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„Don-Juon"-Thema, dessen stürmisch-glutvol le, verführerische Klanggestalt den unwider stehlichen Kavalier und Abenteurer symboli siert. Ein verzücktes Violinsolo deutet auf ei ne schwärmerische Frau, die in Don Juans Bann gerät. In einer neuen Liebessituation zeigt uns sodann eine seufzende Oboenme lodie den Helden. Plötzlich tritt - in den Hör nern, von den Violinen umschwirrt - das sug gestiv-prägnante, sehr energische zweite „Don-Juan"-Thema auf: Der Höhepunkt des Werkes ist erreicht. Don Juan gelangt zur Be sinnung, der Sinnenrausch verlöscht. Nach äußerst klangvollen Steigerungen kommt es zu einem Moll-Ausklang, der wie eine Auflösung ununterbrochener Spannungen wirkt. Beethoven in der zwischen Werken kraft- mehr lyrisch- Wie Ludwig van Reihe seiner Sinfonien voll-männlichen und anderen weiblichen Charakters abwechselte, steht auch sein 4. Klavierkonzert G-Dur op. 5 8 ein wenig träumerisch zwischen dem he roischen c-Moll und dem grandiosen Es-Dur- Konzert. Erstmalig aufgeführt wurde dieses Werk, von Beethoven selbst gespielt, im März 1807 bei einer seiner Akademien im Palais Lobkowitz in Wien. Der bekannte Lie derkomponist und Musikschriftsteller Johann Friedrich Reichardt, der das Konzert bei ei ner Wiederholung im Dezember des folgen den Jahres zusammen mit zahlreichen ande ren Kompositionen Beethovens hörte, berich tete darüber: „Das achte Stück war ein neues Pianofortekonzert von ungeheurer Schwierig keit, welches Beethoven zum Erstaunen brav in den allerschnellsten Tempis ausführte. Das Adagio, ein Meistersatz von schönem durch geführten Gesang, sang er wahrhaft auf sei- •i Instrumente mit tiefem melancholischen ühl, das auch mich dabei durchströmte." In der Tat ist im G-Dur-Konzert die Form des Solokonzertes mit Orchester in ganz idealer Weise gemeistert. Der Solist, dessen virtuos- pianistische Forderungen nie außer acht ge lassen, aber geistvoll als organischer Be standteil des Werkes eingesetzt werden, und das Orchester sind hier durchaus selbständige und doch motivisch-thematisch aufs genialste miteinander verknüpfte Partner. Sie dienen gemeinsam der sinfonischen Idee, die die drei kontrastierenden Sätze des Werkes zu einer entwicklungsmäßigen Einheit verbindet, so daß man hier, wie auch beim Es-Dur-Kon- zert, mit vollem Recht von einer „Klaviersin fonie" sprechen kann. Als Kernstück des Kon zertes, in dessen Grundhaltung die lyrisch idyllischen Züge dominieren, ist der dialogi sierende Mittelsatz mit seinem poetischen Gegenspiel von Klavier und Orchester anzu sehen. Der erste Satz (Allegro moderato) bringt zu Beginn, solistisch vorgetragen, das zarte, weiche G-Dur-Hauptthema, dessen motivi sche Beziehung zu dem berühmten „Schick salsmotiv" der 5. Sinfonie häufig aufgezeigt wurde. Auf der Dominante endend, erfährt das Thema durch einen plötzlichen Wechsel nach H-Dur eine neue Beleuchtung. Nach ei ner Weiterentwicklung im Tutti erklingt zu erst in den Violinen das stolze, signalartige zweite Thema. Mit diesen Hauptgedanken, die jedoch durch mannigfache neue Seiten gedanken bereichert, vom Klavier in aus drucksvollen Akkordfigurationen umspielt und immer wieder abgewandelt werden, entsteht nun ein wundervolles, von größtem Empfin dungsreichtum zeugendes Zusammenwirken von Soloinstrument und Orchester, das nach der großen Kadenz rauschend-schwungvoll beendet wird. Höchste poetische Wirkungen erreicht der er greifende langsame Satz (Andante con mo to). Einer Überlieferung zufolge soll er von der Orpheussage inspiriert sein und die Be zwingung der finsteren Mächte der Unter welt durch die Macht seelenvollen Gesanges zum Inhalt haben. In leidenschaftlichem Dia log zwischen Klavier und Orchester erfolgt, charakterisiert durch zwei äußerst gegensätz liche Themen, ein düster-drohendes und ein innig-flehendes, diese entscheidende Ausein andersetzung zweier Prinzipien. Der sich un mittelbar anschließende Schlußsatz, ein Ron do, zeigt danach nun in seiner Gestaltung stürmische Lebensfreude, heitere Glücksemp findungen. Phantasievolle Kombinationen des tänzerischen Rondo-Themas und eines lyri schen schwärmerischen Seitenthemas münden in einen glanzvollen Abschluß des Konzer tes. Prof. Dr. Dieter Härtwig Ließ sich Richard Strauss durch Poesie zu seinem „Don Juan" anregen, waren es für Max Reger zur damaligen Zeit sehr be kannte Gemälde des bei den Künstlern der Jahrhundertwende als Vorbild und Anreger bewunderten Malers