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ZUR EINFÜHRUNG Die ursprünglich fünfteilige Komposition „Dorf Szenen" für Solostimme und Kla vierbegleitung vollendete Belo Bartök im Dezember 1924 in Budapest; im Mai 1926 ge wann er daraus eine nur mehr dreiteilige Ver sion für Frauenchor und Kammerorchester, die am 1. Februar 1927 unter Serge Koussevitzky in New York und 14 Tage später unter Vilmos Komor in Budapest uraufgeführt wurde. Nach dem die solistische Fassung bereits in unse rem 9. Kammerkonzert der Spielzeit 1984/85 erklungen ist, stellen wir heute die chorische vor. Unmittelbar vorausgegangen waren der Komposition vornehmlich wissenschaftliche Auswertungsarbeiten seiner (z. T. mit Zoltän Kodäly gemeinsam unternommenen) Volkslie dersammeltätigkeit. Neben der ungarischen, rumänischen, bulga rischen hat vielfach auch slowakische Volks musik bei der Entstehung Bartökscher Kompo sitionen eine Rolle gespielt. Den „Dorfszenen" liegen slowakische Volkslieder aus dem Komi- tat Zölyom zugrunde, ohne daß es sich dabei um einfache Volksliederbearbeitungen han delt. Obwohl Bartök die Originalarchitektur der Melodien nicht antastete, ging er in der harmonischen, rhythmischen und klanglich-in strumentatorischen Bearbeitung verhältnismä ßig frei vor, deutlich an das Vorbild von Igor Strawinskys „Pribaoutki" und „Les Noces" an schließend, doch orchestral eine größere Far benpalette anstrebend. Die einzelnen Sätze deuten charakteristische Dorfszenen an. Doch geht das musikalische Material weit über eine bloße Illustration hinaus. Bartök läßt mit den Bildern aus dem bäuerlichen Leben eine all- gemein-menschliche Welt vor dem Hörer er stehen. Die Textbearbeitung ist derart genre bildhaft, daß sich in dramatischen Augen blicken eine Solostimme aus dem Ensemble hervorhebt. Die geistige Verwandtschaft zu den ungarischen Genrebildern des Liederspie les „Die Spinnstube" seines Freundes Kodäly (1926 bzw. 1932) ist unverkennbar. Der erste Satz, „Hochzeit", besitzt einen kom plizierten, vom Schlagzeug angefeuerten Rhythmus, bei fast stets verändertem Metrum und atemberaubendem Tempo. Der Gegen satz der beiden zugrunde liegenden Melodien erfüllt nicht nur eine einfache strukturelle Funktion, sondern spiegelt zugleich auch die widersprüchliche Gefühlswelt einer Hochzeit: hier der stellenweise parodistische Abschied des Mädchens, dort die erregte Freude über den neuen Lebensabschnitt. Der zweite Satz, das „Wiegenlied", bringt eine rührende Vision der liebenden Mutter. Die Form besteht auch hier aus zwei Melo dien, die sich jedoch nicht rondomäßig anein anderreihen. Die zweite Melodie nimmt den Platz des Mittelteils, des Trios, ein. Diese Szene wird ganz von der Solostimme bewäl tigt. Das Stück ist eine der persönlichsten Kompositionen Bartöks, die bereits auf die spätere „Cantata profana" hinweist. Der „Burschentanz" schließlich bildet das schwunghafte Finale, eine wilde Tanzfantasie. Der in gemäßigtem Tempo anhebende Tanz, der sich schrittweise zum Allegro steigert,^kt auf eine einzige Melodie aufgebaut, aus man das Stampfen der Füße heraushört. Be sonders der Orchesterpart führt den tollen Tanzwirbel, bis auch die Singstimmen von der Tanzekstase erfaßt werden. Noch ein Schrei, und der Zyklus findet in der Finale stimmung seinen Abschluß. DREI DORFSZENEN I. Hochzeit Ännchen, deine Truhe Liegt schon auf dem Wagen, Der wird deinen Brautschatz, Deine Kissen tragen, Der wird deinen Brautschatz, Deine Kissen tragen, Eja! Laßt ins nächste Dorf uns Froh hinüber ziehen, Bräutigams Haus und Hof, Brüder, Vetter sehen, Bräutigams Haus und Hof, Brüder, Vetter sehen. Ännchen, deine Truhe Liegt schon auf dem Wagen, Der wird deinen Brautschatz, Deine Kissen tragen, Der wird deinen Brautschatz, Deine Kissen tragen. Hei, Ännchen. Schöne Ahorntruhe, Weiche Federkissen, Ännchen, braves Mädchen, Hast mehr keinen Liebsten, Ännchen, braves Mädchen, Hast mehr keinen Liebsten, Eja! RALF-CARSTEN BRÖMSEL wurde 1956 geboren. Mit sechs Jahren erhielt er seinen ersten Violinunterricht an der Musikschule „Paul Büttner" in Dresden. Seit 1965 besuchte er die Spezialschule der Hochschule für Mu sik „Carl Maria von Weber" und wurde Schüler von Dozent Ingolf Brinkmann. 1974, mit Beginn des Stu diums an der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber" in Dresden, wurde er Mitglied der Meister klasse von Prof. Gustav Schmahl. Bei nationalen Wett bewerben und Solistentreffen errang er mehrere Preise und eine Goldmedaille. 1973 wurde er 1. Preisträger des Internationalen Instrumentalwettbewerbes in Mark neukirchen. Er ist zudem Preisträger des V. Interna tionalen Bach-Wettbewerbes 1976 in Leipzig. Vom Mi nisterium für Kultur bekam er 1975 das Felix-Mendels sohn-Bartholdy-Stipendium zuerkannt. Konzerttätigkeit in der DDR, der UdSSR, der Ungarischen VR, der CSSR und der SR Rumänien sowie Rundfunk- und Fern sehaufnahmen machten den jungen Geiger schon früh zeitig bekannt. Seit 1981 ist Ralf-Carsten Brömsel Konzertmeister der Dresdner Philharmonie.