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2. PHILHARMONISCHES KONZERT Festsaal des Kulturpalastes Dresden Sonnabend, den 3. Oktober 1987, 19.30 Uhr Sonntag, den 4. Oktober 1987, 19.30 Uhr dresdner ohilharmone« Dirigent: Johannes Winkler, Leipzig Solist: Wladimir Wiardo, Sowjetunion, Klavier Franz Liszt Konzert für Klavier und Orchester 1811-1885 Nr. 1 Es-Dur Allegro maestoso Quasi Adagio - Allegretto vivace - Allegro animato — Allegro marziale animato Wolfgang Strauß geb. 1927 Sinfonie Nr. 5 op. 80 (1986) Auftragswerk der Dresdner Philharmonie Uraufführung Zum 60. Geburtstag des Komponisten am 22. Juli 1987 Mitwirkend: Frauenstimmendes Philharmonischen Chores Dresden PAUSE Johannes Brahms 1833-1897 Sinfonie Nr. 1 c-Moll op. 68 Un poco sostenuto - Allegro Andante sostenuto Un poco allegretto e grazioso Adagio - Allegretto non troppo ma con brio Im Anschluß an das Konzert am 3. Oktober 1987 findet ein Foyergespräch statt. WLADIMIR WIARDO zählt zu den führenden Reprä sentanten der sowjetischen Pianistenschule. Er stammt aus dem Kaukasus und erhielt seine ersten Unterwei sungen in Saporoshe. 1965 wurde er in das Moskauer Gnessin-Institut aufgenommen. Während des Studiums schon erhielt er den 1. Preis in einem Interpretations wettbewerb sowjetischer Musik. Von 1969 bis 1974 übernahmen die bewährten Pädagogen Professor Nau mow und Heinrich Neuhaus die weitere Ausbildung des Künstlers, der 1971 den 3. Preis im Internationalen Marguerite-Long-Jacques-Thibaud-Wettbewerb errang und zwei Jahre später Gewinner des 4. Internationalen Van-Cliburn-Wettbewerbes wurde. Diese Erfolge führ ten in den letzten Jahren zu zahlreichen Konzertver pflichtungen im In- und Ausland. In der DDR debü tierte Wladimir Wiardo 1978. JOHANNES WINKLER, 1950 in Radeberg geboren, war 1960 bis 1968 Mitglied des Dresdner Kreuzchores unter Rudolf Mauersberger, 1968 bis 1974 studierte er an der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber Dresden (Dirigieren, Komposition, Klavier und Fagott) und vervollkommnete 1974 bis 1976 seine dirigentische Ausbildung bei Arvid Jansons am Leningrader Konser vatorium „Nikolai Rimski-Korsakow". 1973 wurde er Doppelsieger des Carl-Maria-von-Weber-Wettbewerbes Dresden in Dirigieren und Komposition. Von 1976 bis 1983 wirkte er als Dirigent der Dresdner Philharmonie, mit der er auch seine ersten Schallplatten einspielte. 1979 wurde er mit dem Kunstpreis der FDJ und dem Vaterländischen Verdienstorden in Bronze ausgezeich net. Nachdem er von 1983 bis 1985 Musikalischer Ober leiter am Mecklenburgischen Staatstheater und Chef dirigent der Staatskapelle Schwerin war, wurde er 1985 zum Musikalischen Oberleiter des Opernhauses Leip zig berufen. Gastverpflichtungen führten ihn an die Staatsopern Berlin und Dresden sowie an die Deut sche Oper am Rhein (Düsseldorf/Duisburg), Konzert tourneen in viele europäische Länder, nach Kuba und Japan. 1987 wurde Johannes Winkler zum Honorarpro fessor für Dirigieren an die Leipziger Musikhochschule berufen. ZUR EINFÜHRUNG Franz Liszts Klavierkonzert N r. 1 in Es-Dur wurde mit dem Komponisten als Solisten unter der Leitung von Hector Ber- lioz am 17. Februar 1855 in Weimar uraufge führt. Das Werk entstand in den Jahren 1848/49, einer Zeit, in der sich Liszt bereits von seinen großen Reisen als Klaviervirtuose zurückgezo gen hatte und als einflußreicher Lehrer und Förderer einer neuen Generation von Pianisten und Komponisten in Weimar lebte. Manches in der Musik dieser bedeutenden, weithin wirken den und ihrer Epoche unendlich viel Anregungen vermittelnden Persönlichkeit erscheint uns heute recht zeitgebunden und in seiner Wirkung fern gerückt — doch darf nicht verkannt werden, daß Liszt trotz starker Betonung des virtuosen Ele ments, trotz der großen, uns häufig etwas äußerlich-pathetisch anmutenden Klanggebär de stets bestrebt war, seinen Werken einen gei stigen Gehalt zu geben. Auch für das dem Mu sikverleger Henry Litolff gewidmete