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3. ZYKLUS-KONZERT JOSEPH HAYDN UND DER KLASSIZISMUS Festsaal des Kulturpalastes Dresden Sonnabend, den 21. Nove'mber 1981, 20.00 Uhr Sonntag, den 22. November 1981, 20.00 Uhr Joseph Haydn 1732-1809 Die Schöpfung Oratorium für Soli, Chor und Orchester Text nach Miltons „Verlorenem Paradies" von Lidley, ins Deutsche übertragen von Gottfried van Swieten Einleitung und Rezitativ (Raphael, Uriel, Chor) Arie (Uriel) mit Chor Rezitativ (Raphael) Solo (Gabriel) und Chor Rezitativ (Raphael) Arie (Raphael) Rezitativ (Gabriel) Arie (Gabriel) Rezitativ (Uriel) Chor • |»tiv (Uriel) itativ (Uriel) Chor mit Soli (Gabriel, Uriel, Raphael) Rezitativ (Gabriel) Arie (Gabriel) Rezitativ (Raphael) Rezitativ (Raphael) Terzett (Gabriel, Uriel, Raphael) Terzett (Gabriel, Uriel, Raphael) mit Chor Dirigent: Herbert Kegel Solisten: Gabriel, Eva: Jana Jonäsovä, CSSR, Sopran Uriel: Raphael, Adam: Eberhard Büchner, Berlin, Tenor Hermann Christian Polster, Leipzi Baß Chor: Philharmonischer Chor Dresden Einstudierung Matthias Geissler Rezitativ (Raphael) Rezitativ (Raphael) Arie (Raphael) Rezitativ (Uriel) Arie (Uriel) (Raphael) Sabriel, Uriel, Raphael) Chor Rezitativ (Uriel) Duett (Eva, Adam) und Chor Rezitativ (Adam, Eva) Duett (Adam, Eva) Rezitativ (Uriel) Schlußchor mit Soli itiv Terzett ERSTER TEIL Die Vorstellung des Chaos Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde Nun schwanden vor dem heiligen Strahle Und Gott machte das Firmament Mit Staunen sieht das Wunderwerk Und Gott sprach: „Es sammle sich das Wasser" Rollend in schäumenden Wellen Und Gott sprach: „Es bringe die Erde Gras hervor" Nun beut die Flur das frische Grün Und die himmlischen Heerscharen Stimmt an die Saiten Und Gott sprach: „Es sei'n Lichter an der Feste" In vollem Glanz steiget jetzt Die Himmel erzählen die Ehre Gottes ZWEITER TEIL Und Gott sprach: „Es bringe das Wasser" Auf starkem Fittiche schwinget sich Und Gott schuf große Walfische Und die Engel rührten ihre Harfen In holder Anmut stehn Der Herr ist groß in seiner Macht - PAUSE - Und Gott sprach: „Es bringe die Erde hervor“ Gleich öffnet sich der Erde Schoß Nun scheint in vollem Glanze der Himmel Und Gott schuf den Menschen Mit Würd' und Hoheit'angetan Und Gott sah jedes Ding Vollendet ist das große Werk Zu dir, o Herr, blickt alles auf Vollendet ist das große Werk DRITTER TEIL Aus Rosenwolken bricht Von deiner Güt’, o Herr und Gott Nun ist die erste Pflicht erfüllt Holde Gattin! Dir zur Seite O glücklich Paar! Und glücklich immerfort Singt dem Herrn alle Stimmen ZUR EINFÜHRUNG Dreißig reiche Schaffensjahre hatte Joseph Haydn am Hofe von Fürst Nikolaus Esterhazy in scheinbarer Abgeschiedenheit vom bürgerli chen Emanzipationskampf, der das damalige Europa in Atem hielt, verbracht, ehe er erstmals mit dem bereits zu beeindruckender Höhe ge langten bürgerlichen Musikbetrieb in London in Berührung kam. Das Musikleben Englands war demokratisiert wie kaum anderswo in Europa. Haydn empfing neben vielfältigsten Ehrungen eine Fülle wertvoller Anregungen. Mit der Kom position der zwölf Londoner Sinfonien krönte er sein mehr als einhundert Werke umfassendes instrumentalsinfonisches Schaffen. Gleichzeitig wandte er sich unter dem Eindruck der Auffüh rung Händelscher Oratorien der Vokalsinfonik zu, die fortan ins Zentrum seines schöpferischen Wirkens rückte. Das Textbuch der „Schöp fung", das Haydn von London mit nach Wien genom’men hat, soll sogar ursprünglich Händel zugedacht gewesen sein. Die Verankerung des Textes der „Schöpfung" im Deismus des 18. Jahrhunderts ist unbestrit ten. Der Deismus führte die religiösen Glau bensvorstellungen auf eine „natürliche Reli gion" zurück, wodurch der Glaube der Vernunft unterworfen wurde und vom religiösen Wun derglauben nur