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Mittwoch, den 28. Januar 1976, 20.00 Uhr Donnerstag, den 29. Januar 1976, 20.00 Uhr Festsaal des Kuiturpalastes Dresden DRESDNER PHILHARMONIE 4. PHILHARMONISCHES KONZERT Gastspiel des Berliner Sinfonie-Orchesters Dirigent: Kurt Sonderling Robert Schumann Ouvertüre zu dem dramatischen Gedicht „Manfred" 1810-1856 von Lord Byron op. 115 Allegro vivace Andante cantabile Menuett Finale (Allegro molto) Wolfgang Amadeus Mozart Sinfonie C-Dur KV 551 (Jupiter-Sinfonie) 1756-1791 PAUSE Peter Tschaikowski 1840-1893 Sinfonie Nr. 5 e-Moll op. 64 Andante - Allegro con anima Andante cantabile con alcuna licenza Valse Finale (Andante maestoso - Allegro vivace) KURT SANDERLING, im Jahre 1912 geboren, stammt aus Arys. Nach Studien als Pianist und Dirigent im ehemaligen Königsberg und in Berlin war er zunächst an der Städtischen Oper Berlin tätig. 1935 emi grierte er über die Schweiz in die Sowjetunion, wo er seit 1936 als Dirigent beim Moskauer Rundfunk, sodann von 1942 bis 1959 bei der Leningrader Phil harmonie wirkte. Hier wurde er als Verdienter Künstler der RSFSR ausgezeichnet. Seit 1960 leitet Prof. Kurt Sanderling das Berliner Sinfonie-Orchester. Von 1964 bis 1967 war er außerdem Generalmusikdirektor der Staats theater Dresden. Zahlreiche Gastspiele führten den 1962 mit dem Nationalpreis ausgezeich neten Künstler, der auch viele Schallplatten-Aufnahmen produ zierte, in alle Musikzentren Europas. Bei der Dresdner Philharmonie war er seit 1963 wiederholt zu Gast. Berliner Sinfonie-Orchester (gegründet 1952) ZUR EINFÜHRUNG Zu den bedeutendsten Werken, die Robert Schumann während seiner Dresdner Zeit schrieb, gehört die 1848 49 entstandene Musik zu dem dramati schen Gedicht „Manfred" des englischen Dichters Lord Byron (1788-1824). Der Komponist schuf zu dem 1817 erschienenen philosophischen Versdrama Byrons, des neben Shelley hervorragendsten Repräsentanten der revolutionären Romantik in England, eine 15 Nummern umfassende Bühnenmusik, die aus Ouvertüre, Zwischenaktmusik, Solo- und Chorpartien sowie Melodramen besteht und insgesamt erstmals am 13. Juni 1852 unter Franz Liszt im Weimarer Hof theater zur (szenischen) Aufführung gelangte. Die Dichtungen Byrons, dessen Protest gegen die Wirklichkeit seiner Zeit allerdings vorwiegend in einer pessimistischen Haltung des „Weltschmerzes" zum Ausdruck kam, übten — wie auf zahlreiche Künstler seiner Epoche - auch auf Schumann eine faszinierende Wirkung aus. An „Manfred" inspirierte ihn der Charakter des mit großer persönlicher Schuld beladenen, leidenschaftlichen und empfindsamen Titelhelden, dessen rastloses Wollen und dessen Streben nach Erkenntnis tragisch scheitern müssen und der schließlich in tiefem Pessimismus endet. Die „Manfred"-Musik op. 115 ist heute als Gesamtwerk durch ihre enge Bindung an die nur noch als Kultur- und Zeitdokument bedeutsame Dichtung Byrons nicht mehr lebensfähig. Die im März 1852 in Leipzig uraufgeführte Ouvertüre jedoch, eine der gelungensten Orchesterschöpfungen Schumanns, ist auch für uns noch (auch ohne genaue Kenntnis des Drameninhalts) verständlich und außerordentlich eindrucksvoll. Das von stärkster Ausdruckskraft erfüllte geniale Werk stellt ein gewaltiges Seelengemälde in der musikalischen Form einer freien Fantasie dar. Während in der langsamen Einleitung die gegensätzlichen Charakterzüge des Helden — ruheloses Streben und schmerzliches Resignieren - geschildert werden, gibt der folgende Allegro-Teii dem Ringen und Kämpfen des schuldbeladenen Manfred Ausdruck, wobei nach heldenhaftem Aufbegehren und leidenschaftlich erregten Ausbrüchen allmählich Verzweiflung und Resignation dominieren. In einem kurzen langsamen Schlußteil verklingt die Komposition in zarter Erlösungs stimmung. Wolfgang Amadeus Mozarts große C-Dur-Sinfonie KV 551, die später durch den Londoner Geiger und Konzertunternehmer J. P. Salomon ihren heute allgemein gebräuchlichen Namen „Jupitersinfonie" erhielt, ist die letzte Sinfonie des Meisters. Sie wurde zusammen mit den Sinfonien Es-Dur KV 543 und g-Moll KV 550 im Sommer des Jahres 1788, einer für Mozart mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten verbundenen Zeit, innerhalb weniger Monate komponiert. Ein direkter Anlaß für die Entstehung der drei großen, ihrer Art nach so verschiedenen Sinfonien ist uns nicht genau bekannt, eventuell waren sie für Subskriptionskonzerte bestimmt, die dann allerdings wahrscheinlich nicht zustande gekommen sind. Es ist sogar durchaus möglich, daß Mozart diese seine letzten sinfonischen Werke niemals mehr selbst in einer Aufführung gehört hat. Die Jupitersinfonie läßt nach der strahlend-heiteren Es-Dur- und der melancho lisch-hintergründigen g-Moll-Sinfonie, Mozarts sinfonisches Schaffen krönend, in ihrer wunderbaren Klarheit geradezu einen Inbegriff klassischer Kunst vor uns erstehen. „Ein Werk höchster Harmonie" nannte sie der Mozartforscher Alfred Einstein, und auf diesen „olympischen" Charakter ist wohl auch ihr Beiname zurückzuführen. Bereits äußerlich am größten und glänzendsten angelegt, ist diese Sinfonie von einem stolzen, befreienden und läuternden Gefühl der Kraft erfüllt, gleichsam über alle Schwierigkeiten und Mißgeschicke hinausführend und sie überwindend.