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AUSSERORDENTLICHES KONZERT Festsaal des Kulturpalastes Dresden Sonntag, den 22. Januar 1934, 11.00 Uhr Sonntag, den 22. Januar 1984, 20.00 Uhr dresdner oNIhsrnoornie^ Dirigent: Jean-Claude Casadesus, Frankreich Solist: Andrej Korsakow, Sowjetunion, Violine Joseph Haydn 1732-1809 Sinfonie Nr. 83 g-Moll („La Poule") Allegro spiritoso Andante Menuett (Allegretto) Finale (Vivace) Johann Sebastian Bach 1685-1750 Konzert für Violine, Streichorchester und Basso continuo E-Dur BWV 1042 Allegro Adagio Allegro assai Ludwig van Beethoven 1770-1827 PAUSE Sinfonie Nr. 7 A-Dur op. 92 Poco sostenuto — Vivace Allegretto Presto Finale (Allegro con brio) '■'i-CLAUDE CASADESUS, 1935 in Paris geboren, des Komponisten Henri Casadesus und Sohn der Schauspielerin Gisele Casadesus, studierte Schlagzeug und Komposition am Pariser Conservatoire, betätigte sich zunächst als Pauker und Schlagzeuger und komponierte Schauspiel- und Filmmusiken, ehe er an der Ecole Normale de Musique in Paris von Pierre Dervaux sowie in Basel von Pierre Boulez im Dirigieren unterwiesen wurde. 1969 verpflichteten ihn die Opera Comique und die Grand Opera Paris als Das Konzert wird von Radio DDR II, Sender Dresden, aufgezeichnet und am 14. Februar im Rahmen des „Dresdner Abends" gesendet. Dirigenten, gleichzeitig begründete er mit P. Dervaux das Orchestre Philharmoniqu de Pays de la Loire, dessen stellvertretender Leiter er 1971 wurde. Seit 1976 ist er Künstlerischer Leiter des Orchestre Phil- harmonique de Lille. Daneben gastiert er im In- und Ausland bei führenden Orchestern und Bühnen und tritt regelmäßig im Rahmen internationaler Festspiele in Erscheinung. Daniel Barenboim betraute ihn mit der Leitung des Orchestre de Jeunes, das dem Orchestre de Paris beigeordnet ist. ZUR EINFÜHRUNG Um das Jahr 1785 erhielt Joseph Haydn von der Pariser Vereinigung „Les concerts de la Loge Olympique" den Auftrag für eine Reihe von Sinfonien, die in den folgenden Jahren bis 1787 auch komponiert wurden. Es sind dies die Nummern 82 bis 87 der Gesamt ausgabe. Mit den „Pariser Sinfonien" beginnt jene Gruppe von Alterswerken Haydns, deren jugendliche Frische und handwerkliche Mei sterschaft uns immer wieder begeistern. Die Sinfonie Nr. 83 g-Moll („La Poule") entstand bereits im Jahre 1785 und erhielt ihren Beinamen („Das Huhn”) vermutlich aufgrund einiger Merkmale des zweiten Themas des ersten Satzes. Tatsächlich erinnert es ein wenig an das Gackern eines Huhnes. Jedoch dürfte dieser Titel dem eigentlichen inhaltlichen Anliegen Haydns im Hinblick auf den gesamten Charakter des vorliegenden Werkes nicht gerecht werden. Am Anfang des ersten Satzes (Allegro) steht ein dramatisches Hauptthema, das durch scharfe, punktierte Rhythmen, häufige Vor halte und Generalpausen auffällt. Die leiden schaftliche Erregung dieses Themas weicht nur ganz allmählich freundlicheren Empfin dungen. Aus dem urplötzlich im Pianissimo ersterbenden Überleitungsgedanken erhebt sich schüchtern und stockend das zweite The ma, dem sich bei der Wiederholung grell und aufreizend die Oboe mit den punktierten Achteln des ersten Themas aufdrängt. Die Durchführung wird im wesentlichen von Ge danken des Hauptsatzes und der Überleitung bestritten und bewegt sich fast durchweg im Fortissimo. Plötzlich bricht alles ab! Nach einer Generalpause erklingen Motive des Hauptsatzes, diesmal im Piano, wie aus wei ter Ferne, um mit wenigen Takten in die im überraschenden Fortissimo hereinbrechende Reprise überzuleiten. In der Coda zeigen sich lichtere Bilder; auch das Hauptthema er scheint jetzt, nach Dur gewandelt, lichter und freundlicher. Das Andante wird von einem ruhigen und beruhigenden Gesangsthema getragen, des sen Achtelbegleitung wie unterdrücktes Herz klopfen anmutet. Dreimal unterbrechen For- tissimoausrufe den melodischen Fluß, nur langsam verebbt jedesmal die Erregung im Orchester, schließlich stimmt aber doch alles wieder in die ruhige, liedhafte Weise des An fangs ein. Trotz der freudigen Grundhaltung macht sicr auch im Menuett eine gewisse Unruhe be merkbar, die an den ersten Satz gemahnl und vor allem durch die fast zum 2 /4-Takt nei gende Rhythmisierung des Themas ausgelösl wird. Im Trio zeichnet der Komponist eine liebliche Idylle, der die mit den 1. Violinen geführte Solo-Flöte sanften Glanz gibt. Das Finale zeigt trotz der Tempobezeichnung Vivace pastorale Züge. Es strahlt eine still« und behagliche Lebensfreude aus, die aucl im Mittelteil auftretende dunklere Töne nich verdrängen können. In seinen Violinkonzerten knüpfte Johan Sebastian Bach formal an die entspÄ chenden Schöpfungen seiner Vorgänger u“ Zeitgenossen an und behielt das abwechselnd Spiel zwischen Orchestertutti und Soloinstru ment bei. Dennoch mischt sich bei ihm we sentlich stärker als bei seinen Zeitgenosse: der Orchesterpart mit den Partien der Solo Violine und umgekehrt; auch ist das thema tisch-motivische Satzgefüge von Solo und Tutt so eng ineinander verschränkt, daß der mo derne Konzertbegriff hier seinen Ausgani nimmt. Das Konzert für Violine, Streich Orchester und Basso continu E-Dur (BWV 1042) hat insgesamt eine: festlich-freudigen Charakter. Wie dicht ist da kontrapunktische Gewebe im einleitende Allegro-Satz! Kaum erkennt man noch die alt. Form unablässigen Wechsels zwischen Orche ster und Solo. Der Satz ist nach der dreiteilige: Arienform aufgebaut mit einem Mittelteil ii der Mollparallele (cis-Moll), der mit eine virtuosen Adagiokadenz schließt. Sehr charak teristisch ist das Kopfthema des Satzes um seine Fortführung. Wenn die Solovioline da Thema anstimmt, erklingt zugleich im (Drehest die Fortführung, während der Baß das Kc4 thema andeutet. ’ Stimmungsmäßig erinnert das Adagio an dei Moll-Teil des ersten Satzes; es steht ebenfall in cis-Moll. In dieser seltenen Tonart wird eim innige, ernste, fast klagende Weise übe einem ständig wiederholten Baßmotiv (Bassi ostinato) aufgebaut, die dem Solisten dii Grundlage für einen seelenvollen, ergreifen den Gesang gibt. überschäumend vor Lebensfreude eilt de Schlußsatz (Allegro assai) dahin. Seine Musi zierfreude und heitere Spiellaune sind bezau bernd. Formal handelt es sich um einen ron