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9. PHILHARMONISCHES KONZERT Festsaal des Kulturpalastes Dresden Sonnabend, den 11. Juni 1983, 20.00 Uhr Sonntag, den 12. Juni 1983, 20.00 Uhr oresonec olniHnsrnooniie» Dirigent: Peter Keuschnig, Österreich Solist: Gabor Lehotka, Ungarische VR, Orgel Georg Friedrich Händel 1685-1759 Konzert für Orgel und Orchester F-Dur op. 4 Nr. 4 Allegro Andante Adagio Allegro PAUSE Anton Bruckner 1824-1896 Sinfonie Nr. 7 E-Dur Allegro moderato Adagio (Sehr feierlich und sehr langsam) Scherzo (Sehr schnell) Finale (Bewegt, doch nicht schnell) PETER KEUSCHNIG, der 1940 in Wien geborene Di rigent, Pianist, Schlagzeuger und Doktor der Musik wissenschaft, ließ sich nach seinen Studien an Wiens Konservatorium, Musikhochschule und Universität pri vat von Ferenc Fricsay und Bruno Maderna zürn Diri genten ausbilden. Er gründete 1965 in Wien und lei tet seitdem das „Ensemble Kontrapunkte" aus Mit gliedern der Wiener Philharmoniker, Symphoniker und des ORF-Sinfonieorchesters, dessen Repertoire von der Klassik bis zur extremsten Avantgarde reicht, das bei vielen in- und ausländischen Festivals mitwirkte und eine große Zahl Funk- und Schal I plattenaufnahmen einspielte. 1972—1977 leitete er das Kammerorchester des Niederländischen Rundfunks und 1976—1982 „I Po- meriggi Musicali di Milano". Zahlreiche Gastver pflichtungen führten ihn an bedeutende Opernhäuser (wie die Deutsche Oper Westberlin, die Wiener Staats-, Volks- und Kammeroper, das Teatro La Fenice in Venedig) und zu namhaften Orchestern Österreichs, der BRD und Westberlins, der Niederlande, Schweiz, Norwegens, Großbritanniens, Spaniens, Italiens. Er ist u. a. dreifacher Alban-Berg-Preisträger und — seit 1981 — Präsident der Sektion Österreich der IGNM (Inter nationale Gesellschaft für Neue Musik). 1982 leitete er ein Konzert der Dresdner Philharmoniker in Wien. ZUR EINFÜHRUNG Georg Friedrich Händel, der große Zeitgenosse Bachs, in vielem sein Antipode, ließ im Jahre 1738 bei seinem Londoner Ver leger John Walsh als Opus 4 eine Sammlung Orgelkonzerte erscheinen, mit denen er diese Gattung gewissermaßen begründete. Bekannt lich war es eine Gewohnheit Händels, sich zwi schen den Akten seiner Oratorien auf der Or gel hören zu lassen. Er begann, wie Zeitge nossen uns überliefert haben, zunächst mit einem Präludium, dem er dann das Concerto folgen ließ, „welches er mit einem Grade von Geist und mutiger Sicherheit ausführte, dem niemals einer gleichzukommen sich vermaß". Was er bei derartigen Aufführungen meist improvisatorisch darbot, faßte er nun in die strenge Form eines Konzertes von drei bis vier Sätzen, „im Widerspiel von Tutti und Solo und ihrer gelegentlichen geistvollen Durch dringung" (W. Siegmund-Schultze). Dabei hat er für seine Orgelkonzerte stets nur die in time Kammerform der einmanualigen Orgel benutzt, ohne jede Pedalwirkung. Das Orgelkonzert F-Durop. 