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Der griechische Dirigent Karolos Triko- I i d i s hat anstelle des erkrankten György Lehel, Ungarische VR, kurzfristig die Leitung des heutigen Konzertes übernommen. Der 1947 geborene Künstler studierte u. a. in Wien bei Hans Swarowsky und in Salzburg bei Bruno Maderna. Er ist Preisträger der internationa len Dirigentenwettbewerbe Besancon 1970, Florenz 1972 und Budapest 1977. Seit 1972 lei tet er als Chefdirigent das Griechische Staats orchester Thessaloniki. Als Gastdirigent wirkte er bei vielen namhaften Orchestern westeuro päischer Länder; kürzlich musizierte er zusam men mit Lasar Berman in Australien. Der Künstler produziert Schallplatten bei verschie denen Firmen. ZUR EINFÜHRUNG Richard Wagner hat dem Vorspiel sei ner Oper „Die Meistersinger von Nürnberg" (1867), mit der er eine deut sche Volksoper von echter Volkstümlichkeit ge schaffen hatte, selbst eine Erläuterung gege ben: „Die Meistersinger ziehen in feierlichem Gepränge vor dem Volke in Nürnberg auf; sie tragen in Prozession die Jeges tabulaturae', diese sorglich bewahrten altertümlichen Ge setze einer poetischen Form, deren Inhalt längst verschwunden war. Dem hochgetrage nen Banner mit dem Bildnis des harfespielen den Königs David folgt die einzige wahrhaft volkstümliche Gestalt des Hans Sachs. Seine eigenen Lieder schallen ihm aus dem Munde des Volkes als Begrüßung entgegen. Mitten aus dem Volke entnehmen wir aber den Seuf zer der Liebe, er gilt dem schönen Töchterlein eines der Meister, das, zum Preisgewinn eines Wettsingens bestellt, festlich geschmückt, aber bang und sehnsüchtig seine Blicke nach dem Geliebten aussendet, der wohl Dichter, aber nicht Meistersinger ist. Dieser bricht sich durch das Volk Bahn; seine Blicke, seine Stimme raunen der Ersehnten das alte Liebeslied der ewig neuen Jugend zu. — Eifrige Lehrbuben der Meister fahren mit kindischer Gelehrttuerei dazwischen und stören die Herzensergießung; es entsteht Gedränge und Gewirr. Da springt Hans Sachs, der den Liebesgesang sinnig ver nommen hat, dazwischen, erfaßt hilfreich den Sänger, und zwischen sich und der Geliebten gibt er ihm einen Platz an der Spitze des Fest zuges der Meister. Laut begrüßt sie das Volk; das Liebeslied tönt zu den Meisterweisen. Pe danterie und Poesie sind versöhnt. .Heil Hans Sachs!' erschallt es mächtig.“ Der zu seiner Zeit auch als Pianist und Dirigent angesehene norwegische Komponist Edvard G r i e g hatte in seiner Eigenschaft als erster Nationalmusiker seines Landes keine Vorgän ger, keine Tradition, an der er hätte anschlie ßen können. Er war der erste skandinavische Komponist, der die Volksmusik seiner Heimat in die Sphäre der Kunstmusik hob, nicht aber, indem er folkloristische Elemente wörtlich zi tierte, sondern indem er sein eigenes Schaffen an der charakteristischen Wesensart norwegi scher Volksmusik ausrichtete. Am Ende seines Lebens schrieb Grieg einmal: „Künstler wie Bach und Beethoven haben auf den Höhen Kirchen und Tempel errichtet. Ich wollte . . . Wohnstätten für die Menschen bauen, in de nen sie sich heimisch und glücklich fühlen^— Ich habe die Volksmusik meines Landes au.fl^B zeichnet. In Stil und Formgebung bin ich deutscher Romantiker der Schumann-Schule geblieben. Aber zugleich habe ich den reichen Schatz der Volkslieder meines Landes ausge schöpft und habe aus dieser bisher noch uner forschten Emanation der nordischen Volksseele eine nationale Kunst zu schaffen versucht." Mit seiner bodenständigen Kunst, seinen schwer mütig-lyrischen, aber auch kräftigen Liedern, seinen eigenwilligen, häufig tänzerisch profi lierten kleinen Instrumentalformen eroberte Grieg die Gunst der Musikfreunde in aller Welt. Seine immer und im guten Wortsinne volkstümliche Musik ist gekennzeichnet durch eine sinnenhafte Melodik, eine herbsüße Har monik, farbig-satte Instrumentation und eine aparte, von skandinavischer Folklore beein flußte Rhythmik. Unter Edvard Griegs wenigen größeren Kom positionen ragt das 1868, als mit 25 Jahren geschriebene Klavierkonzert a-Moll o p. 16 bedeutsam heraus. Der Komponist widmete es dem norwegischen Pianisten Ed mund Neupert, der es 1869 in Kristiania er folgreich uraufführte. Das Beispiel des Schu- mannschen Klavierkonzerts a-Moll hat rr^k. geblich die Gestaltung dieses GriegschenWF z gendwerkes beeinflußt, das übrigens ebenfalls mottohaft vom Soloinstrument eröffnet wird. Aber auch die virtuose Klaviertechnik Chopins und Liszts mag Anregungen geboten haben. Nicht ohne Grund hat Hans von Bülow Grieg einmal den „Chopin des Nordens“ genannt. Nach dem energischen