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Der österreichische Komponist Alban Berg, anfänglich kleiner Wiener Beamter, in den Jahren 1904 bis 1910 Schüler von Ar nold Schönberg, dessen spätere Komposi tionsmethode „mit 12 nur aufeinander bezo genen Tönen" in persönlicher Modifizierung Grundlage seines Schaffens wurde, 1930 zum Mitglied der Preußischen Akademie der Künste ernannt und 1933 von den Faschisten verboten, schuf mit seiner 1925 von Erich Kleiber an der Berliner Staatsoper uraufge führten Oper „Wozzeck" ein Hauptwerk des musikalischen Exoressionismus. In den 1913 komponierten und 1919 in Schönbergs „Ver ein für musikalische Privataufführungen" in Wien uraufgeführten Vier Stücken für Klarinette und Klavier op. 5, die Berg seinem Lehrer und Freund Schön berg widmete, drängen bereits eigene Züge ans Licht. Die zugrunde liegende Atonalität führt nicht zur Auflösung, vielmehr zur Bestä tigung der auf aphoristisch knappen Ausdruck gebrachten Form, die sich bewußt am Modell jener Miniaturen orientiert die Schönberg und Webern zwischen 1908 und 1912 in Reak tion auf die mammutartig aufgeblähten For men sinfonischer Musik im ersten Jahrzehnt des 20. Jh. geschaffen hatten. Dabei lassen Bergs vier kleine Stücke durchaus andeu tungsweise die viersätzige Sonatenform durch schimmern. Der 1934 in Engels (an der Wolga, heute Gebiet Saratow) geborene Alfred Schnittke, einer der bedeutendsten und international bekanntesten sowjetischen Kom ponisten der mittleren Generation, erhielt seine Ausbildung u. a. 1953—1958 am Mos kauer Konservatorium (bei J. Golubew und N. Rakow), wo er anschließend bis 1961 als Aspirant sowie bis 1972 als Lehrer für Instru mentation und Komposition wirkte. Seitdem ist er freischaffender Komponist, dessen um fangreiches und vielseitiges Werk sich bei nahe durchweg durch eine hohe Expressivität originelle Klanglichkeit und ernste Grundhal tung auszeichnet, beeinflußt u. a. von G. Mahler, A. Schönberg, Ch. Ives, D. Schosta- kowtsch, der fortgeschrittensten Materialent wicklung zugewandt, jedoch nicht ausgeliefert ist. Das Klavierquintett entstand in den Jahren 1972—1976 (in dieser Zeit, 1974/75, reifte u. a. auch das Requiem, das der Dresd ner Kreuzchor und die Dresdner Philharmoni ker unter Martin Flämig zu den diesjährigen Dresdner Musikfestspielen aufführen werden) und ist dem Andenken an seine Mutter ge widmet. Die Orchesterfassung dieses Werkes, die U. Roshdestwenski 1979 in Moskau ur aufführte, macht den inhaltlichen Bezug auch im Titel deutlich: „In memoriam" Der Kompo nist äußerte über das Klavierquintett: „Das Quintett kostete mich viel Zeit und Mühe weil ich nach dem ersten Satz nicht weiterkam. Ich hatte es mir ursprünglich streng konstriÄ tiv vorgestellt, mit allerlei symmetrischen uWP rückläufigen Spielen, doch wollte nichts le bendig werden. So verwarf ich eine Skizze nach der anderen, bis ich mir eines Tages das Risiko und den Luxus erlaubte, einfach so weiterzukomponieren, wie es auf mich eindrang. Das Stück mit seinen fünf Sätzen war dann schnell beendet. Das Quintett ist eines meiner ersten Werke nach langer Zeit, in denen keine Zwölfton technik verwendet, der thematische Zusam menhang aber durch verwandte Tongruppen hergestellt wird, welche auf chromatischer (auch mikrochromatischer) Ausfüllung eines Intervalls beruhen (darunter auch das B-A-C-H-Motiv als verschleierte Huldigung an die Stadt Leipzig und die Edition Peters, die das Stück in Auftrag gegeben hatte.) Die fünf kontrastlosen Sätze sind alle im langsamen Tempo gehalten. Der Einleitungs satz beginnt mit einem Klaviersolo und endet mit Kanon-Steigerungen der Streicher. Es folgt ein melancholischer .Schatten'-Walzer, in welchem das B-A-C-H-Motiv eine Rolle spielt. Die Sätze 3 und 4 greifen die Stimmung des ersten Satzes mit den Streicher-KanaÄ und den beschwörenden, manischen OrgWI punkten wieder auf, die zum Umbruch im letzten Satz führen. Dieses pastorale Finale ist eine .Spiegel'-Passacaglia, in der das Thema .oben' und die Schatten der früheren Themen .darunter' disponiert sind. In diesem Werk wurde auch eine neotonale Idee verwirk licht: die enharmonische Auflösung des In tervalls c-cis (das in allen Sätzen als harmo nische Stütze vorkommt) nach Des-Dur im Finale." Programmblätter der Dresdner Philharmoniker Redaktion: Dr. habil. Dieter Hartwig Spielzeit 1981/82 — Chefdirigent: Prof. Herbert Kegel Druck: GGV, Prod.-Stätte Pirna 111-25-12 ItG 009-19-82 EVP: 0,10 M