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fühlte. Nie gebärdete er sich als Radikaler, doch ebensowenig kann man seine Haltung konservativ nennen. Er war ein wahrer Musi kant, dem Inspiration, Phantasie, Spielfreu digkeit mehr galten als theoretisch-technische Erwägung. Das große Pathos liebte er nie: „Ich bin zutiefst von der inneren Würde der Gedanken und Dinge überzeugt, die einfach sind und ihre ethisch-menschliche Bedeutung besitzen, ohne durch hochtrabende Worte und schwer verständliche Phrasen erklärt werden zu müssen". Vor dem Hitlerfaschismus floh er in die USA, wo er 1941—1953 lebte. Die letzten Jahre hielt er sich abwechselnd in Frankreich, Italien und der Schweiz auf. Obwohl er den größten Teil seines Lebens fern von der Heimat verbrachte, verlor er nie seine innere Bindung an die Hei mat, was sich in vielen seiner Werke, in der Emotionalität seiner Tonsprache äußerte. Oft waren es Gedanken an die okkupierte tschechi sche Heimat, an das Schicksal des tschechischen Volkes im zweiten Weltkrieg, die Martinü zu Kunstwerken anregten. So entstand 1939 eine „Feldmesse" für die freiwilligen tschechoslowa kischen Einheiten, die in Frankreich gegen die Hitlerarmee kämpften, 1943 die sinfonische Dichtung „Lidice" - ein Protest gegen die Aus rottung des gleichnamigen tschechischen Dor fes durch deutsche Faschisten. Auch das 1938 komponierte Doppelkonzert für zwei Streich orchester, Klavier und Pauken kann als Aus druck seines Protestes gegen den Faschismus gelten. Das vielseitige und umfangreiche Lebenswerk des Komponisten, für das sich zahlreiche nam hafte Interpreten eingesetzt haben und im mer wieder einsetzen, beeindruckt durch seinen starken emotionalen Gehalt, seinen Klang reichtum, seine geistvolle, differenzierte Ge staltung. Er schuf zahlreiche Opern und Bal lette, Orchester-, Kammermusik- und Vokal werke. Spät, nämlich erst als reifer, anerkannter, auf der Höhe seiner Schaffenskraft stehender Kom ponist, darin nicht unähnlich Brahms, gelangte Martinü zur Sinfonie. In den Jahren 1942—1946 schuf er jedoch in Amerika in dichter Folge fünf Sinfonien und ließ 1953 die sechste und letzte folgen. Die Sinfonie Nr. 1— ein Auftragswerk der Kussewitzky Music Founda tion — bildet einen Markstein in Martinüs Ge samtwerk; eine gewisse Ähnlichkeit besteht — in der Gemeinsamkeit der angewandten Mit tel _ mit der Oper „Julietta“. Die Sinfonie wurde in verhältnismäßig kurzer Zeit im Früh jahr und Sommer 1942 geschrieben und war die Frucht einer durchdachten und detaillier ten Konzeption: „Die Sinfonie folgt der klas sischen viersätzigen Form; ich habe jedoch ver sucht, meine eigene ästhetische Überzeugung in diesen äußeren Formplan einzubauen. Da ich überzeugt bin, daß ein Kunstwerk den Be reich seiner Ausdrucksmöglichkeiten nie über schreiten soll, habe ich mich bemüht, alle dem Charakter der Sinfonie fremden Ausdrucksele mente fernzuhalten. Die klangliche Grundlage des Orchesters bildet das Streichquintett, den Holzbläsern sind verschiedentliche solistische Aufgaben zugedacht, während Blech und Schlagzeug die üblichen Funktionen erfüllen. Ich habe mich bemüht, neue Klangkombinatio nen zu finden und dem Orchester trotz pag^k phoner Arbeit einen einheitlichen Gesamtkl^^^ zu entlocken. Doch sind weder der impressio nistische Klang noch das Suchen nach Farbe für die Faktur und den formalen Aufbau der Sinfonie wesentlich. Der Grundcharakter des Werkes ist ruhig und lyrisch" — aber auch stel lenweise — neben dem von tiefernsten, melan cholischen, ja tragischen Gedanken (an die Heimat, das Kriegsgeschehen) überschatteten Largo — von energischer Härte erfüllt, wie vor allem das Strawinsky-nahe, zugleich „tschechi sche" Scherzo, der zweite Satz, und das Final rondo, das schließlich freudig endet. (Martinü mußte sich zur Entstehungszeit des Werkes in das ihm noch ungewohnte amerikanische Le ben hineinfinden.) Die Idee des in Sonatenform stehenden ersten Satzes mit seinen originellen rhythmischen Fi guren im 6 /ß-Takt kam Martinü aus der Kombi nation zweier Akkorde (h-Moll, H-Dur): „Plötz lich fand ich die Form sowie die Orchestrie rung, die die Akkorde nunmehr besitzen, und der ganze 1. Satz wuchs empor, als ob er hinter dieser Einleitung verborgen gewesen wäre; da bei spielt die Modulation beider Akkorde in der Konstruktion eigentlich weiter keine Rolle." auffallende Farbigkeit der Partitur wurde offensichtlich auch von den besonderen klang lichen Möglichkeiten des Boston Symphony Orchestra inspiriert, für das das Werk geschrie ben wurde und das es am 13. November 1942 unter seinem Leiter Sergej Kussewitzky außer ordentlich erfolgreich uraufführte. (Schon nach dem zweiten Satz wurde übrigens die Auf führung durch stürmischen Beifall des Publi kums unterbrochen.) Damals wirkten im Bosto ner Orchester etwa 30 französische Musiker (vor allem auf den vordersten Plätzen der Holz- und Blechbläser, aber auch in der Cello- MAGDALENA REZLER stammt aus Bydgoszcz. Im Alter von sieben Jahren begann sie mit dem Violinspiel und studierte später an der Warschauer Musikhochschule bei den Professoren Tadeusz Wronski und Stanislaw Kawella. 1970 legte sie das Staatsexamen mit Aus zeichnung ab und unterrichtet inzwischen eine eigene Violin- und Kammermusikklasse. Erfolgreiche Konzerte in den polnischen Musikzentren sowie in der UdSSR, CSSR, DDR, in Bulgarien, Frankreich, Belgien, der BRD, in Großbritannien, den USA u. a. sowie Rund funk-, Fernseh- und Schallplattenaufnahmen festigten das Ansehen der jungen Geigerin, das sie durch zahlreiche internationale Wettbewerbserfolge (1962 in Krakow, 1968 in Leipzig, 1972 in Genua, 1971 3. Preis des Königin-Elisabeth-Wettbewerbes in Brüssel, 1972 2. Preis des Musik-Festivals in Bordeaux, 1976 3. Preis des Carl-Flesch-Wettbewerbes in London, außerdem ge hörte sie zu den Preisträgern des Jacques-Thibaud- Wettbewerbes in Paris) erworben hat. Das von ihr gegründete und geführte Streichquartett erhielt eben falls bereits mehrere Preise. Ferner arbeitet sie ständig mit dem polnischen Kammerensemble „Con moto ma cantabile" und dem Kammerorchester der Warschauer Nationalphilharmonie zusammen. Bereits 1979, 1981 und 1984 gastierte sie überaus erfolgreich bei den Dresdner Philharmonikern. •