Volltext Seite (XML)
8. PHILHARMONISCHES KONZERT Festsaal des Kulturpalastes Dresden Sonntag, den 10. April 1988, 19.30 Uhr Montag, den 11. April 1988, 19.30 Uhr Dirigent: Jörg-Peter Weigle Solisten: Valter Despalj, SFR Jugoslawien, Violoncello Sopran Dmitri Schostakowitsch 1906-1975 Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 1 Es-Dur op. 107 Allegretto Moderato Kadenz Finale (Allegro con moto) PAUSE VALTER DESPALJ, Jahrgang 1947, stammt aus einer Musikerfamilie, in der er auch den ersten Musikunter richt erhielt. Mit neun Jahren begann er, Cello zu spie len. 1969 absolvierte er die Juilliard School of Music in New York, wo er bei Leonard Rose studiert hatte. Er setzte seine Ausbildung danach am Moskauer Konser vatorium bei Galina Kosolupowa fort, besuchte dar über hinaus Meisterkurse bei Pablo Casals sowie bei Andre Navarra und Pierre Fournier an der Academia Musicale Chigiana in Siena. Eine Reihe von Preisen und Auszeichnungen förderte seine internationale Kar riere, die ihn zu bedeutenden Orchestern in Europa und den USA führte. Neben seiner Konzerttätigkeit lehrt er als Professor an der Zagreber Musikakademie, gibt außerdem Meisterkurse an der Sibelius-Akademie in Finnland, in Teheran und Österreich. Er wird häufig zum Juror bei internationalen Wettbewerben berufen, • . beim Moskauer Tschaikowski-Wettbewerb. Valter jalj spielt auf einem 300 Jahre alten Violoncello der Werkstatt des Gianbattista Rogeri aus Cre mona. Gustav Mahler 1860-1911 Sinfonie Nr. 4 G-Dur mit Sopran-Solo Bedächtig. Nicht eilen In gemächlicher Bewegung. Ohne Hast Ruhevoll (Poco adagio) Sehr behaglich („Wir genießen die himmlischen Freuden", Sopran-Solo nach Worten aus „Des Knaben Wunderhorn ") VENCESLAVA HRUBA-FREIBERGER, seit 1972 vielbe- schäftigte Künstlerin am Leipziger Opernhaus, hat von 1962 bis 1968 in Prag studiert, wirkte danach zwei Jah re als Chorsängerin am dortigen Nationaltheater. Vor ihrem Leipziger Engagement ging sie für weitere zwei Jahre an das Theater in Plzen. In ihrem Stammhaus in Leipzig wird die Künstlerin in den ersten Partien be setzt. Höhepunkte ihrer Laufbahn waren bisher u. a. das Schlaue Füchslein (Janäcek), die Gilda im „Rigo- letto“ (Verdi), die Martha (Flotow), die Sophie im „Rosenkavalier" (Strauss), die Ludmilla in „Ruslan und Ludmilla" (Glinka), die Olympia in „Hoffmanns Erzäh lungen" (Offenbach), die Zerbinetta in „Ariadne auf Naxos" (Strauss) und die Lucia di Lammermoor (Doni- zetti). In Aix-en-Provence und Lyon, in Palermo und Madrid gastierte sie als Königin der Nacht in Mozarts „Zauberflöte", in Brüssel als Konstanze in „Die Entfüh rung aus dem Serail" von Mozart und am Grand Thea- tre de Geneva als 1. Blumenmädchen in der Rolf-Lie bermann-Inszenierung von Wagners „Parsifal". Darüber hinaus tritt Venceslava Hruba-Freiberger als erfolgrei che Lied- und Oratoriensängerin in Erscheinung. Aus landsgastspiele als Solistin führten sie nach Jugosla wien, Großbritannien, Italien, Österreich und in die BRD. 1981 wurde sie zur Kammersängerin ernannt. ZUR EINFÜHRUNG Das Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 1 Es-Dur op. 107 von Dmitri Schostakowitsch ent stand im Sommer 1959. Der Komponist wid mete dieses Werk Mstislav Rostropowitsch, der es am 4. und 6. Oktober 1959 mit der Lenin grader Philharmonie unter Jewgeni Mrawinski und am 9. Oktober mit der Moskauer Philhar monie unter Alexander Gauk zur Uraufführung brachte. Es gehört zu den bewegtesten und auch heitersten Werken des sowjetischen Kom ponisten. Freudig-unruhvolle Lebendigkeit, kraftvoller Humor und warme, tief menschliche Lyrik prägen den Charakter dieses Konzertes mit seiner klaren und plastischen Klanggestal tung. Die Wesenszüge der Schreibweise Scho- stakowitschs, seine Besonderheiten im melodi schen, harmonischen und rhythmischen Aus druck sind unverkennbar. Das