4 Nr. 4, wohl Händels berühmtester Schaffensbeleg in dieser Gattung, bereits 1735 vollendet, ist ein besonders weltfrohes, beschwingtes Werk. Der prächtige erste Satz (Allegro) beginnt mit einem aus volkstümlichen Dreiklangsbrechun gen gebildeten Thema in unisono, das in sei ner lapidaren Einfachheit eine der einpräg samsten Melodien Händels darstellt. Noch schöner ist der folgende B-Dur-Andantesatz, dessen Hauptthema sogleich vom Soloinstru ment eingeführt wird. Der Satz ist in seiner Verbindung von Innigkeit und Kraft, von kon- trapunktischer, virtuos-ornamentaler und volks liedhafter Thematik eines der herrlichsten Instrumentalstücke Händels. Nach einem kurzen Adagio folgt sodann das wirkungs volle Schluß-Allegro mit einem wiederum sehr einprägsamen Kopfmotiv. Anton Bruckners Sinfonie Nr. 7 E-Dur entstand zwischen September 1881 und September 1883. Am 30. September 1884 brachte der junge Arthur Nikisch in Leipzig das Werk zur erfolgreichen Uraufführung — ein Erfolg, der den Weltruhm Bruckners be gründete. Schon im Traume war dem Kompo ¬ nisten gesagt worden, daß die Sinfonie Erfolg haben würde. Vom grandiosen ersten Thema| des ersten Satzes erzählte er nämlich: „Dieses Thema ist gar nicht von mir. Eines Nachts erschien mir Dorn (es war dies ein Freund aus Linz) und diktierte mir das Thema, das ich sogleich aufschrieb: ,Paß auf, mit dem wirst du dein Glück machen!'" In der Tat ist Bruck ners „Siebente" wohl das beliebteste seiner Werke — dank der reichen, ja begnadeten melodischen Erfindung und des herrlichen Adagio. Nicht so sehr entscheidend ist der sin fonische Aufbau, der in allen Brucknerschen Sinfonien nahezu der gleiche ist. Ihre Sonder stellung verdankt die „Siebente" auch der blühenden Instrumentation, der farbigen, küh nen Harmonik. | Bruckners teils breit dahinströmende, teil rhapsodische lyrisch-epische Grundhaltung, die so viele seiner langsamen Sätze kenn zeichnet, wird auch zu Beginn der „Siebenten" spürbar. Das Hauptthema des ersten Satzes (Allegro moderato), das man schlechthin „das“ Brucknerthema nennen kann, steigt ruhig auf aus Streicher-Tremolo, über zwei Oktaven hin. Cello und Horn stimmen es an, Bratschen und Celli führen es fort. Max Dehnert nannte dieses Thema treffend „die Geburt der Melodie aus dem Geiste der Har monie". Das zweite Thema, das an Gesang- lichkeit dem ersten kaum etwas nachsteht und „wagnerisch" gleitende Harmonien auf weist, wandert von den Holzbläsern, von Oboe und Klarinette, zu den Violinen. Das „Erlebnis des Ergriffenseins von überwältigen der Schönheit und Erhabenheit" (G. Knepler) scheint sich in diesen Tönen auszudrücken. Die Feierlichkeit der Stimmung wird durch die aufsässig-tänzerischen Rhythmen des dritten Themas unterbrochen, bis dann die Durch führung wieder mit dem feierlichen Haupt thema (Posaunen) beginnt. Nach kunstvoller kontrapunktischer Verarbeitung der Themud leuchten sie in der Reprise alle nochmal großartig auf. Die Coda schließt mit einem gewaltigen Orgelpunkt mit dem klangpräch tig gesteigerten Hauptthema. Am zweiten Satz, einem feierlichen und erha benen Adagio, arbeitete Bruckner, als Richard Wagner, der von ihm so Verehrte, in Venedig krank darniederlag. Eine bange Ahnung hatte ihn befallen. Dem Dirigenten Felix Mottl schrieb er: „Einmal kam ich nach Hause und war sehr traurig; ich dachte mir, lange kann der Meister unmöglich mehr leben, da fiel mir das cis-Moll-Adagio ein". Bruckner