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DRESDNER PHILHARMONIE Sonntag, den 3. Juni 1973, 20.00 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden SONDERKONZERT MIT DEM DRESDNER KREUZCHOR Dirigent: Martin Flämig Solisten: Ute Mai, Dresden, Sopran I Eleonore Elstermann, Dresden, Sopran II Hans-Jürgen Wachsmuth, Halle, Tenor Fiermann Christian Polster, Leipzig, Baß Johann Sebastian Bach 1685-1750 Suite Nr. 3 D-Dur BWV 1068 Ouvertüre (Grave — Vivace) Air Gavotte I und II Bourree Gigue PAUSE Wolfgang Amadeus Mozart 1756-1791 Messe für Soli, Chor, Orchester und Orgel c-Moll KV 427 Kyrie Gloria Credo Sanctus Agnus Dei Nach Mozartschen Vorlagen vervollständigt von G. A. Schmitt illlllilllllllllililiilllllllllllllllllillllllllllllllllllllllllliilliliililliiilliliillllllllillliiiliiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiinniiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiini ZUR EINFÜHRUNG Zu Johann Sebastian Bachs Orchesterwerken gehören neben den verschiedenen Solokonzerten für einzelne Instrumente und den berühmten Brandenburgischen Konzerten vier Orchestersuiten, auch Ouvertüren genannt. Diese Werke stellen Musterbeispiele der Orchestersuite dar, wie sie in dieser Art in Deutschland zwischen 1680 und 1750 von vielen Komponisten gepflegt wurde: zyklische Folgen der verschiedenartigsten, mehr oder weniger stilisierten Tanzformen. Durch die prunkvollen, meist recht ausgedehnten Einleitungssätze im Stil der dreiteilig angelegten französischen Ouvertüre, die den Tanzsätzen vorangehen, erhielten diese Suiten auch den Namen Ouvertüre. Bachs Orchester suiten, von denen die beiden ersten vermutlich noch der Zeit entstammen, in der er als fürstlicher Kapellmeister in Köthen wirkte, während die zwei anderen in Leipzig geschrieben wurden, werden durch die besonderen Kennzeichen seines Stiles, durch die selbst in den Tanzsätzen spürbare kontrapunktische Arbeit und den Reichtum der Erfindung weit über den Charakter der Gebrauchsmusik herausgehoben, als die sie ihr Komponist und seine Zeit wahrscheinlich nur empfanden. Der erste Satz der dreichörigen Suite Nr. 3 in D-Dur für drei Trom peten, .zwei Oboen, Pauken, Streichquartett und Con ti n u o beginnt mit einem feierlichen Grave-Einleitungsteil im punktierten Rhythmus, dem sich ein ausgedehntes Fugato anschließt. Trompeten und Pauken setzen helle Glanzlichter. Der zweite Satz dieser Suite ist der berühmteste: ein Air, was Lied, Gesang, Arie bedeutet. Die unerhört ausdrucksvolle, ergrei fende und zugleich trostvolle Melodie der Violinen dieses vom Streichquartett auszuführenden Satzes gehört zu Bachs gefühlsreichsten Einfällen (kein Wunder, daß sie in einer romantisch-gefühlvollen Bearbeitung verfälscht wurde). In den anschließenden beiden Gavotten wirken die Trompeten mit tonangebend. Nach einer Bourree folgt eine längere Gigue, in der ebenfalls der Trompetenchor registerhaft eingesetzt ist. Die Messe c-Moll KV 427 von Wolfgang Amadeus Mozart entstand in den Jahren 1782,83 in Wien. Bereits 1781 war es zum endgültigen Bruch mit dem Salzburger Erzbischof gekommen, Mozart lebte also freischaffend und mußte nicht mehr die Wünsche eines Brotherrn berücksichtigen. Auch die Kirche richtete keine Aufträge an ihn, die c-Moll-Messe entstand einzig aus einem inneren Antrieb. Mozart hatte gelobt, dieses Werk aufzuführen, wenn seine Braut Konstanze Weber von schwerer Krankheit genesen und er sie trotz väterlichen Widerstandes gegen seine Heiratsabsicht als seine Frau nach Salz burg bringen würde. Dieses Versprechen konnte er jedoch nicht ganz halten; denn die Messe wurde nur als Fragment (wahrscheinlich durch die entsprechen den Teile aus früheren Messen ergänzt) am 25. August 1783 in der Salzburger St.