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3. PHILHARMONISCHES KONZERT 1. JUGEND-KONZERT Festsaal des Kulturpalastes Dresden Sonnabend, den 2. Dezember 1989, 19.30 Uhr Sonntag, den 3. Dezember 1989, 19.30 Uhr Montag, den 4. Dezember 1989, 19.30 Uhr pNIhairnnonte Joseph Haydn 1732-1809 Sinfonie Nr. 86 D-Dur Adagio — Allegretto spiritoso Capriccio (Largo) Menuett (Allegretto) Allegro con spirito PAUSE Igor Strawinsky 1882-1971 Oedipus Rex Opern-Oratorium in zwei Akten Dichtung nach Sophokles von Jean Cocteau Lateinische Version von Jean Danielou Solisten: Miroslav Svejda, CSSR, Tenor (Oedipus) Jirina Privratskä, CSSR, Mezzosopran (Jokaste) Jürgen Kurth, Leipzig, Bariton (Kreon; Bote) Roland Schubert, Leipzig, Baß (Teiresias) Alexander Plust, Dresden, Countertenor (HirO^ Sprecher: Wolfgang Gorks, Dresden Chöre: Prager Männerchor Mannorchor des Matienalthaateri Prng Einstudierung Milan Maly Dirigent: Milan Horvat, SFR Jugoslawien MILAN HORVAT, 1919 in Pakrac bei Zagreb geboren, zu den prominentesten jugoslawischen Dirigenten. d^^Ädierte in Zagreb Rechtswissenschaft (er promo- • auf diesem Gebiet) und an der dortigen Musik akademie Klavier, Komposition und Dirigieren. Seine künstlerische Laufbahn begann er als 1. Kapellmeister der Zagreber Philharmonie, zu der er in den Jahren 1958—69 und 1977—82 als Chefdirigent zurückkehrte und die ihn 1988 zum Ehren-Chefdirigenten auf Lebens dauer ernannt hat. 1948—53 lehrte er als Professor für Dirig' eren an der Musikakademie Zagreb. Weitere Sta tionen waren die Chefdirigentenposition des Dubliner Sinfonieorchesters und des österreichischen Rundfunk- Sinfonieorchesters in Wien sowie seit 1975 eine ordent- Das Konzert wird vom Sender Dresden aufge zeichnet und im „Dresdner Abend" am 12. De zember 1989 übertragen. ZUR EINFÜHRUNG Joseph Haydn: Sinfonie Nr. 86 In Joseph Haydns Sinfonie Nr. 86 D-Dur (1786), der fünften Pariser Sinfonie, begeg net zweimal die Kennzeichnung „spiritoso" bzw. „con spirito". Auch ihr zweiter Satz hätte sie verdient, wäre nicht mit „Capriccio" be reits etwas Ähnliches angesprochen. Da Haydn mit derlei Zusätzen sparte, fällt eine solche Häufung auf. über dies Werk hinaus aber trifft „spiritoso" ganz allgemein einen Grund zug seiner Musik, eben jenen, den sie mit dem fortschrittlichen Denken jenes Landes gemein sam hat, für das er hier komponierte: Haydns Musik ist immer geistvoll, in der Souveränität der Mittel und der aufgeklärten Durchsichtig keit der gedanklichen Bezüge ebenso wie im intellektuellen Niveau, in ihrem Humor und in ihrer Aktivität. Bis in Einzelheiten ließe sich Voltaires Definition von „esprit" auf Haydns Musik übertragen: „Was man esprit nennt, ist bald ein neuer Vergleich, bald eine feine An spielung . . . bald eine zart angedeutete Be ziehung zwischen zwei ungewöhnlichen Ge danken oder ein eigentümliches Gleichnis . . . Es ist die Kunst, entweder zwei entfernte Din ge zu verbinden oder zwei Dinge zu trennen, die sich zu berühren scheinen, oder sie einan der entgegenzusetzen . . . Esprit ist etwas an deres als Urteil, Genie, Geschmack, Bega bung, Durcharbeitung, Grazie, Feinheit; aber er muß von allen diesen Vorzügen etwas ha ben. Man könnte ihn als schöpferische Ver nunft bestimmen." Esprit bekundet sich auch darin, wie Haydn mit Hörgewohnheiten und -erwartungen spielt: In der fünften Pariser Sinfonie scheint der breite melodische Vortrag der langsamen Ein leitung ein gewichtiges Hauptsatzthema an zukündigen. Indessen erscheint hier etwas, was eher wie ein Nachsatz anmutet zu einem Vor dersatz, der nicht erklungen ist. Als ob wir etwas verpaßt hätten, befindet sich dieses Al legro spiritoso sogleich „mittendrin" und zu nächst gar abseits von der Haupttonart; es will davoneilen, weshalb ein kontrastierendes Motiv energisch bremst und festhält. Aus die sen Prägungen weiß Haydn fortspinnend, ver wandelnd und kontrapunktierend so viel zu gewinnen, daß das kurzatmige Seitenthema Episode bleiben muß. Die geistvolle „Enttäuschung" vom Beginn des ersten wiederholt und vertieft Haydn im zwei ten Satz. Wie um den Bezug zu unterstreichen, setzt er stets bei einem Dreiklang an, der kon- trapunktisch zur Melodie am Beginn des Wer kes erschien, überhaupt klingt dieser Satz im mer wieder wie eine langsame Introduktion, wie Vorbereitung und Hinleitung, unterbro chen durch Überraschung und plötzliche Um schläge von gravitätischer Feierlichkeit zu dra matischen Partien, vom schweren Maestoso zu fast tändelnden Charakteren, ohne daß je ein Thema als Hauptgegenstond präsentiert wür de. Indem sich das originelle Stück kapriziös jeder Eindeutigkeit entzieht — am ehesten noch wäre es als freie Variation zu fassen —, macht es seinem Namen alle Ehre. Im Menuett zeigt Haydn, wie sich auch ein solcher vorgeprägter Typus nahezu sonaten- haft gestalten läßt: Im zweiten Teil zerlegt er zunächst den stampfenden Gleichschritt des Themas, schichtet dieses sodann imitierend, er findet ihm einen neuen Nachsatz und schickt der „Reprise" nach einer überraschenden Fer mate gar eine kleine Koda nach. Nach dem behäbig-schweren Menuett kommt das Trio mit solistischen Bläsern und Pizzikati leicht füßig daher; zu Beginn des zweiten Teils kehrt Haydn die Melodie des ersten um. Zum Esprit gehört nicht zuletzt Knappheit, setzt er doch ein Gegenüber voraus, das rasch auffaßt und betuliche Wiederholungen über flüssig macht. Der Schlußsatz der Sinfonie gibt dafür ein Musterbeispiel. Genial sicher trifft Haydn im Thema den Tonfall eines sprühen den Finales. Die Prägung ist so tragfähig, daß es als zweites Thema nur eines „Absenkers" bedarf. Rasch folgen die Ereignisse aufein ander und fordern ein hellwaches Mitgehen, will der Hörer von ihnen nicht „überrollt" werden, sondern sie erfassen. Die Reihenfolge der sechs Pariser Sinfonien hat Haydn mögli cherweise auch im Sinne einer Steigerung dis poniert; erst in den beiden letzten werden Trompeten und Pauken verwendet, in der fünften vornehmlich an den spezifischen Klang der Tonart gebunden. ( Igor Strawinsky: Oedipus Rex — Opern-Oratorium Handlung Ort: Theben Zeit: Mythisches Altertum Prolog. Es wird berichtet: Oedipus, Sohn des thebanischen Königs Laios und der Jokaste,