Es-Dur-Kla- vierkonzert, Produkt langjähriger Virtuosener fahrung, trifft diese Haltung durchaus zu. Virtuoser Glanz, mitreißender Schwung des Musizierens, aber auch reicher poetischer Emp findungsgehalt zeichnen das Konzert aus, in dem der Komponist die neue programmatische Gestaltungsweise und die Prinzipien seiner sinfonischen Dichtungen auf diese Gattung überträgt. Trotz der äußerlich viersätzigen An lage des Werkes nämlich sind die größtenteils unmittelbar ineinander übergehenden einzel nen Sätze durch die Verwendung und Verar beitung einiger Leitgedanken motivisch eng mit einander verknüpft und bilden so ein unlösbares Ganzes. Unverkennbar klingen im heroischen, kämpferischen Pathos des Stückes die revolu tionären Ereignisse der Entstehungszeit wider. Der 1. Satz beginnt sogleich mit dem vom Or chester vorgetragenen energischen, heroischen Hauptthema, dem Liszt übrigens die Worte „Das versteht ihr alle nicht!" unterlegt haben soll. Die vielgestaltige Verarbeitung des Haupt themas, das sich bis zum Schluß behauptet, do miniert im Verlauf des gesamten - große dy namische Steigerungen und schroffe Kontraste aufweisenden — Satzes, aber auch ein gefühl voll-melodiöses Seitenthema des Soloinstru ments wird wirksam. Orchester- wie Klavierpart sind mit größter Virtuosität behandelt. Schwel gerisch-schwärmerische Lyrik charakterisiert den langsamen Satz in H-Dur (Quasi Adagio), auf den ohne eigentlichen Abschluß unmittelbar ein Allegretto vivace mit kapriziösem Klavier thema folgt, dessen neuartige Schlagzeugef fekte den gefürchteten Wiener Kritiker Hanslick veranlaßten, das Werk boshafterweise als „Tri angelkonzert" zu bezeichnen. Pausenlos wieder ist der Übergang ins Finale, das gleichsam als eine zündende Marschfantasie angelegt ist und noch einmal die Hauptgedanken der vor angegangenen Sätze aufgreift. Glanzvoll-strah lend schließt dieser Satz, in dem der Solist noch mals reiche Gelegenheit hat, seine Virtuosi tät zu entfalten, das Konzert ab. Prof. Dr. Dieter Härtwig Wolfgang Strauß, 1927 in Dresden ge boren, studierte hier von 1947 bis 1951 an der damaligen Akademie für Musik und TheaJ» Komposition bei Fidelio F. Finke, Dirigieren^ Ernst Hintze und Klavier bei Elfriede Clemen. Nach der Ausbildung führte ihn sein Weg vom Solo-Repetitor am Leipziger Opernhaus über ein Engagement als Kapellmeister in Stendal zum Rundfunk der DDR, dem er von 1960 an für 20 Jahre verbunden blieb. 1980 kehrte er an die Stätte seines Studiums zurück, nun als Do zent für Komposition. Sein bisher vorliegendes kompositorisches Schaffen berücksichtigt vor wiegend Kammermusik und Sinfonik. Für seine 1. Sinfonie, die auch auf Schallplatte vorliegt, erhielt Wolfgang Strauß 1969 den Hanns-Eis- ler-Preis. In Dresden erklangen schon verschie dene seiner Werke, so sein Klavierquartett, die Weber-Metamorphosen (eine Gemeinschaftsar beit mit Manfred Weiss und Wilfried Krätzsch- mar), zu den Dresdner Musikfestspielen 1986 ein Ricercar. Die Dresdner Philharmonie hatte 1973 seine 1. Sinfonie im Programm und in der vergangenen Spielzeit die Modi für Kammer orchester im 5. Konzert der Blockhaus-Kammer musikreihe. Wolfgang Strauß strebt in seiner Tonsprache Verständlichkeit an, sucht darin den Zugang zu seinen Hörern. Er kann sich dabei auf satztechnische und formale Meisterschaft berufen, die auch immer nach originellen reizvollen Lösungen strebt. Alles Formale a^0 unterliegt bei Wolfgang Strauß einem ernst haften Ausdruckswillen und starker Gestal tungskraft. Zu seiner Sinfonie Nr. 5 op. 80 hat sich Wolfgang Strauß für unser Programmheft persönlich geäußert: „Wenn ein Dresdner Komponist in seinem 60. Lebensjahr seinen Zuhörern ein Werk vorstellt, das er Sinfonie und dann noch Nr. 5 betitelt, könnte es verständlicherweise bestimmte Ge dankenverbindungen oder Erwartungen auslö sen. Eine Zusammenfassung dessen, was ihm wesentlich erschien, mit weiterführenden Ge danken zu verbinden, liegt dann nahe: Ernst,