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Das Vorspiel zum Nachmittag eines Faun ist Claude Debussys berühmtestes Orchesterwerk. Der Erfolg dieser 1892 geschriebenen, von der gleichnamigen Dichtung Stephane Mallarmes (1876) angeregten sinfonischen Dichtung war schon bei der Uraufführung in Paris im Jahre 1894 sehr groß, ihre Nachwirkung bedeutend. Verfeinerte Leidenschaftlichkeit, zarteste Gefühlsnuancen, ein glück licher Naturzustand spiegeln sich in diesem vielfältig schillernden, mehr andeu tenden als beschreibenden einsätzigen Werk (das ursprünglich ein Flötenkonzert werden sollte), dessen „Programm" Thomas Mann in seinem Roman „Der Zauberberg“ mit dichterischem Feingefühl wiedergegeben hat. Er schreibt: „Rücklings lag er auf einer mit bunten Sternblumen besäten, von Sonne be glänzten Wiese, einen kleinen Erdhügel unter dem Kopf, das eine Bein etwas hochgezogen, das andere darübergelegt, - wobei es jedoch Bocksbeine waren, die er kreuzte. Seine Hände fingerten, nur zu seinem eigenen Vergnügen, da die Einsamkeit über der Wiese vollkommen war, an einem kleinen Holzgebläse, das er im Munde hielt, einer Klarinette oder Schalmei, der er friedlich-nasale Töne entlockte, einen nach dem anderen wie sie eben kommen wollten, aber doch in geglücktem Reigen, und so stieg das sorglose Genäsel zum tiefblauen Himmel auf, unter dem das feine, leicht vom Winde bewegte Blätterwerk einzeln stehender Birken und Eschen in der Sonne flimmerte. Doch war sein beschau liches und unverantwortlich-halbmelodisches Dudeln nicht lange die einzige Stimme der Einsamkeit. Dps Summen der Insekten in der sommerheißen Luft über dem Grase, der Sonnenschein selbst, der leichte Wind, das Schwanken der Wipfel, das Glitzern des Blätterwerkes, - der ganze sanft bewegte Sommerfriede umher wurde gemischter Klang, der seinem einfältigen Schalmeien eine immer wechselnde und immer überraschend gewählte harmonische Deutung gab. Die symphonische Begleitung trat manchmal zurück und verstummte, aber Hans mit den Bocksbeinen blies fort und lockte mit der naiven Eintönigkeit seines Spiels den ausgesuchten kolorierten Klangzauber der Natur wieder hervor, - welcher endlich nach einem abermaligen Aussetzen, in süßer Selbstübersteigerung durch Hinzutritt immer neuer und höherer Instrumentalstimmen, die rasch nacheinan der einfielen, alle verfügbare, bis dahin gesparte Fülle gewann, für einen flüchtigen Augenblick dessen wonnevoll-vollkommenes Genügen aber die Ewig keit in sich trug. Der junge Faun war sehr glücklich auf seiner Sommerwiese ... Hier herrschte das Vergessen selbst, der selige Stillstand, die Unschuld der Zeit losigkeit ... “ Joseph Haydns Cellokonzert D-Dur gehört zu den beliebtesten Konzertwerken für dieses nicht eben reichlich mit virtuoser Literatur versehene Instrument. 1783 komponiert, erfreut sich das Werk, dessen Autograph lange Zeit als verschollen galt (was immer wieder zu Vermutungen Anlaß gab, daß das Konzert gar nicht von Haydn selbst stamme), seit jeher der Gunst der Spieler und Hörer durch seine eingängige, kantable, empfindungsreiche Melodik, seine Klangschönheit und seine klare dreisätzige Form. Der Cellopart ist ungemein dankbar für den Solisten. Er bietet reichlich Gelegenheit zu virtuoser und tonlicher Entfaltung. Am inhaltsreichsten sind die beiden schnellen Ecksätze, die das etwas verhaltene Adagio umsäumen. Schwärmerischer Ausdruck kennzeichnet den ersten Satz. Das Schlußrondo wird von kapriziöser Munterheit beherrscht, obwohl auch hier der schwärmerische Ton beziehungsweise leidenschaftlich drängende Moll-Episoden als Kontraste begegnen. Eine eigenartige Stellung in der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts nimmt Jean Sibelius, der Begründer der national-finnischen Kunstmusik, ein. Der„1865 in Hämeenlinna (Tavestehus, Finnland) Geborene sollte eigentlich Jurist werden, studierte jedoch Musik bei M. Wegelius in Helsinki, bei Albert Becker in Berlin und schließlich bei Karl Goldmark und Robert Fuchs in Wien. 1893 kehrte er wieder in die Heimat zurück, wirkte zunächst als Theorielehrer an iHelsinkier Musikschulen, bis er sich, da er vom finnischen Staat ein Stipendium auf Lebens zeit erhielt, gänzlich seinem kompositorischen Schaffen widmen konnte. 37 Kilo meter von Helsinki, in Järvenpää, ließ er sich 1904 in herrlichster Landschaft ein Haus bauen, in dem er bis zu seinem Tode im Jahre 1957 lebte und arbeitete. Seit 1929 veröffentlichte Sibelius keine Werke mehr. Er schrieb fortan nur noch Musik, die niemand, nicht einmal seine Frau, hören durfte. An Stapeln von Notenblättern klebten Etiketten: „Nicht anrühren" oder „Erst nach meinem Tode zu öffnen“. Aber der Nachlaß enthielt kaum Manuskripte. Der Komponist hatte offenbar alles kurz vor seinem Tode vernichtet. Er sagte einmal: „Diktatur und Krieg widern mich an. Der bloße Gedanke an Tyrannei und Unterdrückung, Sklavenlager und Menschenverfolgung, Zerstörung und Massenmord machen mich seelisch und physisch krank. Das ist einer der Gründe, warum ich in über zwanzig Jahren nichts geschaffen habe, was ich mit ruhigem Herzen der Öffent lichkeit hätte geben können. Ich habe manches geschrieben, aber etwas auf führen zu lassen, dazu fehlte mir ... ja, das wollte ich eben nicht.“ Zum Bilde Sibelius' gehört es auch, daß er sich kurz vor und nach der Jahr hundertwende der national-finnischen Freiheitsbewegung gegen die Unterdrük- kungsmaßnahmen der zaristischen Behörden anschloß. Seine berühmten Ton dichtungen nach dem finnischen Nationalepos „Kalewala" oder die sinfonische Dichtung „Finlandia“ stehen in engem Zusammenhang mit diesen nationalen Bestrebungen. Zu Sibelius’ wichtigsten Werken rechnen neben zahlreichen Liedschöpfungen, Klavierstücken, Volksliederbearbeitungen, Chören und einer Oper ein Violinkonzert, die sinfonischen Dichtungen und vor allem sieben Sinfonien, die den Komponisten als größten finnischen Sinfoniker ausweisen; So sehr auch der Meister von der Mythologie und Natur seines Landes zum Schaffen angeregt wurde, Motive aus der Volksmusik'verwendete er nirgends. Gleichwohl ist seine eigenständige, zwischen Spätromantik und neuen musika lischen Bestrebungen des 20. Jahrhunderts stehende Musik von ausgesprochen