das Urwunder „Schöpfung" üb rig blieb. Diese Auffassung hatte im fortge schrittenen England kräftigen Auftrieb erhalten und förderte in Frankreich die Herausbildung einer selbständigen bürgerlichen Ideologie. Männer wie Voltaire, Rousseau u. a. bekannten sich zum Deismus, so daß er im Bunde mit dem französischen Materialismus als Mitstreiter bei der Beseitigung der religiösen Hindernisse auf dem Wege der bürgerlichen Revolution er scheint. Die Deisten ließen die Vorstellung von Gott als Weltschöpfer gelten, stellten aber jed weden Einfluß Gottes auf den in der Natur der Sache selbst begründeten Lauf der Welt in Ab rede. Kein Wunder deshalb, daß die konse quentesten Deisten aus den revolutionären Auseinandersetzungen a,ls Atheisten hervor gingen. In dieser Sicht wird deutlich, weshalb Haydns „Schöpfung“ (1798) nur mehr den Gip fel einer Reihe von Schöpfungs-Kompositionen bildet und weshalb sie vorn Tage ihres ersten Erklingens an von der gesamten fortschrittlichen Welt begeistert aufgegriffen wurde und eine beispiellose Verbreitung fand. Gewiß, Haydn standen für die Bewältigung die ser Aufgabe wesentlich andere Mittel zur Ver fügung, als sie Händel noch gegeben gewesen wären. Unter Haydns eigenen Händen waren die neuen musikalischen Ausdrucksprinzipien des Sinfonischen zu bis dahin unerreichter Höhe gediehen, so daß ihn der an künstlerischen Bil dern reiche, wechselhafte, die unterschiedlich sten Emotionen bewegende und gedanklich zum Grundanliegen der Epoche vorstoßende Text nach seinen Londoner Erlebnissen faszinie ren und zur Komposition regelrecht zwingen mußte. Denn in der Sinfonik verkörperte sich das revolutionäre Neue. Es fand Ausdruck in der Kunst der Abstufungen, der nuancenreichen Schattierungen, des belebten, wechselnden Ausdrucks, des Hell-Dunkel nicht nur im Kon trast, sondern in den Übergängen im Werden und Vergehen. Wie kein zweiter beherrse.^B Haydn diese Kunst, als er auf den Text rW Schöpfung aufmerksam wurde. Dem Orchester fielen neue Aufgaben zu. Es wuchs damit über die herkömmliche Begleiterrolle für Chor und Solisten hinaus in eine eigenständige musikali sche Gestalterfunktion hinein. Eine organische Einheit von Chor und Orchester, vokaler und in strumentaler Musik galt es nunmehr bei Wah rung weitgehender gestalterischer Selbständig keit zu schaffen, so daß Haydn nicht nur hin sichtlich der inhaltlichen Aussage, sondern auch im Hinblick auf die musikalische Technik vor ei ner epochalen Aufgabe, der Synthese von Sinfo nischem und Oratorischem, stand. „Die Welt macht mir zwar täglich viele Komplimente über das Feuer meiner letzteren Arbeit, aber niemand will mir glauben, mit welcher Mühe und An strengung ich dasselbe hervorsuchen muß“, schreibt Haydn unter dem 12. Juni 1799 an den Verleger Breitkopf in Leipzig und gesteht damit indirekt ein, daß die Größe der Aufgabe ihm das Äußerste an Kraft 'abverlangt hatte. Das Prinzip der sinfonischen Dialektik äußert sich im Groben in widersprüchlich konzipierten musikalischen Charakteren, deren Bewegung und Entfaltung ein Lösungszwang innewohij|| Wie sich in der Frage bereits die Antwoi?*t^B zeichnet, beruhen diese sinfonischen Konflikt gestaltungen auf einander bedingenden Ge- gensätzenn. Die musikalische Gestaltung des Chaos schließt bereits dessen Überwindung und Ersetzung durch eine neue Ordnung ein. Drei mal hintereinander gestaltet Haydn program matisch diese das Jahrhundert der Aufklärung beseelende Idee zu Beginn des Oratoriums, zu erst in der Einleitung, der „Vorstellung des Chaos,“ komponiert im nachtschwarzen c-Moll, das zu den Worten „. . . und es ward Licht“ sich in strahlendes C-Dur ergießt, danach in der Arie Uriels, „Verwirrung weicht, und Ordnung keimt empor“, und schließlich in fesselnder dra matischer Gestaltung des Sturzes der „Höllen-