Volltext Seite (XML)
DRESDNER PHILHARMONIE Sonnabend, den 16. März 1974, 20.00 Uhr Sonntag, den 17. März 1974, 20.00 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 8. PH I LH ARMON ISCH ES KONZERT Dirigent: Günther Herbig Solisten: Eric Heidsieck, Frankreich, Klavier Helga Termer, Dresden, Sopran Heidi Rieß, Leipzig, Alt Chor: Philharmonischer Chor Dresden Einstudierung Wolfgang Berger Wolfgang Amadeus Mozart Konzert für Klavier und Orchester c-Moll KV 49! 1756-1791 Allegro Larghetto Allegretto PAUSE Gustav Mahler 1860-1911 Sinfonie Nr. 2 c-Moll Allegro maestoso Andante moderato In ruhig fließender Bewegung Urlicht (Sehr feierlich, aber schlicht) Im Tempo des Scherzos: Wild herausfahrend - Langsam - Allegro energico Das Konzert am 16. März 1974 wird vom Sender „Stimme der DDR' 1 mitgeschnitten iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiniiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiini ERIC HEIDSIECK wurde 1936 in Reims geboren. Er studierte u. a. am National konservatorium Paris, wo er 1954 mit einem ersten Preis ausgezeichnet wurde, und vervollkommnete sich bei Alfred Cortot und Wilhelm Kempff. Als Neun jähriger gab er seinen ersten Klavierabend, aber erst 1955 begann seine eigent liche Karriere. Nach einem erfolgreichen Konzert in Paris wurde er für Schall- plattenaufnahmen und für eine ausgedehnte USA-Tournee verpflichtet. Eric Heidsieck gehört zu jenen Pianisten der jungen Generation, denen eine große internationale Karriere vorausgesagt wurde und dessen Entwicklungsgang es immer mehr bestätigt. Mit der Dresdner Philharmonie musizierte er bereits 1967 und 1970. ZUR EINFÜHRUNG Wolfgang Amadeus Mozarts Klavierkonzert c-Moll KV 49 1 gehört zusammen mit den Konzerten Es-Dur (KV 482) und A-Dur (KV 488) zu einer Gruppe von drei Klavierkonzerten, die, in den Wintermonaten 1/85 ; 86 geschrieben, in der geistigen Atmosphäre entstanden sind, die die Arbeit an „Figaros Hochzeit" umgibt. Von diesen drei Konzerten ist das c-Moll- Konzert, das am 24. März 1786 vollendet und am 7. April von Mozart in einem seiner Wiener Subskriptionskonzerte gespielt wurde und dessen Köchel-Nummer der des „Figaro" unmittelbar vorangeht, entschieden das bedeutendste. Es nimmt mit einem Vorstoß in Gebiete der Romantik einen ganz eigenen Platz im Gesamtschaffen Mozarts ein, in ihm offenbart sich deutlich die geistige Wandlung, zu der sich der Komponist zu dieser Zeit in einem schmerzvollen Reifeprozeß hindurchrang. Das ganze Werk atmet tiefe Tragik, düstere Leiden schaftlichkeit. Es ist verständlich, daß Beethoven, der die innere Verwandtschaft dieser Musik zu seiner eigenen fühlte, dieses Konzert besonders geliebt hat. Eine große Orchesterbesetzung (der reichste Orchesterapparat, den Mozart jemals in einem Konzert einsetzte), eine höchst bedeutsame Behandlung und Anwendung der Bläser (Oboen und Klarinetten) weisen auf den ausgeprägt sinfonischen Charakter des Werkes hin, für das ferner eine Verwischung der Grenzen zwischen Dur und Moll der gleichen Stufe wie überhaupt eine Neigung zur Abschwächung der Gegensätze, zur Betonung eines einheitlichen Flusses bezeichnend sind. Der sehr in sich geschlossene erste Satz (Allegro) zeigt in seinem ausgesprochen auf Chromatik gestellten Klangcharakter besonders stark das romantische Gepräge des Konzertes. Das zuerst von Streichern und Fagotten einstimmig vorgetragene Kopfthema des Tutti, das vom Solisten aufgenommen wird, gibt Gelegenheit zu kühnen, weitführenden Modulationen. Im folgenden Larghetto mit seinem romanzenartigen Hauptthema werden die Bläser in einer Weise eingesetzt, die außerordentlich interessant und für die damalige Zeit überaus neuartig anmutet. Der letzte Satz, ein Allegretto mit zwischen Tutti und Solo instrument aufgeteilten Variationen, in denen das ergreifende Thema eine großartige innere Ausweitung erfährt, bietet wieder wahrhaft sinfonische Gestal tungen. Trotz einiger lyrischer Wendungen in diesem Satz wird das Werk in der dunklen, schmerzlichen Stimmung abgeschlossen, die seinen ganzen Charakter bestimmt. „Wenn ich ein großes musikalisches Gebilde konzipiere, so komme ich immer an den Punkt, wo ich mir das .Wort' als Träger meiner musikalischen Idee heran ziehen muß", heißt es in einem Brief Gustav Mahlers von 1897 an den ihm befreundeten Musikwissenschaftler Arthur Seidl im Zusammenhang mit seiner sechs Jahre nach der 1, Sinfonie, im Juni 1894, vollendeten 2. Sinfonie c-Moll. Tatsächlich hat der Komponist, der um dieses Werk in siebenjähriger mühevoller Arbeit lange gerungen hatte, hier dem gesungenen Wort eine be deutsame Rolle zugeteilt. Die als Ganzes am 13. Dezember 1895 in Berlin unter Mahlers Leitung uraufgeführte Sinfonie (einzelne Sätze daraus waren bereits einige Monate früher von Richard Strauss in einem Berliner Konzert der Öffent lichkeit vorgestellt worden) verlangt nicht nur einen durch die Orgel verstärkten sehr umfangreichen Orchesterapparat, sondern auch noch vierstimmigen ge mischten Chor sowie Sopran- und Alt-Solo. Aber sowohl dieses anspruchsvolle Aufgebot instrumentaler und vokaler Besetzung als auch die gewaltigen (von der 3. Sinfonie allerdings noch in den Schatten gestellten) Ausmaße des fünf- sätzig aufgebauten Werkes wurden von Mahler hier — ebenso wie in späteren Schöpfungen — keinesfalls um irgendwelcher äußerlichen Wirkungen willen oder etwa aus dem Drang nach Überbietung alles bisher Dagewesenen heraus ein-