernd zu Werk ging und es vergingen vom Beginn der Beschäftigung mit der 1. Symphonie bis zu ihrer Vollendung vierzehn Jahre. Allerdings konnte er dafür der Musikwelt ein ausgereiftes Meisterwerk vorlegen, das seiner Kunst neue Freunde und Förderer gewann. Die Skizzen zur 1. Symphonie reichen bis in den Som mer 1862 zurück. Im September 1876 wurde das Werk in Baden-Lichtental vollendet. Die Uraufführung fand mit ansprechendem Erfolg am 4. November 1876 in Karlsruhe statt. Mit dem großartigen Wurf der 1. Symphonie erschien Brahms seinen Zeitgenossen als legitimer Nachfolger Beethovens. So bezeichnete Hans v. Bülow, der kriti sche Beurteilungen in geistreiche Bonmots zu kleiden pflegte, sie als „die Zehnte“, womit er zum Ausdruck