Arnold Böcklin (1827 bis 1901), die ihn zur Komposition seiner Vier Tondichtungen nach Arnold Böcklin op. 128 veranlaßten. Reger schuf dieses Opus 1913 auf der Höhe seiner Laufbahn als Chefdirigent der Meininger Hofkapelle. In ihm stößt der Komponist be reits zu einer neuen Klassizität vor, und die reichen Erfahrungen als Orchesterleiter auf dem Gebiet der Instrumentierung schlagen sich hier nieder. Seine Tonsprache nähert sich der des Impressionismus von Debussy und Ravel, weist aber auch zum frühen Strawinsky, zu Strauss und Mahler. Den in der Haltung von Mystizismus geprägten, thematisch größ tenteils der Mythologie verbundenen maleri schen Vorwürfen Böcklins entsprechend, sind auch die vier Ton-Bilder Regers mehr epi schen als dramatischen Charakters. Im ersten Stück „Der geigende Eremit" be vorzugt Reger natürlich die Streicher: über einem gedämpften und einem nicht gedämpf ten Streicherchor erhebt sich der ausdrucks volle Gesang der Solovioline. Häufige Stei gerungen und Verminderungen des Tempos intensivieren das sehnsuchtsvolle Gebet, an dem die Holzbläser auf dem Höhepunkt An teil nehmen. Zart, wie das Stück begann, en det es auch. Gegensätzlich ist das zweite Bild „Im Spiel der Wellen", wo man im bewegten Hin und Her romantisch sagenhafte Meeresbewohner wie Tritonen und Najaden sich tummeln sieht. In ständig auf und ab bewegten Figuren der Holzbläser und Streicher scheinen die Wel len auf uns zuzukommen, Gischt spritzt auf, dann beruhigt sich das Meer wieder ein we nig. Erst am Schluß, in einem kleinen Ada gio-Nachsatz, findet das harmonisch beweg te Spiel ein Ende. Ganz auf romantische Stimmung ist der drit te Satz „Die Toteninsel" gestellt. Nach einem gedämpften Beginn erheben Flöte und Eng lischhorn ihren traurigen Gesang. Schroff ra gen Tuttiklänge heraus, gleich den Riffen der unheimlichen Insel. Trompeten und Hörner mahnen. Nach einer großen Steigerung en det auch dieser Satz im Pianissimo-Nebel. Einzig der letzte Satz „Bacchanal" ist drama tischer Natur. In ihm setzt Reger alle instru mentatorischen, aber auch kontrapunktischen Künste ein, um ein überzeugendes, wenn auch manchmal etwas lautstarkes Bacchusfest mu sikalisch zu beschwören, wobei dem Schlag zeug besondere, oft solistische Aufgaben zu fallen. Prograinmblätter der Dresdner Philharmonie Redaktion: Dipl, phil. Sabine Grosse PHILHARMONISCHE NOTIZEN Wir gratulieren Kammervirtuos Karl-Heinz Brückner, Horn, zu seinem 40jährigen Dienst jubiläum in unserem Orchester, das er am 1. September 1988 feiern konnte. Die Philharmoniker spielen unter Leitung von Chefdirigent Jörg-Peter Weigle in dieser Kon zertsaison eine Reger-Schallplatte ein, auf der neben den Mozart-Variationen, die im 3. Philharmonischen Konzert auf dem Pro gramm stehen, die vier Böcklin-Tondichtungen unseres heutigen Konzertes, ebenfalls mit Ralf-Carsten Brömsel als Solist, zu hören sein werden. Am Ende der vergangenen Spielzeit jährte sich der Todestag von Nationalpreisträger Generalmusikdirektor Professor Heinz Bongartz zum zehnten Mal. In den schweren Jahren des Wiederaufbaus nach dem zweiten Welt krieg, von 1947 bis 1964, war Heinz Bongartz Chefdirigent der Dresdner Philharmonie. Sei ner tatkräftigen künstlerischen und energie voll leitenden Arbeit ist es nicht zuletzt zu danken, daß unser Orchester binnen kurzem die Kulturszene unseres Landes wieder in tensiv belebte und erneut internationalen Ruf genoß. Der bei seinem Amtsantritt 53jährige Dirigent formte die Philharmoniker als her vorragender Musiker und erfahrener Orche sterleiter zu einem Ensemble, das in der Ära Bongartz eine in seiner Geschichte bisher nicht dagewesene Blütezeit erlebte. Zugleich schlugen sich die Fähigkeiten des bewußten Kulturpolitikers in einer Konzertorganisation nieder, die bis heute exemplarische Grundla ge für die Dresdner Philharmonie geblieben ist. Seit 1964 ist Heinz Bongartz Ehrenmitglied unseres Orchesters und bis zu seinem Tode am 2. Mai 1978 ist er seinen Philharmonie»^ künstlerisch und persönlich eng verbuwB, geblieben. VORANKÜNDIGUNG: Sonnabend, den 26. 11. 1988, 19.30 Uhr (Anrecht B) Sonntag, den 27. 11. 1988, 19.30 Uhr (Anrecht C 2) Festsaal des Kulturpalastes Dresden 2. Zyklus-Konzert Dirigent: Jean-Claude Casadesus, Frankreich Solist: Msija Gogaschwili, Sowjetunion, Klavier Werke von Catel, Schumann und Strauss Chefdirigent: Jörg-Peter Weigle — Spielzeit 1988/89 Druck: GGV, BT Heidenau 111-25-16 2,85 JtG 009-49-88 EVP -.25 M 1. ZYKLUS-KONZERT 1 988/89