eigenartige Me los erinnert zuweilen an das Violinkonzert, an die 10. Sinfonie und einige andere sinfonische Werke des Komponisten. Farbige Virtuosität des solistischen Violoncelloparts wechselt mit lied haften Kantilenen und mehr deklamatorischen Monologen des Orchesters. Das Orchester ist nicht groß: Streicher, doppelt besetzte Holz bläser, ein Horn, Pauken und Celesta. Der sonatenförmig angelegte erste Satz (Alle gretto) ist von Anfang bis Ende voller Energie und Bewegung. Das Kopfmotiv des Haupt themas gewinnt besondere Bedeutung. Wie einige Motive (zumal das Anfangsmotiv) der 10. Sinfonie taucht es immer wieder auf. Es wird zum „Leitmotiv", zur sinfonisch „verbin denden Idee“ des ganzen Satzes, der fast durchgehend auf einer einzigen emotionalen Ebene bleibt und verhältnismäßig wenig Kon traste enthält. Der zweite Satz (Moderato) ist sehr melodisch und lyrisch in der Stimmung. Manchmal nähert er sich dem Charakter einer freundlichen, ge dankenvollen Elegie. Das akkordische ersteThe- ma wird vom Rhythmus einer Sarabande ge tragen. (Auch in anderen Werken hat Scho stakowitsch gern den feierlichen Rhythmus die ses alten, schon von Händel bevorzugten lang samen Tanzes verwendet.) Das Solocello setzt mit einer liedhaften Melodie ein, deren volks tümliches, russisches Element von den beglei tenden Bratschen betont wird. Der Mittelteil des dreiteiligen Moderatosatzes wird durch ein zartes, Serenadenhaft anmutendes Thema bestimmt, das dem Orchester zugewiesen ist. Es erfährt eine allmählich ins Pathetische an wachsende große dramatische Steigerung. Nach dem Höhepunkt erklingt wieder die rus sische Melodie, jetzt sehr klar und zart im Dia log des Violoncellos (Flageolett) mit der Ce lesta — eine überaus poetische Stelle des Kon zertes. In ruhigem Tempo beginnt die sehr große Ka denz des Soloinstrumentes (dritter Satz). Kon zentrierte, kraftvolle Rezitative gehen unauf fällig in schnelle Bewegung über, wobei The menmaterial des ersten Satzes verwendet wird. Das Finale, ein Rondo, ist ungewöhnlich in seiner dynamischen Kraft. In ihm vereinen sich funkensprühende Vitalität und ausgelassene Fröhlichkeit mit virtuosem Glanz und eidhp bezaubernden Spiel der temperamentvSWn Rhythmen. Mit Nachdruck und Kraft erklingt zum Schluß wieder das Hauptthema des er sten Satzes. Gustav Mahlers am 15. Dezember 1901 in München uraufgeführte Sinfonie Nr. 4 G - Dur, deren Partitur im Sommer 1900 ab geschlossen wurde, unterscheidet sich in An lage und Charakter wesentlich von den voran gegangenen sinfonischen Werken des Kompo nisten. Bereits rein äußerlich zeigt sich das in der kleineren Besetzung des Orchesters, der Rückkehr zur klassischen Viersätzigkeit und der kürzeren Spieldauer. „Gemessen an den bisherigen Dimensionen könnte man sie bei nahe als .Sinfonietta' bezeichnen", schrieb der Musikschriftsteller Walter Abendroth über die G-Dur-Sinfonie, und Mahler selbst äußerte einmal dazu: „Eigentlich wollte ich nur eine sinfonische Humoreske schreiben, und da ist mir das normale Maß einer Sinfonie daraus geworden — während früher, als ich dachte, daß es eine Sinfonie werden sollte, es mir zur dreifachen Dauer — in meiner 2. und 3^^- wurde...". Besonders bemerkenswert erscheint bei diesem Werk der fast gänzliche Verzicht auf eine belastende Problematik, die helle, idyllische Grundstimmung. Aufgelocker ter, durchsichtiger Klang, Streben nach Schlicht heit und Leichtigkeit sind charakteristisch für die von gelöster Heiterkeit, von Lyrik, Poesie und naivem Humor erfüllte Sinfonie, in der Mahler die Freuden des Diesseits und des Jenseits in den freundlichsten Farben zeichnet. In starkem Maße kommt hier typisch österrei chisches Lokalkolorit zur Geltung, was nicht nur in zahlreichen volksliedartigen Motiven, sondern zudem auch in der ausgesprochen streichermäßigen Prägung der Thematik (im