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Programm Ludwig van Beethoven Carl Maria von Weber Ludwig van Beethoven (1770-1827) Ouvertüre zu Goethes „Egmont" op. 84 Carl Maria von Weber (1786-1826) Konzert für Klarinette und Orchester Nr. 1 f-Moll op. 73 Allegro Adagio ma non troppo Rondo (Allegre.tto) PAUSE Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847) Sinfonie a-Moll op. 56 (Schottische Sinfonie] Andante con moto - Allegro poco agitato Vivace non troppo Adagio Allegro gueriero, vivacissimo - Allegro maestoso assai Dirigent: Johannes Winkler Solist: Hans-Detlef Löchner, Klarinette Wie auch in anderen musikalischen Gattungen und Formen, stößt Ludwig von Beethoven in seinen Ouvertüren inhaltlich wie formal in neue musikalische Bereiche vor. War die Opernouvertüre noch bis zu Händel ein vom musikalischen Inhalt des nachfolgenden Werkes losgelöster Teil, der als italienische bzw. französische Ouvertüre nach ganz bestimmten Schemen gebaut war, gingen Gluck und später Mozart durch die Ouvertüre stimmungsmößig auf den Inhalt der betreffenden Oper ein, so erhält sie bei Beethoven einen ganz deutlich programmatischen Charakter. Zu seiner einzigen Oper „Fidelio schrieb Beethoven allein vier Ouvertüren — die Fidelio-Ouvertüre und die drei Leonoren- Ouvertüren -,die deutlich das Ringen des Komponisten um eine immer sich steigernde inhaltliche und formale Präzisierung seines Programms widerspiegeln. Dabei verwendet er in ihnen auch thematische Anklänge, wenn nicht ganze Themen aus der Oper selber. Deutlicher aber fast noch in der Absicht mußten seine Ouvertüren zu Dramen des Sprechtheaters sein. Hat die zu dem Stück „Coriolan" — einer Bearbeitung des Shakespeareschen Dramas — das Schauspiel selbst überdauert, so hat sich die heute erklingende Ouvertüre zu Goethes Trauerspiel „Egmont“ sowohl im Theater wie im Konzertsaal durchgesetzt. Ent standen in der Epoche wachsenden Widerstandes Europas gegen die Unter drückung durch Napoleon, in der patriotischen Periode auch des Komponisten, in der geistigen Nähe des „Fidelio", der 5. und der 7. Sinfonie, wurde die Schauspielmusik zu Goethes „Egmont", aus der Ouvertüre und neun weiteren Teilen bestehend, am 15. Juni 1810 das erste Mol gespielt. Beethoven erweiterte diese, wie seine anderen Ouvertüren zu sinfonischen Dichtungen, die die wesentlichen Konflikte des Dramas musikalisch schildern. Das Werk beginnt mit schweren, dumpfen Akkorden im Sarabandenrhythmus, die die Last des spanischen Unterdrückers, die dumpfe Figur Albas charakterisieren (die Sara bande war ein spanischer Tanz!). Klagende Seufzer der Holzbläser erheben sich aus dieser lastenden Stimmung. Sie werden dringender, treten auch in den Streichern auf, doch dann wechselt die Farbe: Aus Klage wird Anklage, aus Unterdrückung wird Kampf gegen die Unterdrückung. Ein Allegro schwillt an, ein stolzes Thema erklingt in den Celli, die Motive werden kürzer, härter, dann vereint sich das ganze Orchester im Kampf. In der Verkürzung, rhythmisch aber genau erkennbar, erscheint das Sarabandenmotiv aus der Einleitung — der Gegner ist noch da. Doch setzt sich die kämpferische Stimmung wieder durch, der Allegroteil wiederholt sich, wieder ertönt das gegnerische Sarabandenmotiv, diesmal schon fast triumphierend. Im Pianissimo der Holzbläser scheint der Freiheitswille zu ersterben, doch da bricht der Triumph des wahren Sieges her vor, leise zuerst, dann immer mehr sich steigernd, immer stärker werdend erheben sich die stolzen Siegesfanfaren dieses Schlußteils, die nicht nur in dieser Ouvertüre, sondern gleichlautend in der Siegessinfonie am Schluß des gesamten Dramas verkünden: Wenn auch der Freiheitsheld Egmont fallen mußte, siegt die Freiheit des Volkes dennoch. Das Klarinettenkonzert f-Moll komponierte Carl Maria von Weber 1811 in München für den damals sehr bekannten Klarinettisten H. J. Baermann, mit dem Weber auch auf Konzertreisen ging. 1812 zum Beispiel konzertierten die beiden in Dresden, wo sie jedoch wenig Erfolg hatten. Weber fühlte sich ignoriert, und in seinem Tagebuch lesen wir die bitteren Worte: „Nie habe ich einen Ort gefunden, wo wir von Seiten der Bewohner so miserabel aufgenommen worden sind: Dresden erwischt uns nicht wieder!" Ob Weber damals wohl ahnte, daß ihm Dresden einmal zu seiner zweiten Heimat werden würde? Nun, wie dem auch sei: Einmal erfahren wir dadurch, daß Carl Mario von Weber tatsächlich jahrelang als Solist und Virtuose gereist ist, und zum zweiten, daß er die Eigenarten der Klarinette ganz aus der Praxis heraus aufs gründlichste kennenlernte. Aber noch mehr: Durch die Reisen mit Baermann lernte Weber die Klarinette nicht nur kennen, sondern auch so innig lieben, daß er für dieses typisch romantische Instrument nicht nur das Konzert in f-Moll schrieb, sondern auch noch eines in Es-Dur, dazu ein Concertino und ein Quintett für Klarinette mit Streichinstrumenten Das Konzert f-Moll ist also aus der Praxis reisender Virtuosen heraus entstanden, geschrieben für ein Publikum, das sich vor ollem an Technik und Brillanz er götzen wollte, ein ausgesprochen virtuoses Werk und ein rechtes Bravourstück für die Klarinette. Nicht vergessen hat Weber dabei die tiefen Klangregionen dieses romantischen Instrumentes, die uns ein wenig an die Welt des „Freischütz" erinnern. Den ersten Satz (Allegro) beginnen die Streicher mit einer zarten Einleitung, die das „Freischütz''-nahe Hauptthema andeutet, bis nach einer Fermate das Orchester voll mit dem prägnanten ersten Thema einsetzt, dem die Klarinette mit einem Gesangsthemo antwortet. Es wird dann durch Sechzehntelfiguren und Trioienmotive aufgelockert und bis zu einer von Baermann stammenden Kadenz weitergeführt. Nach kurzem Orchesterzwischenspiel stimmt die Klarinette ein zweites Gesangsthema resignierenden Charakters an, das aber schnell von beweglichen Passagen kontrastiert wird, die zum Hauptthema führen. Im zweiten Satz (Adagio ma non troppo) gibt Weber dem Soloinstrument sofort das Wort mit einer elegischen Melodie. Den Höhepunkt des Satzes bildet die Kombination der drei Hörner mit der über ihrem warmen Klanggrund klagend singenden Klarinette. Im abschließenden Rondo (Allegretto) mit kapriziösem Thema und vielfarbigen Refrains und Couplets hat der Solist dann wieder die Möglichkeit, mit allen Künsten virtuosen Spiels zu brillieren.