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KONGRESS-SAAL DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM Freitag, den 20. Januar 1967, 19.30 Uhr Sonnabend, den 21. Januar 1967, 19.30 Uhr Sonntag, den 22. Januar 1967, 19.30 Uhr 5. PHILHARMONISCHES KONZERT Dirigent: Klaus Tennstedt, Schwerin Solist: Gerhard Puchelt, Berlin Wolfgang Amadeus Mozart Sinfonie Nr. 1 Es-Dur KV 16 1756-1791 Allegro molto Andante Presto Erstaufführung Ludwig van Beethoven 1770-1827 Konzert Nr. 1 für Klavier und Orchester C-Dur op. 15 Allegro con brio Largo Rondo (Allegro) Paul Hindemith 1895-1963 PAUSE Sinfonie „Die Harmonie der Welt“ Musica Instrumentalis Musica Humana Musica Mundana KLAUS TENNSTEDT, der zu den begabtesten jüngeren Dirigentenpersönlichkeiten unserer Republik ge hört, wurde 1926 geboren. Er studierte in den Jahren 1942 bis 1944 Geige und Klavier an der Hochschule für Musik in Leipzig, wirkte dann zunächst als Konzertmeister in Heidelberg und Halle, ehe er 1951 in Halle zum Kapellmeisterberuf überwcchselte. Von 1954 bis 1957 war er als Kapellmeister an den Städtischen Theatern in Karl-Marx-Stadt tätig. 1958 ging er als musikalischer Oberleitcr an die Landes bühnen Sachsen in Dresden-Radebeul und wurde hier zum Generalmusikdirektor ernannt. 1962 folgte er einer Berufung als musikalischer Oberleiter an das Mecklenburgische Staatstheater Schwerin. Gast spiele und Konzerte führten Klaus Tennstedt u. a. zur Brünner Philharmonie, zum Staatstheater Brünn, an die Hamburgische Staatsoper und zum Philharmonischen Staatsorchester Hamburg, zum Radiosinfonie orchester Göteborg und nach Jugoslawien. Mit weithin beachteten Erst- und Uraufführungen von Bühnen werken Rolf Liebermanns, Richard Mohaupts, Earl Robinsons, Paul Konts, Kurt Weills, Paul Hinde miths - die Premiere von Gottfried von Einems Oper „Dantons Tod“ steht in Schwerin unmittelbar bevor — gab er dem Musik- und Thcaterlebcn unserer Republik wertvolle Impulse. Für seine Verdienste um die künstlerische Entwicklung der Mecklenburgischen Staatskapclle Schwerin sowie für seine bedeu tenden Konzert- und Operninterpretationen erhielt er den Fritz-Reuter-Kunstpreis 1966. GERHARD PUCHELT, 1913 im damaligen Stet tin geboren, studierte von 1931 bis 1935 in Ber lin. Seinen ersten entscheidenden Erfolg als Solist hatte er 1945, als er mit den Berliner Phil harmonikern das Schumann-Konzert spielte. Er konzentrierte sich dann ganz auf seine Solisten laufbahn. Nach Konzerten in der Schweiz und in Österreich wurde der Künstler 1954 und 1956 zu Südamerika-Tourneen verpflichtet. Seit 1949 ist Puchelt Professor an der Hoch schule für Musik in Berlin-Charlottenburg; 1951 wurde ihm der Berliner Musikpreis ver liehen. 1955 und 1962 führten ihn begeistert aufgenommene Konzertreisen in die Sowjet union. 1956 spielte er in Finnland und Ru mänien, 1963 und 1964 in Japan, 1964 in den USA. Mit größtem Erfolg gab der Künstler auch in der DDR Klavierabende und Konzerte mit allen führenden Orchestern. Bei der Dresd ner Philharmonie war er wiederholt zu Gast. ZUR EINFÜHRUNG Die Programmfolge unseres heutigen Konzertes stellt, unterbrochen durch das erste Kla vierkonzert Beethovens, bewußt zwei sinfonische Werke einander gegenüber, die nicht nur in der künstlerischen Entwicklung ihrer Schöpfer eine Rolle spielen, sondern in der Geschichte der bürgerlichen Sinfonik zugleich einen charakteristischen Anfangs- bzw. Endpunkt markieren: die Sinfonie Nr. 1 Es-Dur KV 16 von Wolfgang Amadeus Mozart und die Sinfonie „Die Harmonie der Welt“ von Paul Hindemith. Wie die frühen Sin fonien Joseph Haydns erklingen auch Mozarts frühe Arbeiten aus diesem Schalfensgebiet verhältnismäßig selten, fast