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der Musik in die die mehrzei- die den den In- sich selbst, nachdem er sich mit Dodekaphonie und Aleatorik auseinandergesetzt hatte. Ausschlaggebend für diese Wende waren An regungen, die er aus dem 2. Klavierkonzert von John Cage erhielt, das er 1960 im Rund funk hörte. Lutoslawski berichtet darüber: „Als ich dem Konzert lauschte, wurde mir plötzlich klar, daß ich eine Musik schreiben könnte, die sich von der früheren gänzlich unterschei det. Daß ich mich nicht unbedingt vom Detail aus auf das Ganze hin vorwärtszubewegen brauche, sondern daß es auch den umgekehr ten Weg gibt — ich würde vom Chaos ausge hen und allmählich Ordnung in ihm schaffen." Kon diesem Zeitpunkt an gewann die aleatori- ™ie Technik in seiner Musik an Bedeutung. Lutoslawski verwendete sie aber nicht wie Cage, sondern beschränkte sie auf bestimmte musikalische Parameter und grenzte damit die Möglichkeiten des Zufalls in seiner Musik ein: „Die Einführung von Elementen des Zufalls in die Musik braucht nicht unbedingt ihren Cha rakter zu verändern. Das trifft zu, wenn der Spielraum, in dem der Zufall operiert, vom Autor hinreichend begrenzt worden ist, wenn der Zufall keine das Werk beherrschende Rolle spielt und dem Ziel untergeordnet ist, das Komponist gesteckt hat." Das erste Stück, an dem der Komponist „begrenzte" Aleatorik erprobte, waren Jeux Venitiens (Venezianische Spiele) für kleines Orchester, die 1961 entstanden. Dieses Werk schrieb er für das Kammerorchester der Philharmonie Krakow, die es erstmalig im April 1961 wäh rend des Festivals für zeitgenössische Venedig aufführte. Der erste Satz besteht aus einigen ligen „Kästen". Die Einzelsysteme, Kästen zugrunde liegen, werden von Tumentalisten sehr rasch und individuell vor- Itragen und sollen sich zu mehreren genau .estimmten Kombinationen gruppieren, die mit den folgenden Komplementärabschnitten in reizvolle Wechselbeziehung treten. Der zweite Satz, traditionell notiert, wird durch ein in sehr raschem Zeitmaß ablaufendes brillan ¬ tes Ablösungsspiel der einzelnen Instrumen tengruppen charakterisiert. In langsamen drit ten Satz bildet ein durchsichtiges Begleitsy stem den Hintergrund für eine solistisch freie Flötenpartie mit individuellen Spielräumen. Ein wirkungsvoller vierter Satz, der durch klare dy namische Verläufe geprägt wird, beschließt das Werk. Lutoslawski greift hier nochmals das - raffiniert gesteigerte — Ablösungsspiel aus dem zweiten Satz auf. Die durch die „Jeux Venitiens" eingeleitete Schaffensperiode fand in den Kompositionen „Trois poemes d'Henri Michaux" und „Livre pour orchestre" ihre Fortführung und Weiter entwicklung. Lutoslawskis Auffassung von der Technik, die diesen Werken eigen ist, äußert sich in seinen Worten: „Ich interessiere mich nicht für eine Musik, die völlig durch den Zu fall determiniert ist. Ich will, daß mein Werk ein Gegenstand ist, den ich selbst geschaffen habe, und daß es die Relation dessen wird, was ich zu sagen habe." Um für die seiner Musik gemäße Art des Diri gierens Beispiele zu schaffen, trat der Kompo nist seit 1963 auch als Dirigent seiner Werke auf. Er sucht den Kontakt zu Hörer und Inter pret, denn seine Musik braucht den aktiven Mitvollzug und regt mit ihrer besonderen Kunstfertigkeit auch dazu an. „Man lauscht nicht auf die tausend Geräusche der Natur, die uns umgeben, man ist nicht ge öffnet gegenüber dieser so verschiedenartigen Musik, die uns die Natur in einer solchen Fülle darbietet. Diese Musik umgibt uns, und wir haben mitten in ihr bis heute gelebt, ohne da von Kenntnis zu nehmen. Hier ist nach meiner Meinung der neue Weg . . ." Dergestalt erläu terte Claude Debussy das Wesen seiner Musik, die also empfangene Eindrücke, Im pressionen, wiedergeben will. Das, was den französischen Meister