Vorspruch stellt das Orchester das anfangs rhythmisch-markante, dann in fließende melodische Bewegung über gehende Hauptthema vor, das auch vom Kla vier aufgegriffen wird. Der Solist leitet sodann zum lyrischen Seitenthema über, das zuerst in Kritik von den „dreiviertel Stunden lang aus geführten Schwierigkeiten". Noch zwei Jahre später äußerte man: „Wir finden das Ganze zu lang und einiges überkünstlich . . . und das Finale halten wir . . . für allzu bizarr, wild und grell." Der Musikschriftsteller J. F. Rochlitz al lerdings prophezeite schon: dieses Werk eines „Feuergeistes" werde noch leben, „wenn tau send gefeierte Modesachen längst zu Grabe getragen sind". In Beethovens 2. Sinfonie kündigt sich — nach K. Schönewolf — „der Ideenmusiker an, der in der Leidenschaftlichkeit und Konsequenz der dialektisch-sinfonischen Aussage über das von Haydn und Mozart Erreichte bedeutend fort schreitet . . . Auf dem Wege zur heroischen 3. «nfonie, die eine neue Periode im Schaffen jjthovens und überhaupt eine neue Epoche !r sinfonischen Musik einleitet, nimmt die 2. Sinfonie eine Mittelstellung ein. Inhaltlich und stilistisch steht sie noch der .Ersten' näher. Strahlend lebensfreudig im Grundcharakter wie diese, offenbart sie doch vertiefte Züge des Kämpfers und Ideenmusikers Beethoven. Sie ist ein hervorragend selbständiges Kunst werk mit durchaus eigenen, seinerzeit neuar tig wirkenden Klangbildern, überdies bietet die 2. Sinfonie ein bewunderungswürdiges Zeugnis für die Größe des Menschen Beetho ven. Gepeinigt von der Furcht vor dem ent setzlich drohenden Verlust seines Gehörs, na he der Verzweiflung, die in dem berühmt ge wordenen Brief an seine Brüder (dem .Heili genstädter Testament') ihren erschütternden Niederschlag erhielt, vollendete der Meister während jener qualvollen Sommermonate 1802 in dem Dorfe Heiligenstädt bei Wien diese herrliche, lebensbejahende Sinfonie. Beetho ven wußte sehr wohl zu unterscheiden zwischen persönlichem Leid und seiner gesellschaftli chen Aufgabe als Künstler, der sich mit den Botschaften seiner großen Instrumental- und Vokalwerke an die Allgemeinheit der Men- M^n wendete. Hat doch der Überwinder des Innerlichen Unglücks, der diese lebensvolle Musik geschaffen hat, während der Arbeit an der 2. Sinfonie und an vielen anderen unver gänglichen Werken seinem Jugendfreunde Wegeier das berühmt gewordene Bekenntnis anvertraut: ,lch will dem Schicksal in den Ra chen greifen, ganz niederbeugen soll es mich gewiß nicht. Oh, es ist so schön, das Leben tausendmal leben!'" Eine gewichtige langsame Einleitung (Adagio molto) ist dem ersten Satz (Allegro con brio) vorangestellt. Die anfängliche innige Stimmung muß bald ernsten, düsteren Klängen weichen. Nach einem dramatischen Höhepunkt, bei dem ein markantes d-Moll-Motiv eingeführt wird, das wie eine Vorahnung des Hauptge dankens im ersten Satz der „Neunten" an mutet, wird die Bedrohung überwunden, und ein lichtvolles erwartungsfreudiges Klingen hebt an. überraschend, nach schneidigem An lauf der Violinen, ertönt das frohgemute Hauptthema der Bratschen und Celli zu begleitender Achtelbewegung der Violinen. Marschähnlich triumphierend ist das signal artige zweite Thema. Das eigentliche Entwick lungsthema des Satzes ist jedoch das erste, dessen Kopfmotiv in der kunstvollen breiten Durchführung eine entscheidende Rolle spielt. Triumphierend schließt der Satz. Ein liebenswertes, romanzenhaftes Stück ist das A-Dur-Larghetto in Sonatenform. Die er sten Violinen stimmen das sanfte, liedhafte er ste Thema an. Eine zweite, schwärmerische E-Dur-Melodie führt scheinbar Auseinanderset zungen herbei, die jedoch bald ins Heitere, ja Tänzerische gewendet werden. Es ist begreif lich, daß dieser Satz zu Beethovens volkstüm lichsten Schöpfungen gehört. Im dritten Satz (Allegro), den Beethoven erst mals in einer Sinfonie mit Scherzo überschrie ben hat, herrscht ein übermütiger, polternder Humor. Plötzliches Nacheinander von forte und piano ruft echoartige Wirkungen hervor. In einem gleichsam bizarren Fangballspiel wer fen sich Bläser und Streicher die Motive des Hauptthemas zu. Nach marschhafter Entwick lung des lustigen Spiels bringt das Trio eine gemächliche Tanzmelodie. Trio und Scherzo werden wiederholt. Etwas vom Geist des Scherzos weist auch das sprühende, ausgelassene Finale (Allegro mol to) auf. Das sieghafte, kraftvolle Hauptthema beherrscht den ganzen Satz, dessen festliche Heiterkeit nicht durch besinnliche Stimmungen beeinträchtigt werden kann. Auch den fröh lichen Abschluß des Satzes bestimmt das Hauptthema. Prof. Dr. habil. Dieter Härtwig