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1968 als Professor für Komposition und Abtei lungsleiter bis zu seiner Emeritierung an der Musikhochschule „Carl Maria von Weber" Dresden tätig. Aus seiner Schule ging eine ganze Reihe junger Komponisten und Musiker hervor, darunter Johannes Winkler, Matthias Kleemann, Jürgen Knauer. Für Karl-Rudi Griesbachs schöpferische Ent wicklung wurde nach starkem Einfluß der Ju gendmusikbewegung vor allem bedeutsam die Auseinandersetzung mit dem theoretischen Werk Paul Hindemiths und der sowjetischen Musik. Nach der Übersiedlung in die DDR festigte sich allmählich seine persönliche stili stische Haltung, die gekennzeichnet ist durch prägnante Motiv- und Themenbildung sowie Bolyphone Kontrastierung bzw. Konzentration, auch durch Einbeziehung folkloristischer Ele mente. Besonders erfolgreich war der Kompo nist mit seinen Arbeiten für das Musiktheater, wobei er sich auch als gewandter Librettist und kenntnisreicher Theoretiker erwies. Er schrieb u. a. die Opern „Kolumbus", „Marike Weiden", „Der Schwarze, der Weiße und die Frau", „Au lus und sein Papagei", die Ballette „Kleider machen Leute", „Schneewittchen", „Reineke Fuchs", aber auch sein Orchester-, Kammermu sik- und Vokalschaffen sei erwähnt, aus dem die Dresdner Philharmonie manches Werk ur- und erstaufführte bzw. für die Schallplatte ein spielte. Im Auftrag unseres Orchesters schuf Karl-Rudi Griesbach 1984/85 die heute zur Uraufführung gelangenden Tänzerischen Impres sionen aus seinem jüngsten, bisher noch nicht aufgeführten Ballett „Samson", eine gleichsam persönliche Geburtstagsgabe zu sei nem „Siebzigsten", über die er äußerte: Der Inhalt des Ballettes folgt in großen Zügen der Darstellung in der Bibel, doch gibt der Autor den Geschehnissen aktuelle Bedeutung: das Ringen um Frieden und Selbstbehauptung, kie Tänzerischen Impressionen beziehen sich ” sieben Teilen auf musikalische Charakteristi ken von Personen und Handlungen des Bal letts. Der erste Teil zeichnet ein Porträt des mit un gewöhnlicher Kraft gesegneten Samson, der in den langsamen Einleitungstakten schmerzliches Aufbäumen und dann sieggewohntes Helden tum tänzerisch zum Ausdruck bringt, was mit Hilfe des Quintintervalls (durch Sekundbewe gungen kontrastiert) musikalisch charakterisiert ist. Der zweite Teil gliedert sich in zwei Abschnitte. Der erste vermittelt einen klingenden Eindruck des philistäischen Hofes, der Prunk und Fest lichkeit ausstrahlt, die jedoch durch Äußerlich keit und Dekadenz bereits gebrochen sind, wor auf die fallenden Sekunden der Melodik hin weisen mögen. Der sich anschließende zweite Abschnitt ist auf Schlagzeugwirkungen gestellt und soll das Fundament der philistäischen Macht, die Krieger, musikalisch darstellen. Im dritten Teil kommt das Volk der Philister zu Gehör. Der „Tanz der Landleute" im unterbro chenen Dreivierteltakt gibt sich selbstbewußt und lebensfroh. Der vierte Teil, „Tanz der Jünglinge", hat marschähnlichen Charakter und soll Stolz und Überheblichkeit der philistäischen Jugend zum Ausdruck bringen. Einen Höhepunkt stellt die „Feuersbrunst" des fünften Teiles dar. Hier ist die Vorgeschichte wichtig. Samson, gerade mit der Tochter des philistäischen Königs verheiratet, hatte seine Liebe zu Dalila erkennen lassen und dadurch den Zorn des Hohepriesters und des Hofes herausgefordert. Durch andrängende Soldaten in Todesnot geraten, mußte er sich den Weg ins Freie bahnen, indem er mit der Fackel um sich schlug. Hier setzt die musikalische Schil derung der Feuersbrunst ein. Sie beginnt leise und steigert sich zu großer Lautstärke, wenn heillose Panik entsteht und viele zu Tode kom men. Nachdem die Flammen keine Nahrung mehr finden, verlischt das Feuer, und die Mu sik versinkt ins Nichts. Der sechste Teil bezieht sich auf Dalila. Sie hat sich vom Hohepriester mißbrauchen lassen und ßamson seiner Kraft beraubt. Von ihrem Gelieb ten, den die Philister geblendet haben, verach tet, erfüllt sie Enttäuschung, Verzweiflung und Reue. Sie tanzt einen Tanz tiefster Vereinsa mung. Dieses ist der einzige Teil, in dem das Saxophon als melodietragendes Instrument ein gesetzt worden ist. Der siebente Teil besteht aus drei Abschnitten. Zuerst erklingt der „Tanz der Philister mit der Peitsche". Philistäische Jünglinge treiben in menschenverachtendem Sadismus Gefangene (und unter ihnen Samson) vor sich her. Dage gen ist der zweite Abschnitt gesetzt, das kurze Tanzduett zwischen dem blinden Samson und Dalila, die im tiefsten Unglück ihre innere Zu sammengehörigkeit erkennen und sich ihre Lie be offenbaren, bevor Samson im dritten Ab schnitt, von Dalila aufgefordert, Menschenwür de verteidigt und gegen