am stärksten fesselte, war das Ungreifbare, das Atmosphärische der Dinge, etwa Wechsel und Kontrast von Licht, Farben und Geräuschen, kurz „der ferne Wi derhall der Natur". Wahrhaftigkeit kennzeich net Debussys Stil, von dem der Komponist selbst sagte: „Ich habe ganz einfach meine Natur und mein Temperament sprechen las sen." Wie die impressionistischen Maler die feinen Linien zugunsten der Farbe zurücktreten ließen, gab Debussy die formale Symmetrik im Musikalischen auf und verabsolutierte die Farbwerte der Klänge, kombinierte die Klänge der Orchesterpalette nach seinem klangmaleri schen Instinkt. Debussys Musik wendet sich zu nächst weniger an den Verstand als vielmehr an die Empfindungswelt des Hörers, übermä ßige Dreiklänge, Septimen- und Nonenak korde, Quarten- und Quintenparallelen, die Verwendung der exotischen Ganztonskala — das ist Debussys Handwerkzeug. Die sinfonische Dichtung „La Mer" (Das Meer) entstand zwischen 1903 und 1905 und umfaßt - wie es der Komponist bescheiden ausdrückte — drei „esquisses symphoniques“ (sinfonische Skizzen) mit bezeichnenden Über schriften. Die Komposition, wohl Debussys be deutendste Orchesterschöpfung überhaupt, hat nach Ausmaß und Konzeption sinfonischen Charakter, obwohl ihr sinfonische Dialektik, Antithetik einander widerstreitender Gedanken nur im Schlußsatz geläufig ist. Nicht um die Darstellung geistig-thematischer Konflikte geht es Debussy, sondern um das klangliche Erfas sen, Verwandeln unendlicher, aber flüchtiger Naturbilder. Musikalisch wiedergeben will er, wie er sagt, „die ganze Poesie der Nacht und des Tages, der Erde und des Himmels, wie sich darin die Atmosphäre beruhigt und im Rhyth mus zugleich auch das unaufhörliche Wogen schwingt", über das Meer, das er besonders liebte und das er in diesem Triptychon mit ma gischen, feinnervigen Klängen beschwört, äußerte er einmal: „Das Meer ist ein Kind, es spielt, es weiß nicht genau, was es tut ... es hat schönes, langes Haupthaar . . . und es hat eine Seele, es geht, es kommt, es verändert sich ständig ..." Das erste Bild dieser wundervollen Tondich tung, betitelt „De l'aube ä midi sur la mer" (Von Tagesanbruch bis Mittag auf dem Meer), schildert — mit flimmernden Streicherfiguren — die Oberfläche des Meeres, die sich ständig ändert und doch immer wieder gleicht. Bläser motive malen die Impression eines Sonnenauf gangs. Die zweite Skizze „Jeux de vagues" (Spiel der Wellen) spiegelt Stimmungshaft das Hin- und Herfluten der Meereswogen. Der dritte Teil „Dialogue du vent et de la mer" (Zwiesprache von Wind und Meer) vermit^fc den Eindruck von Sphärenmusik. In diesen WP gemein lebensvollen, dramatisch-aufbrausen den, die entfesselten Elemente charakterisie renden Klängen vermeint man tatsächlich die Überschrift nachzuerleben. Die Entwicklung des ungestüm-großartigen Schlußsatzes wird von zwei musikalischen Hauptgedanken getragen. VORANKÜNDIGUNG: Sonnabend, den 9. Juni 1984, 20.00 Uhr (Anrecht B) Sonntag, den 10. Juni 1984, 20.00 Uhr (Anrecht C 1) Festsaal des Kulturpalastes Dresden Einführungsvorträge jeweils 19.00 Uhr Dipl.-Phil. Sabine Grosse 9. ZYKLUS-KONZERT Dirigent: Johannes Winkler, Schwerin Solisten: Magdalena Hajossyovä, CSSR/Berlin, Sopran I Andrea Ihle, Dresden, Sopran II Christian Vogel, Leipzig, Tenor Chor: Philharmonischer Chor Dresden Einstudierung Matthias Geissler Werke von Strauss und Mendelssohn Programmblätter der Dresdner Philharmonie Redaktion: Dr. habil. Dieter Härtwig Die Einführung in die „Venezianischen Spiele“ von Wi told Lutoslawski schrieb unsere Praktikantin Kerstin Fichte vom Fachbereich Musikwissenschaft der Karl- Marx-Universität Leipzig Spielzeit 1983 84 — Chefdirigent: Prof. Herbert Kegel Druck: GGV, BT Heid. 111-25-16 493448 3,7 JtG 009-29-84 EVP 0,25 M 8. ZYKLUS-KONZERT 1 983/84 '3UGEND - KONZERT