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Eine starke Verwurzelung in Volkstraditionen begegnet uns in der Musik von Ernest Bloch, der seit 1915 zu einem der wichtig sten Erneuerer der jüdischen Musik auf der Grundlage hebräischer Überlieferungen wurde. 1889 in Genf geboren, emigrierte er 1916 in die USA, erhielt 1924 die amerikanische Staatsbürgerschaft und kehrte 1930, Genesung suchend, in die geliebte Bergwelt der Schweiz zurück. Doch die Judenverfolgungen in Deutsch land und die Machtausbreitung des National sozialismus, verschärft noch in der Phase der Vorbereitung des zweiten Weltkrieges, trieben ihn 1939 fluchtartig in die USA zurück, die ja auch anderen Komponisten wie Igor Strawinsky, Arnold Schönberg, Paul Hindemith, Bela Bar- tök, Ernst Krenek Zufluchtsstätten boten. Wie in den zwanziger Jahren unterrichtete er in San Francisco am Konservatorium und gewann be deutenden Einfluß auf junge amerikanische Komponisten. 1959 starb er in Portland im Staate Oregon, hoch geachtet als Komponist, Geiger, Dirigent und Kompositionslehrer. Bloch schuf sakrale Kompositionen, Lieder, Or gel- und Klaviermusik, Kammermusik (darunter drei bedeutende Streichquartette und das heute erklingende Klavierquintett aus seiner letzten Schaffenszeit), sinfonische Dich tungen, Sinfonien sowie konzertante Werke (wie die Hebräische Rhapsodie „Schelomo", die unser Solocellist Matthias Bräutigam am 6. und 7. Januar 1990 unter der Leitung des tschechischen Gastdirigenten Libor Pesek zur Dresdner Erstaufführung brachte). Bis etwa 1914 stand sein Schaffen unter dem Einfluß spätromantischer und impressionistischer Kom ponisten. Danach bekannte er sich ausdrück lich zu den Wurzeln seiner jüdischen Herkunft, zu einem inspirationsbetonten, stark expressi ven Komponieren. Auch im Klavierquintett be stätigt sich die ausgeprägte geistige Eigenart dieser interessanten Künstlerpersönlichkeit. Marie-Alexis Vicomte de Castil- lon de Saint-Victor entwickelte früh zeitig und auch neben seiner militärischen Ausbildung musikalische Neigungen, die ihn sich bald von einer ursprünglich angestrebten Offizierslaufbahn trennen ließen. Zwei Jahre studierte er sodann bei dem Opernkomponi sten Victor Masse in Paris. Doch erst in Cesar Franck fand er den Meister und Freund, der sein Talent zum Aufblühen brachte. Er vernich tete alles, was er vorher geschrieben hatte, und gab dem ersten Werk, das er nach der Be kanntschaft mit Franck komponierte, dem Klavierquintett, die Opuszahl 1. Bach, Beethoven und die deutschen Romantiker — besondere Schumann — waren die Vorbildei^^ seine Kompositionen, einige Kammermusikwer ke, Klavierstücke, Lieder, wenige sinfonische Arbeiten, eine Vertonung des Psalmes 84 für Soli, Chor und Orchester, die, alle zwischen 1868 und 1873 entstanden, Zeugnisse eines ori ginellen Talentes sind, das zu großen Hoffnun gen berechtigte, jedoch infolge des frühen To des nicht zu voller Entfaltung gelangte. (Ein Verleger behauptete sogar, er hätte ein zwei ter Beethoven werden können.) Das Publikum seiner Zeit verstand freilich die Poesie und kühne Gedankenhöhe der Kunst Castillons nicht. Man hielt ihn für einen Dilet tanten. Dabei war insbesondere seine Kammer musik der erste Versuch seiner Art in der fran zösischen Schule (vor ihm hatten nur Saint- Saens und Lalo etwas Kammermusik kompo niert), und auch sein Liedschaffen besaß vor- wärtsweisende Bedeutung. Castillon gründete übrigens im Februar 1871 mit Romain Bussine, Saint-Saens und seinem Freund Henri Duparc die Societe Nationale de Musique zur Förde rung der neuen französischen Musik. VORANKÜNDIGUNG : Sonnabend, den 3. März 1990, 19.30 Uhr (Anrecht D) Haus der DSF (Blockhaus) 5. KAMMERKONZERT Ausführende: Frank Petzold, Klavier Mitglieder der Dresdner Philharmonie Werke von Frank Petzold, Hans Vogt, Rainer Lischka, Ludwig van Beethoven, Franz Benda, Jan Baptist Van- hal. Programmblätter der Dresdner Philharmonie Redaktion: Prof. Dr. habil. Dieter Härtwig Chefdirigent GMD Jörg-Peter Weigle — Spielzeit 1989/90 Druck: GGV, BT Heidenau 111-25-16 0,1 JtG 009-5-90 EVP —.10 M