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DRESDNER PHILHARMONIE Sonnabend, den 19. Juni 1976, 20.00 Uhr Sonntag, den 20. Juni 1976, 20.00 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 10. PHILHARMONISCHES KONZERT Dirigent: Heinz Bongartz, Dresden Solist: Rolf-Dieter Arens, Leipzig, Klavier Anton Bruckner 1824-1896 Sinfonie Nr. 3 d-Moll Misterioso (Ziemlich (Allegro) Gemäßigt, mehr Adagio, bewegt, Scherzo Finale bewegt, quasi Andante schnell) PAUSE Camille Saint-Saens 1835-1921 Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4 c-Moll op. 44 Allegro moderato - Andante Allegro vivace — Andante — Allegro Erstaufführung Maurice Ravel 1875-1937 Rapsodie espagnole Prelude d la nuit Malaguena Habanera Feria ROLF-DIETER ARENS, einer der profiliertesten jüngeren Pianisten unserer Republik, wurde 1945 in Zinnwald geboren. Nach erster Unterweisung im Klavierspiel durch Prof. Oswin Keller in Leipzig studierte er von 1963 bis 1968 an der Leipziger Musikhochschule bei Prof. Heinz Volger. Am gleichen Institut wurde er 1968 Aspirant, 1970 Assistent und 1972 Oberassistent. 1966 errang der Künstler ein Diplom im Liszt-Bartok-Wettbewerb in Budapest, 1968 beim III. Internationalen Bach-Wettbewerb in Leipzig, erhielt im gleichen Jahr einen 2. Preis anläßlich der Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Sofia und 1971 einen Sonderpreis beim Marguerite-Long-Jacques-Thibaud-Wettbewerb in Paris. 1973 nahm er am internationalen Mozart-Kurs bei Paul Badura-Skoda in Wien teil. 1975 wurde er Preisträger des Unesco- Wettbewerbes der Rundfunkanstalten. Rolf-Dieter Arens konzertierte erfolgreich in der DDR, CSSR, in Bulgarien, in der Sowjetunion, in Zypern, Frankeich, Italien und in der Schweiz und produzierte zahlreiche Funk- und Fernsehaufnahmen. Bei der Dresdner Philharmonie gastierte er seit 1971 wiederholt. ZUR EINFÜHRUNG „Symfonie in d-Moll, Sr. Hochwohlgeboren Herrn Richard Wagner, dem uner reichbaren, weltberühmten und erhabenen Meister der Dicht- und Tonkunst in tiefster Ehrfurcht gewidmet" — schrieb Anton Bruckner 1872 über einen Entwurf zur Sinfonie Nr. 3 d - M o I I , die er in ihrer 1. Fassung von 1873 mit einer Reihe von Zitaten aus Wagners Bühnenwerken durchwob. Während der Skizzenarbeit an der Sinfonie stattete Bruckner im September 1873 Wagner sei nen berühmt gewordenen Besuch in Bayreuth ab. Wagner nahm die Widmung der 3. Sinfonie an. Als er 1874 die Partitur erhielt, ließ er Bruckner durch Cosima Wagner danken und stellte eine Einladung zu den Bayreuther Festspielen 1876 in Aussicht. Da es zu einer Uraufführung nicht kam, arbeitete Bruckner 1876/77 die Sinfonie um. Diese zweite Fassung des Werkes, die in unserer heutigen Auf führung erklingt, erlebte am 16. Dezember 1877 unter der Leitung des Kompo nisten in Wien ihre Uraufführung, auf die Publikum und Kritik jedoch negativ reagierten, was den Komponisten veranlaßte, 1888 89 noch eine dritte Fassung herzustellen, die 1890 unter Hans Richter in Wien erstmals dargeboten wurde. In seiner 3. Sinfonie zeigt sich deutlich das ganz eigene Verhältnis Bruckners zu Wagner. Wenn auch die direkten Zitate in der 2. und 3. Fassung eliminiert wur den, „wagnert" es in der Sinfonie durchaus reichlich. Dennoch kann man nicht von Epigonentum, von Abhängigkeit, höchstens von einer musikalischen Geistesver wandtschaft sprechen. Immerhin hat Bruckner ja die instrumentatorischen und harmonischen Errungenschaften Wagners auf die Gattung der Sinfonie übertra gen. Am Beginn des ersten Satzes steht - vor dunklem Streicherhintergrund — ein sich zu kraftvoller Männlichkeit steigerndes Trompetenthema, dem ein zweites gesanglich-idyllisches Thema folgt. Heroisch, in Oktaven, schreitet das dritte The ma einher. Daneben wird ein Zitat aus der d-Moll-Messe wichtig, das Bruckner ncch einmal in seiner letzten, unvollendet gebliebenen neunten Sinfonie ein setzte. Im Gedenken an den Geburtstag seiner Mutter schrieb der Meister den zweiten Setz mit seiner überwiegend elegischen Stimmung der drei Themen (im vollen Streichersalz das erste, in den Bratschen das zweite, geheimnisvoll-verklärt wirkt das dritte). Wie im ersten Satz kommt es auch im langsamen Teil der Sinfonie zu ausgesprochen dramatischen Ausbrüchen. Das Scherzo ist zweifellos von einem österreichischen Bauerntanz beeinflußt worden. Aus spielerischen Geigenfiguren und dem Pizzicato der Bässe entfaltet sich das eingängige Hauptthema, das an das Hauptthema des ersten Satzes erinnert. Anmutig ist der Kontrast, den das Trio bietet, das ebenfalls der öster reichischen Volksmusik verpflichtet ist. Das Finole wird mit einem monumentalen Bläserthema eingeleitet. Das fol gende gesangliche Doppelthema (als Choral in den Bläsern, tänzerisch-be schwingt in den Steichern) deutete Bruckner selbst: „So ist das Leben. Die Polka bedeutet den Humor und den Frohsinn in der Welt — der Choral das Traurige, Schmerzliche in ihr." Doch alles Schmerzliche ist am Ende der Sinfo nie überwunden (ein drittes kämpferisches Oktaventhema trägt dazu bei). Sieg haft-strahlend erklingt zum Ausklang des Werkes das Hauptthema des ersten Satzes, gleichsam als optimistisches Bekenntnis zum Leben. Neben dem völlig andersgearteten Berlioz war Camille Saint-Saens der größte französische Musiker des 19. Jahrhunderts. Frühzeitig als Wunderkind hervorgetreten, Schüler des Pariser Konservatoriums teilweise auch Autodidakt,