-Peters-Kirche uraufgeführt, wobei Konstanze Mozart — der Vater hatte endlich doch seine Zustimmung zu der Heirat gegeben — das Sopransolo sang. Auch später hat Mozart das Werk nicht vollendet; denn eine weitere Aufführung wurde nicht in Aussicht genommen. Das Fragment der c-Moll-Messe umfaßt Kyrie, Gloria, Sanctus und Benedictus, zum Credo liegen einige Entwürfe vor. Der ehemalige Schweriner Hofkapell meister Georg Aloys Schmitt (1827—1902), der seit 1896 die Direktion des Dresd ner Mozart-Vereins innehatte, vervollständigte 1901 unter Mitarbeit von Ernst Lewicki die Messe nach originalen Mozartschen Vorlagen (aus KV 139, 262, 322, 323, 337, Anhang 21) und führte das Werk in dieser Form am 3. April 1901 in der Dresdner Martin-Luther-Kirche erstmals auf. Aus den 80er Jahren des 18. Jahrhunderts sind Skizzen vorhanden, die zeigen, daß Mozart sich in diesen Jahren unter dem Einfluß Baron van Swietens, eines Verehrers von Bach und Händel, intensiv mit dem kontrapunktischen Stil beschäftigt hat. Ihren Höhepunkt fand die Anwendung des strengen Satzes im Mozartschen Schaffen in der c-Moll-Messe, die zu großen Teilen kontrapunktisch gearbeitet ist. Dieser Stil wird aber nicht dogmatisch angewandt, sondern steht im Dienste des Ausdrucks, ist inhaltlich gerechtfertigt und mit dem Stil empfinden der Mozart-Zeit verschmolzen. Die Orchesterbesetzung richtet sich zwar nach den Salzburger Möglichkeiten (es fehlen Klarinetten), ist aber im Ausmaß erweitert. In den Arien ist der Einfluß der italienischen Oper spürbar, so z. B. im Sopransolo des Laudamus, im Duett der beiden Soprane des Domine und im Terzett des Quoniam. Die c-Moll-Messe Mozarts, die sogenannte Große Messe, ist seine einzige Kantatenmesse, ihre ungewohnten Dimensionen entsprechen dem inhaltlichen Anliegen. Der liturgische Zweck tritt zurück hinter der humanen Bestimmung, nicht mehr ein von der Kirche diktiertes Schema wird ausgefüllt, sondern mensch licher Glauben, Streben nach Gutem und menschliches Leiden wird dargestellt, Gott wird gleichsam vermenschlicht. In dieser Größe weist die c-Moll-Messe auf das Requiem hin und steht selbst auf der Höhe der Passionen Bachs und der Messen Beethovens. I. Kyrie Kyrie (Chor und Sopran I) Kyrie eleison, Christe eleison, Kyrie eleison. II. Gloria Gloria (Chor) Gloria in excelsis Deo et in terra pax hominibus bonae voluntatis. Laudamus te (Sopran II) Laudamus te, benedicimus te, adoramus te, glorificamus te. Gratias (Chor) Gratias agimus tibi propter magnam gloriam tuam. Domine (Sopran I und Sopran II) Domine Deus, rex coelestis pater omnipotens, Domine, fili unigenite, Jesu Christe Domine Deus agnus dei, filius patris. Qui tollis (Chor) Qui tollis peccata mundi miserere nobis, suscipe deprecationem nostram, qui sedes ad dexteram patris, miserere nobis. Herr, erbarme dich, Christus, erbarme dich, Herr, erbarme dich. Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Friede den Menschen, die guten Willens sind. Wir loben dich, wir preisen dich, wir beten dich an, wir verherrlichen dich. Dank sagen wir dir wegen deiner großen Herrlichkeit. Herr, unser Gott, himmlischer König allmächtiger Vater, Herr, des Vaters eingeborener Sohn Jesus Christus Herr, unser Gott, Lamm Gottes, Sohn des Vaters. Der du hinwegnimmst die Sünden der Welt, erbarme dich unser, nimm auf unser Flehen, der du sitzest zur Rechten des Vaters, erbarme dich unser.