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7. ZYKLUS-KONZERT FRANZ LISZT Festsaal des Kulturpalastes Sonnabend, den 22. Februar 1986, 20.00 Uhr Sonntag, den 23. Februar 1986, 20.00 Uhr dresdner olnilhsrnoonieb Dirigent: Andres Ligeti, Ungarische VR Solist: Stephan Spiewok, Leipzig/Dresden, Tenor Chor: Männerchor des Philharmonischen Chores Einstudierung Matthias Geissler Joseph Haydn 1732-1809 Sinfonie Nr. 95 c-Moll Allegro moderato Andante cantabile Menuett Finale (Vivace) PAUSE Franz Liszt Eine Faust-Sinfonie nach Goethe 1811-1886 ' n drei Charakterbildern für großes Orchester, Tenorsolo und Männerchor I. Faust (Lento assai - Allegro impetuoso) II. Gretchen (Andante soave) III. Mephistopheles (Allegro vivace, ironico) Schlußchor (Andante mistico) Der junge ungarische Dirigent und Geiger ANDRÄS LIGETI wurde 1953 in Pecs geboren. Musikalisch aus gebildet wurde er bis 1970 an der Musikschule in sei ner Heimatstadt, dann an der Budapester Musikaka demie. 1977 absolvierte er hier bei Prof. Ferenc Ha- Idsz das Fach Violine, 1979 beendete er sein Diri gierstudium bei Prof. Andräs Körodi. 1930/81 vervoll kommnete er seine dirigentische Ausbildung als Solti- Stipendiat an der Wiener Musikakademie bei Karl Österreicher. Andräs Ligeti, der 1975 den 3. Preis im Violinwettbewerb des Ungarischen Rundfunks und 1976 den 1. Preis des Leo-Weiner-Wettbewerbs gewann, wirkte seit 1977 als Konzertmeister, seit 1981 ist er Dirigent an der Ungarischen Staatsoper. An der Bu dapester Musikakademie lehrte er zuerst Violine, seit 1933 ist er Assistent an der Dirigentenabteilung. Er folgreich gastierte er in verschiedenen europäischen Ländern mit dem von ihm geleiteten Kammerorchester der „Jeunesses Musicales", auch in Amerika und Ja pan fanden seine Gastspiele große Anerkennung. Re gelmäßig dirigiert er das Sinfonieorchester des inter nationalen Musiklagers der „Jeunesses Musicales“ in Pecs sowie — als Assistent des Chefdirigenten György Lehel — das Rundfunksinfonieorchester Budapest. Ge meinsam mit dem sowjetischen Dirigenten Alexander Dmitrijew leitete er 1985 das aus Musikstudenten der europäischen sozialistischen Länder gebildete Inter nationale Jugend-Sinfonieorchester und gastierte mit ihm in Ungarn, Bulgarien, der CSSR, DDR, in Polen und in der Sowjetunion. ZUR EINFÜHRUNG Joseph Haydns Sinfonie Nr. 95 c-Moll gehört zu der berühmten Reihe seiner zwölf sogenannten „Londoner Sinfonien", die durch die Englandreisen des Meisters zwischen 1790 und 1795 angeregt und für Londoner Abonne mentskonzerte geschrieben wurden. Diese Sin fonien bilden den Abschluß von Haydns sin fonischem Schaffen und stellen in jeder Be ziehung auch die Krönung dieses Schaffens dar. Sowohl in der geistigen und seelischen Vertiefung, in der Differenzierung der musi kalischen Ausdrucksmittel als auch in der rei fen, souveränen Könnerschaft, mit der die klas sische sinfonische Form hier gemeistert wird, müssen sie als das Höchste gelten, was uns Haydn auf diesem Gebiet hinterlassen hat. In den „Londoner Sinfonien" hat er, obwohl gerade hier eine tiefe innere Durchdringung mit Einflüssen der Sinfonik Mozarts zu spüren ist, doch seine ganz eigene, endgültige Lö sung des klassischen Stils erreicht. Die 1791 entstandene Sinfonie c-Moll, nach der Gesamtausgabe als Nr. 95 gezählt, ist eine der bekannteren Haydn-Sinfonien. Als einzige der „Londoner Sinfonien" in Moll ste hend und ohne Adagio-Einleitung beginnend, setzt der starke Kontraste aufweisende