Volltext Seite (XML)
DRESDNER PHILHARMONIE Freitag, den 26. April 1974, 20.00 Uhr Sonnabend, den 27. April 1974, 20.00 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 9. PH I LH ARMON ISC H ES KONZERT • Dirigent: György Lehel, VR Ungarn Solist: Konstanty Kulka, VR Polen, Violine Tibor Sarai geb. 1919 Sinfonie Nr. 1 Moderato Larghetto Allegro DDR-Erstaufführung Sela Bartok Konzert für Violine und Orchester Nr. 2 1881-1945 Allegro non troppo Andante tranquillo Allegro molto PAUSE Cesar Franck 1822-1890 Sinfonie d-Moll Lento — Allegro non troppo Allegretto Allegro non troppo llllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllillll!llllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll KONSIA.JTY KULKA wurde 1947 in Gdansk geboren. Mit acht Jahren erhielt er bereits Unterricht im Violinspiel an der Volksmusik schule in Gdansk-Wrzeszcz. 1960 wurde er in die Musikhochschule in Gdansk aufgenommen, wo er Schüler von Stefan Herman war. Schon während des Studiums trat er oft bei Rund funk und Fernsehen in Erscheinung. 17jährig nahm er am Internationalen Paganini-Wettbe- werb in Genua teil und erhielt dort ein Diplom mit einer Anerkennung. Im Jahre 1966 errang Konstanty Kulka den 1. Preis beim Internatio nalen Musik-Wettbewerb der Rundfunkanstalten in München. Gastspiele in Österreich, der Schweiz, in Frankreich, in Westdeutschland und anderswo brachten aufsehenerregende Erfolge. Der junge polnische Künstler wird als große Geigerbegabung gerühmt; schon jetzt ist er in die erste Reihe der europäischen Violinvirtuosen aufgerückt. Seine besondere Vorliebe gilt der Musik Johann Sebastian Bachs und slawischer Komponisten. Bei der Dresdner Philharmonie gastierte er bereits im Jahre 1969. GYÖRGY LEHEL, einer der prominentesten ungarischen Dirigenten unserer Tage, wurde 1926 in Budapest geboren. Seine musikalischen Studien absolvierte er bei den Professoren Pal Kadosa und Läszlo Somogyi. Er ist seit 1947 Dirigent und seit 1962 als Generalmusik direktor Chefdirigent des Sinfonieorchesters des Ungarischen Rundfunks und Fernsehens in Budapest. Außerdem konzertiert er ständig im Ausland (u. a. in Paris, Moskau, Tokio, Mai land, Palermo, Brüssel, Prag, Berlin, War schau, Wien, Frankfurt/M., München, Buka rest). Konzertreisen führten ihn in letzter Zeit u. a. nach Finnland, Norwegen, der Schweiz, nach Frankreich, Jugoslawien, Italien, der DDR und der BRD. Bei der Dresdner Philharmonie gastierte er wiederholt in den Jahren 1965, 1966 und 1967. Zahlreiche von ihm dirigierte Schallplatten wurden bei Qualiton, Supraphon, bei Westminster und der Deutschen Grammo phon-Gesellschaft aufgenommen. 1955! und 1962 wurde dem Künstler der Liszt-Preis verliehen. ZUR EINFÜHRUNG Der ungarische Komponist Tibor Sarai wurde 1919 in Budapest geboren. Er studierte Komposition bei dem Kodäly-Schüler Pal Kadosa in seiner Geburts stadt. 1948 wurde er Sekretär des Verbandes der Ungarischen Musiker, 1949 Leiter der Musikabteilung im Ministerium für Bildungswesen der VR Ungarn, von 1950 bis 1959 war er Leiter der Musikabteilung des Ungarischen Rundfunks. Von 1953 bis 1959 unterrichtete er am Bela-Bartök-Konservatorium, dann wurde er Professor für Komposition an der Budapester Musikhochschule. Seit 1959 ist er auch Generalsekretär des Ungarischen Komponistenverbandes. 