Volltext Seite (XML)
Zur Einführung Der tschechische Komponist Antonin Dvorak vollendete 1877 das „Stabat ma- ter“, sein neben dem Requiem bedeutendstes Vokalwerk. Er wählte den altkirch lichen Text einer Sequenz des 13. Jahrhunderts, der noch heute seinen Platz in der Passionsliturgie der katholischen Kirche hat. Die Komposition Dvoraks übersteigt vom Umfang her die liturgische Verwendbarkeit und hat daher ihren festen Platz in den Konzertplänen vieler Chöre und Orchester gefunden. Die Tonsprache ist slawisch, eine glückliche Synthese von Volksgesang und Volks frömmigkeit, lebendig, farbig, den Text bildhaft deutend. Unterschiedlichste Zu sammenstellung der Besetzung in den zehn Sätzen des Werkes und eine kontrast reiche Instrumentierung geben die Gewähr für musikalische Abwechslung. Dabei gelingt es Dvorak, eine tief religiöse Ausdeutung des Textes zu finden, beein druckend im Wechsel von Schlichtheit und Dramatik. Der inhaltliche Spannungs bogen findet seine Vollendung im thematischen Rückgriff des letzten Satzes auf den Anfang des Werkes. Ulrich Schicha STABAT MATER Soli und Chor Stabat mater dolorosa juxta crucem lacrimosa, dum pendebat filius; cujus animam gementem, contristatam et dolentem, pertransivit gladius. O quam tristis et afflicta fuit illa benedicta Mater unigeniti! Quae maerebat et dolebat, pia Mater, dum videbat nati poenas incliti. Stand die Mutter voller Schmerzen weinend aus zerrissnem Herzen, wo ihr Sohn am Kreuze hing; da, erfüllt von banger Trauer, bebend in der Ängste Schauer, durch die Seel’ ein Schwert ihr ging. Welch betrübte, schmerzgeweihte Mutter war die Benedeite durch den Eingeborenen! Die vom Seufzen schwer Bedrückte, als die Leiden sie erblickte ihres Auserkorenen! II. Quartett — Soli Quis est homo, qui non fieret, Matrem Christi si videret in tanto supplicio? Quis non posset contristari. Christi Matrem contemplari dolentem cum filio? Pro peccatis suae gentis vidit Jesum in tormentis et flagellis subditum; vidit suum dulcem natum moriendo desolatum, dum emisit spiritum. Chor Ej, Mater, fons amoris, Me sentire vim doloris fac, ut tecum lugeam! Baßsolo und Chor Fac, ut ardeat cor meum in amando Christum Deum, ut sibi complaceam. Sancta Mater, istud agas, crucifixi fige plagas cordi meo valide. Chor Tui nati vulnerati, tarn dignati pro me pati, poenas mecum divide. Wer nicht fühlte tiefes Wehe, wenn er Christi Mutter sähe in so großer Seelennot? Wessen Herz nicht sollt’ erweichen, sie, die Mutter ohnegleichen, bei des Sohnes Martertod? Ach, für seines Volkes Schulden sieht sie Qualen ihn erdulden, ihn, den nicht die Geißel mied: muß den süßen Sohn vergehen, sonder Trost ihn sterben sehen, während ihm der Geist entflieht. III. Laß, o Mutter, Quell der Liebe, fühlen mich des Mitleids Triebe, mich mit dir der Trauer weihn! IV. Laß mein Herz für Christ entbrennen, liebend ihn als Gott erkennen, wohlgefällig ihm zu sein. Präg, o Heil’ge, jene Wunden, die dein Sohn am Kreuz empfunden, unvertilgbar in mein Herz. V. Ach, das Blut, das er vergossen, ist für mich dahingeflossen; laß mich teilen seine Pein.