erste Satz sogleich mit dem leidenschaftlichen Hauptthema ein, das aus zwei gegensätzlichen Motiven besteht. Häufig wurde auf die nahe Verwandtschaft dieses Themas mit Mozarts c-Moll-Fantasie hingewiesen. Für die sehr le bendige, an Auseinandersetzungen reiche Entwicklung des Satzes gewinnt besonders das erste Motiv des Themas Bedeutung, da neben das schlichte, liebenswürdig-volkstüm liche zweite Thema (in Dur), das namentlich in der ruhigeren Reprise eine wichtige Rolle spielt. Als Variationssatz wurde das folgende An dante in Es-Dur geschrieben, dessen wieder um den Einfluß Mozarts zeigendes Liedthema in vier Variationen vorüberzieht, von denen besonders die dunkel gefärbte zweite Varia tion in es-Moll hervorzuheben ist. Mit einer Coda wird der Satz beschlossen. - Sehr be kannt wurde das breit angelegte, wieder in c-Moll stehende Menuett mit seiner reizvollen Verbindung von Würde und Schelmerei. Un beschwert gibt sich das C-Dur-Trio, in dem die Ländlermelodie des Solocellos pizzikato von den übrigen Streichern begleitet wird. Feine, meisterhafte kontrapunktische Arbeit zeichnet das helle, freudige C-Dur-Finale (Vivace) aus. Homophone Teile wechseln hier mit streng polyphonen Episoden (Fugatos, Nachahmungen u. a.). Das zunächst sehr ein fach erscheinende Hauptthema des in freier Rondoform aufgebauten Satzes wird dabei in vielfältigster, geistreicher Weise entwickelt. Als am 5. September 1857 in Weimar feierlich das Goethe-Schiller-Denkmal enthüllt wurde, erlebte ein sinfonisches Werk seine Urauffüh rung, dessen inhaltliche Konzeption eng mit der klassischen Weimarer Literatur verknüpft ist, aber in seinen Bezügen auch weit darübej^ui- ausreicht. Franz Liszt schuf „ Faust-Sinfonie", sein bedeutendstes Orchesterwerk, 1854 während seiner Weimarer Zeit (1848 bis 1861) vor allem in Auseinander setzung mit der Faust-Problematik. Zugleich wandte sich der Komponist aber auch dem spätestens seit Beethovens „Neunter" anste henden Problem der traditionellen Sinfonie- Form zu. Mit der „Faust-Sinfonie" führte er die von Hector Berlioz gegebenen Anregungen fort, erprobte und bestätigte das künstlerische Gestaltungsprinzip der sinfonischen Dichtung, deren musikalisch-dramaturgischer Verlauf durch ein bestimmtes poetisches Programm angeregt wird. Auch der Formenaufbau der „Faust-Sinfonie" resultiert aus dem außermu sikalischen Gegenstand, dem Programm, und wird letztlich von ihm determiniert. Liszt gliederte seine „Faust-Sinfonie" in drei Sätze, die von ihm Charakterbilder genannt wurden, womit er allerdings einen direkten Be zug auf die szenische Handlung der Goethe- schen Dichtung von vornherein ausschloß. Der erste Satz gehört der Hauptfigur des Werkes, Faust. Ähnlich wie auch Wagner in seiner „Faust-Ouvertüre" faßte Liszt den Widerspruch zwischen Streben nach Sinnerfüllung urJKr- reichen, den Widerspruch zwischen Idea^^Fd Wirklichkeit als das tragische Grundproblem der Faust-Gestalt auf und wendete sich damit dem Lebensproblem aller bewußt und sinn- strebig lebenden Menschen zu. Die im Laufe dieses Satzes aufgestellten vier Hauptthemen verweisen in ihrer Charakteristik deutlich auf die hervortretenden Züge der Faust-Natur. Aus dem Hauptmotiv der grüble risch langsamen Einleitung tönen quälende Zweifel, schmerzvolle Sehnsucht nach Höherem und hoffnungslose innere Unerfülltheit. Aber bereits das sich anschließende, von den Violi nen vorgetragene zweite Thema repräsentiert lebenswilligere Elemente der Faust-Gestalt. In