Schändung und Unter drückung aufsteht. Maurice Ravel, einer der prominente sten Vertreter französischer Musik um die Jahr hundertwende, begann zunächst in direkter Nachfolge Debussys. Später erst fand er zu einem eigenen Stil. „Ravel ist ein typischer französischer Musiker: auf dem gleichen Bo den erwachsen wie Couperin und Rameau, und wie der letztere verbirgt er meisterhaft die Kunst eben durch die Kunst selbst", schrieb einmal H. Prunieres. Was ist es, das an Ravels Musik so fasziniert? Das Unbeschwerte, Gra ziöse, Charmante, Witzige, aber auch das klanglich Rauschhafte. Charakteristisch sind für sein Schaffen auch die Beziehungen zur spanischen Folklore, die sich am erregendsten wohl in dem berühmten „Bolero" niederschlu gen, aber auch in der „Rhapsodie espagnole", in der einaktigen Oper „Eine spanische Stun de", in „L'Alborado del Grazioso" zum Aus druck kommen. „Das Spanische bedeutete im Lebenswerk von Maurice Ravel mehr als eine pittoreske Note, eine farbige Nuance. Der Sohn eines Franzo sen und einer spanischen Mutter fühlte sich seinem Wesen zutiefst verbunden" (A. Hiebe- ner). In seinem Spätschaffen, das u. a. von Strawinsky und Schönberg nicht unbeeinflußt war, wurde sein Stil - im Gegensatz zu De bussys - kräftiger, realistischer und erstrebte wieder klarere Formen. Ravel, der Spätroman tiker, typischer Vertreter des Fin de Siecle, verkörperte die abklingende bürgerliche Mu sikkultur seines Landes wie in Deutschland et wa Richard Strauss oder in Spanien Manuel de Falla. Das Ballett „Daphnis und Chloe" schuf der Komponist im Auftrag Sergej Djagi lews, der mit seinem berühmten russischen Bal lett 1909 nach Paris gekommen war und dem dortigen Musikschaffen damit starke neue Im pulse gegeben hatte. Ravel begann das Werk, dessen Libretto von Michael Fokin stammte, bereits 1909, beendete die Partitur jedoch — nach mehreren Unterbrechungen und Umar beitungen — erst drei Jahre später, im April 1912. Am 8. Juni 1912 wurde die vom Kompo nisten als „Choreographische Sinfonie in drei Teilen" bezeichnete Tanzdichtung durch das Djagilew-Ballett in Paris uraufgeführt und von Publikum und Kritik mit Wärme aufgenommen. Der Stoff des Werkes, das zu den bedeutend sten und umfangreichsten Kompositionen Ra vels gehört, ist im griechischen Altertum ange siedelt und kreist um die Liebe zwischen dem jungen Schäfer Daphnis und der Schäferin Chloe. Chloe wird bei einem Einfall von See- Programmblätter der Dresdner Philharmonie Redaktion: Prof. Dr. habil. Dieter Härtwig räubern entführt, durch das Eingreifen des Gottes Pan aber wird sie gerettet und ih rem Geliebten Daphnis zurückgegeben. „Das Werk ist sinfonisch aufgebaut, nach einem sehr strengen tonalen Plan, mittels einer klei nen Zahl von Motiven, deren Durchführungen die Homogenität des Werkes sichern", schrieb Ravel zu seiner Musik, die sich keineswegs auf eine bloße Illustrierung der Handlungsvorgän ge beschränkt. Die musikalische Sprache von „Daphnis und Chloe" offenbart eine starke Ge staltungskraft, einen außerordentlichen Erfin dungsreichtum und zeichnet sich vor allem durch eine glanzvolle Instrumentierung von größter Farbigkeit und ungewöhnlichem Klang reiz aus. Als besondere Farbe setzt Rave^^el- lenweise den Chor ein, der mit quasi ^li- mental geführten Vokalisen das Klangbild stimmungsvoll bereichert. Die wesentlichsten und besten Teile der Komposition wurden von Ravel zu zwei Konzertsuiten zusammengestellt („Sinfonische Fragmente"), eroberten sich in dieser Form bald die Konzertsäle der Welt und gehören zu den bekanntesten und meist gespielten Werke des Komponisten. In der zweiten, heute erklingenden Suite wird im ersten Satz das „Erwachen des Tages" ge schildert. Mit Vogelrufen bricht der Tag an, während Daphnis, noch schlafend, vor der Nymphengrotte liegt. Schäfer ziehen mit ihren Herden vorüber, Hirtenlieder ertönen. Erwa chend sucht Daphnis seine Chloe, die endlich, von Schäferinnen umgeben, erscheint. Beide umarmen sich, aufs neue vereint. In der folgen den „Pantomime" stellen Daphnis und Chloe das Abenteuer dar, das der Gott Pan einst mit der Nymphe Syrinx erlebte und um dessent- willen er Chloe rettete. Den Abschluß bildet ein freudiger „Allgemeiner Tanz", der der Ver mählung von Daphnis und Chloe folgt und sich zu einem rauschenden leidenschaftlichen „Bacchanal" steigert. Im Rahmen des Orchesteraustausches zwischen den Dresdner Philharmonikern und den Prager Sinfonikern (FOK) spielen in unserem heutigen Konzert Herr Stanislav Finda als Soloflötist, Herr Pavel Perina als Bratscher, Herr Peter Misedkd als Cellist. Spielzeit 1985/86 Druck: GGV, BT Heidenau 111-25-16 3 JtG 009-39-86 EVP -.25 M 10. PHILHARMONISCHES KONZERT