gänzlich unbekannt geblieben ist seine erste Sinfonie, die er als achtjähriger Knabe 1764 in London komponierte (fünf Jahre vorher, 1759, hatte der 27jährige Haydn seine erste Sinfonie geschrieben). Freilich können sich diese Komposi tionen mit den späteren monumentalen Werken der Gattung im 19. und 20. Jahrhundert nicht messen, doch kann man durch deren Kenntnis die gewaltige Entwicklung, die der sinfonische Zyklus durch Haydn, Mozart, Beethoven bis hin zu Bruckner, Mahler und Schostakowitsch erfahren hat, erst richtig ermessen. Es ist „der Weg vom Dekorativen zum Expressiven, vom Äußerlichen zum Innerlichen, von der Festlichkeit zum Bekennt nis“, wie es A. Einstein einmal fomulierte. Als sich Mozart um die Mitte des 18. Jahr hunderts erstmalig mit dem Begriff „Sinfonie“ auseinandersetzte, bedeutete die itali enische „Sinfonia“ nichts anderes als eine Operneinleitung (Ouvertüre) mit drei knappen Sätzen. Diese Knappheit und das feststehende Schema der Form, innerhalb derer nicht umstürzlerische große Empfindungen und Ideen, sondern festlich-heitere Unter haltung geboten wurden, ermöglichten es dem „Wunderkind“ Mozart, sich erfolgreich in dieser Form auszusprechen, ohne daß schon die Tiefe seelischen Erlebens spürbar wurde, wie sie erst mit zunehmender menschlicher Reife hinzukam. Italienische, Wiener und Salzburger Komponisten und vor allem Johann Christian Bach in London waren dem Knaben Mozart Vorbild für seine ersten sinfonischen Werke. Bei seiner ersten Sinfonie handelt es sich um drei Sätze für Streichquintett, Oboen und Hörner. „Der erste Satz ist ein Allegro molto. Es beginnt mit einem energischen Akkord thema. Ihm folgen acht Takte leiser, getragener Bläserakkorde. Das ist das Kopfthema. Mozart behält den Gegensatz zwischen rauschendem Forte-Tutti-Einsatz und kontrastie rendem, meist leichtem Pianomotiv bis zur Jupitersinfonie bei! Ein regelmäßig in der Dominante stehendes zweites Thema folgt nach Wiederholung dieses Gegensatzpaares; Fortführung und Anhangmotiv beschließen den ersten Teil: die Exposition. Die Durch führung versetzt diesen Anfang in andere Tonart, die Reprise (Wiederkehr des ersten Teiles) beginnt nicht von vorne, sondern mit dem zweiten Thema. Der zweite Satz steht ausnahmsweise in Moll (c); ein Baßmotiv läuft den ganzen Satz hindurch, der aus zwei wiederholten Teilen mit Reprise besteht. Dieser Satz hat noch etwas Altehrwürdi ges, hat etwas barocken Charakter. Um so vergnügter ist der Schlußsatz, ein Presto im 3/8-Takt. Das Thema ist tanzmäßig wie so viele Themen bei Mozart, nicht nur in den letzten Sätzen. Der Presto-Satz wirbelt vorüber; zwischen den Tuttistellen sind zwei stimmige Partien gestellt. Viel hat diese ,Sinfonia' vom Konzert übernommen. So sieht die erste Sinfonie aus, die Mozart mit acht Jahren schrieb.“ (H. Engel). Ludwig van Beethoven hat mit seinen fünf Klavierkonzerten, die er zunächst für sein eigenes öffentliches Wirken als Pianist schrieb, Gipfelwerke der virtuosen Konzertlitera tur geschaffen. Bereits vor den beiden ersten Klavierkonzerten op. 15 und op. 19 hatte er sich mit der Komposition von Klavierwerken beschäftigt (Trios op. 1, zahlreiche Sonaten) und auf diesem Schaffensgebiet weit eher musikalisches Neuland, neue Klang bezirke erschlossen als in der Sinfonik. Die Klavierkonzerte entstanden etwa parallel zu den ersten sechs Sinfonien. Als sein Gehörleiden den Meister zwang, seine von den Zeit genossen hochgeschätzte pianistische Tätigkeit aufzugeben, hatte er sein bedeutendstes Klavierkonzert, das fünfte in Es-Dur, bereits geschaffen und die mit dem dritten Kon zert einsetzende Entwicklung seines konzertanten Schaffens von aristokratisch-gesell-