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9. ZYKLUS- KONZERT KONTRASTE Festsaal des Kulturpalastes Dresden Sonnabend, den 10. Mai 1980, 20.00 Uhr Sonntag, den 11. Mai 1980, 20.00 Uhr oNIhsirooooiö Dirigent: Herbert Kegel Solistin: Russudan Gwassalija, Sowjetunion, Violine Wolfgang Amadeus Mozart 1756-1791 Divertimento D-Dur KV 136 Allegro Andante Presto Sergej Tanejew 1856-1915 Konzertsuite für Violine und Orchester op. 28 Präludium (Grave) Gavotte (Allegro moderato) Märchen (Andantino) Thema (Andantino) mit Variationen Tarantella (Presto) Erstaufführung Igor Strawinsky 1882-1971 PAUSE Le Sacre du Printemps (Das Frühlingsopfer) Bilder aus dem heidnischen Rußland in zwei Teilen 1. Teil: Die Anbetung der Erde (Introduktion — Die Vorboten des Frühlings, Tanz der Jünglinge — Das Spiel der Entführung — Frühlingsreigen — Kampfspiel der feindlichen Städte — Auftritt des Weisen — Anbetung der Erde, Tanz der Erde) 2. Teil: Das Opfer (Introduktion — Geheimnis volle Reigen der Mädchen — Verherrlichung der Auserwählten — Anrufung der Ahnen — Ritual tanz der Ahnen — Opfertanz der Auserwählten) ZUR EINFÜHRUNG Zwischen 1770 und 1774 schuf Wolfgang Amadeus Mozart zahlreiche Quartett- Kompositionen. Zu den frühesten Werken dieses Genres zählen auch die drei Divertimenti für Streichquartett KV 136, 137 und 138, die in den ersten Monaten des Jahres 1772 für festliche Gelegenheiten in Salzburg geschrieben wurden. Der Mozart-Biograph Alfred Einstein vermutet, daß sie auch als Vorrat für die letzte italienische Reise bestimmt waren, wo Mozart, mit der Arbeit an „Lucio Silla" beschäftigt, nicht durch Sinfo niekompositionen unterbrochen werden wollte. Nicht immer fand der 16jährige Mozart bereits vollste Anerkennung als Komponist. So überlie fert uns ein Zeitgenosse: seine frühen Orche sterstücke seien „ein Beweis mehr, daß früh zeitige Früchte mehr ungewöhnlich als vortreff lich sind". Die Bezeichnung Divertimento, wo runter eine suitenähnliche Kompositionsform leichter, unterhaltsamer Art zu verstehen ist, dürfte bei der obengenannten Werkgruppe kaum von Mozart selbst stammen, da in diesen Werken die obligatorischen Menuetts fehlen. Durchgehend dreiteilig ist die formale Anlage der drei Divertimenti, die wie italienische Strei chersinfonien für den Konzertgebrauch anmu ten. Der ausgesprochene sinfonische Gehalt der Quartette fordert geradezu eine orchestrale Be setzung, wie sie in unserer Aufführung verwirk licht wird. Das den heutigen Abend eröffnende Divertimento D-Dur KV 136 ist eine fesselnde, reizvolle Spielmusik, stilistisch deut lich beeinflußt von Johann Christian Bach und von Joseph Haydn. Leichtigkeit in der Erfindung, bestrickende melodische Süße, verspielter Über mut, aber auch schwärmerische Melancholie Als der jungen sowjetischen Geigerin RUSSUDAN GWASSALIJA der 2. Preis des V. Internationalen Tschaikowski-Wettbewerbes 1974 in Moskau zuerkannt wurde, äußerte der Jury-Vorsitzende David Oistrach: „Sie ist ein glänzendes Talent von großer künstlerischer Ausstrahlung. Sie gewinnt die Herzen der Zuhörer durch die Wahrhaftigkeit und Unmittelbarkeit ihrer Vortragskunst." Schon im Alter von sechs Jahren begann sie mit dem Violinstudium an der Zentralen Musik schule des Konservatoriums ihrer Heimatstadt Tbilissi. Sie gewann den 1. Preis des Transkaukasischen Wett bewerbes und wurde Laureat des Allunionswettbe werbes. Ihre Ausbildung setzte sie am Konservatorium von Tbilissi in der Violinklasse von Prof. Schiukasch- wili fort und schloß sie bei David Oistrach am Mos kauer Konservatorium ab. Seitdem konzertiert sie er folgreich im In- und Ausland. Bei der Dresdner Phil harmonie ist sie erstmalig zu Gast anläßlich der Tage der Freundschaft und Kultur der UdSSR in der DDR. sind Vorzüge der liebenswürdigen Komposition. Der I. Satz, ein „singendes" Allegro, beein druckt besonders durch virtuos-konzertanten Einsatz der Violinen, während sich der langsame Satz, ein Andante, anmutig-zärtlich, typisch ita lienisch gibt. Mit leichter Hand ist das Schluß- presto entworfen, dessen kurzer Durchführungs teil kontrapunktisch-imitatorisch beginnt. Sergej Tanejew wurde 1856 in Wladimir geboren. Seine Ausbildung erhielt er am Mos kauer Konservatorium bei Tschaikowski (Kom position) und Nikolai Rubinstein (Klavier). 1878 wurde er Tschaikowskis Nachfolger in den Klei sen für Harmonielehre und Instrumentation urf 1881, nach dem Tode Rubinsteins, Professor in der Pianistenklasse. Von 1885 bis 1889 war Ta nejew Direktor des Konservatoriums. 1905 nahm er seinen Abschied, weil er mit den bürokrati schen Maßnahmen der Direktion nicht einver standen war, und beteiligte sich aktiv an der Gründung eines Volkskonservatoriums. Die letz ten Jahre seines Lebens vergingen mit tatkräfti ger musikalischer, wissenschaftlicher und päd agogischer Arbeit, die großen Einfluß auf die Entwicklung des Moskauer Musiklebens hatte. Er wurde das Haupt und das Gewissen des mu sikalischen Moskau, hochgeachtet bis zu seinem Tode im Jahre 1915. In seinem Schaffen neigte Tanejew zu philoso phisch-epischer Thematik, wobei er Ideen und Gestalten der fernen Vergangenheit aufgriff, so in seiner Operntrilogie „Die Orestie". Von seinen vier Sinfonien ist die 4. in c-Moll am be kanntesten geworden. Den modernen Strömun gen seiner Zeit gegenüber verhielt er sich ab lehnend. In seinen Werken sind die Traditionen der klassischen Kunst, Meisterschaft und Tiefe des schöperischen Gedankens vereint. 1909 er schien sein theoretisches Hauptwerk „über dar imitierenden Kontrapunkt im strengen Stil", aw Frucht zwanzigjähriger Arbeit. Tanejew bildete eine Generation bedeutender Musiker heran, darunter Skrjabin, Rachmaninow, Ljapunow, Gliör u. a. Als hervorragender Pianist, als Inter pret von Bach, Mozart, Beethoven, Tschaikowski und seiner eigenen Werke genoß er, auch in Deutschland und in der Tschechoslowakei, gu ten Ruf. Einen angesehenen Platz in der russischen Gei genliteratur nimmt seine Konzertsuite für Violine und Orchester op. 28 aus den Jahren 1908/09 ein, die von dem Auer- Schüler Boris Sibor uraufgeführt wurde. Charak teristisch ist in diesem Werk die freie, romanti sche Ausschöpfung der tänzerischen Musik, das