1959 erhielt er den Erkel-Preis. Er komponierte Vokalwerke (Oratorium „Varia tionen auf das Thema des Friedens", ferner Kantaten, Chöre, Lieder), Orchester musik („Frühlingskonzert", sechs Szenen aus dem Ballett „Jänos vitez", Sinfonie Nr. 1, Diagnose 69 für Tenor und Orchester, Musica per 45 corde) sowie Kammer- und Klaviermusik. Außerdem verfaßte er eine Geschichte der tschechischen Musik. Die heute zur DDR-Erstaufführung gelangende dreisätzige Sinfonie Nr. 1 Tibor Sarais entstand in den Jahren 1965 bis 1967 und wurde am 2. Oktober 1968 vom Sinfonieorchester des Ungarischen Rundfunks und Fernsehens unter György Lehel in Budapest uraufgeführt. Der Komponist hatte die Arbeit an der Sinfonie schon beinahe abgeschlossen, als in Griechenland die faschistische Militärjunta an die Macht gelangte. Die sich danach in Griechenland abspielenden Ereig nisse, die Verfolgung und Unterdrückung der Kräfte des Fortschritts erschütterten den Künstler derart, daß er seine Empörung, seinen Protest über die Gescheh nisse wie auch seine Solidarität mit den Verfolgten in dem Werk ausdrücken mußte, an dem er gerade arbeitete. So kam es, daß er seine 1. Sinfonie noch mals unter diesem Gesichtspunkt neu überdachte und überarbeitete. Die Kom position, maßvoll orchestriert, steht stilistisch in der Tradition der neueren ungarischen Musik; sie bedient sich klassischer Formen, aber auch der freizügig gehandhabten Zwölftontechnik. Der erste Satz (Moderato) ist in der Sonatenform geschrieben. Das Intervall der kleinen Terz erweist sich als zusammenfassendes strukturelles Element, das auch melodische und harmonische Entwicklungen bestimmt. Dieses Intervall eröffnet und beschließt die dramatisch-heroischen Auseinandersetzungen des Satzes. Das Hauptthema, konfliktreich angelegt, besteht aus einer weitgespannten Streicher melodie und erregten Bläsereinwürfen. Nach einem Höhepunkt intonieren die Holzbläser das lyrische Nebenthema. In der Reprise kommt es erneut zu star ken Spannungen, leidenschaftlichen Gefühlsäußerungen. Der Mittelpunkt des Werkes ist der meditative, poetische langsame Satz (Lar ghetto). Die Bläser exponieren das reihenmäßig gebundene Material, aus dem sich eine ernste, kantable Hornmelodie entfaltet. Nach einem Andante- Mittelteil kehrt der Satz zu seiner Ausgangssituation zurück, um — attacca — zum Finale (Aliegro) überzuleiten, das mit einem derben Paukenschlag beginnt. Das Grundmaterial des Schlußsatzes stellt das eingangs von den Streichern ein geführte leidenschaftliche, wellenförmige Zwölftonthema dar, zu dem punkt artige Bläser-Einwürfe treten. Nach einer großen Steigerung des musikalischen Verlaufs erklingt ein kurzer Trauermarsch, der übrigens ein zweites Mal ange stimmt, jedoch dann noch heftiger vom Kreislauf der Grundmelodie abgelöst wird als beim ersten Mal. Immer leidenschaftlichere Ausbrüche drängen zum tanzarligen, kraftvollen Schluß der Sinfonie. Hat Bela Bartöks zweisätziges erstes Violinkonzert aus den Jahren 1907/08 noch als Jugendwerk zu gelten, entstanden in der Auseinandersetzung mit dem Geiste Berliozscher und Lisztscher Monothematik, gehört das heute erklingende Konzert Nr. 2 für Violine und Orchester, das in fast VAjährigem Ringen 1937 38 - als nächstes auf die Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta folgendes Orchesterwerk — komponiert wurde, zu den eigengepräg-