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KONGRESS-SAAL DEUTSCHES HYGIEN E-M US EUM Sonnabend, 27. Oktober 1962, 19.30 Uhr Sonntag, 28. Oktober 1962, 19.30 Uhr 4. Außerordentliches Konzert Dirigent: Gerhard Rolf Bauer Solist: Julian von Kärolyi, München Fryderyk Chopin (1810-1849) Andante spianato und Polonaise Es-Dur, op. 22, für Klavier und Orchester Konzert für Klavier und Orchester e-Moll, op. 11 Allegro maestoso Romanze (Larghetto) Rondo (Vivace) PAUSE Konzert für Klavier und Orchester f-Moll, op. 21 Maestoso Larghetto Allegro vivace Julian von Kärolyi wurde in Ungarn geboren und erhielt dort seine erste Ausbildung bei Luis Ahorn und Margit Varrö. Mit 15 Jahren gab er seinen ersten Klavierabend in London. Bei Joseph Pembauer (München), Max von Pauer (Leipzig), Alfred Cortot (Paris) und Ernst von Eohnänyi (Budapest) setzte er seine Studien fort. Als Preisträger mehrerer internationaler Pianistenwettbewerbe begann er ab 1934 regelmäßig Zu konzertieren. Seitdem spielt er im In- und Ausland mit allen prominenten Orchestern. ZUR EINFÜHRUNG F ry dery k Chopin (1810-1849), der große polnische Komponist, verlebte seine Jugend in Warschau, wo er schon frühzeitig Musikunterricht erhielt, zuerst bei Wojciech Zwywny, dann am Konservatorium bei dem Geiger und Theaterkapellmeister Joseph Elsner. Bereits im Alter von neun Jahren errang er als musikalisches Wunderkind Erfolge, 19jährig gab er seine ersten Kompositionen heraus. Im Jahre 1831 verließ Chopin, der inzwischen in Warschau als Pianist bereits zu einem Begriff geworden war, kurz vor dem Ausbruch des Aufstandes des polni schen Volkes gegen seine zaristischen Unterdrücker die Heimat und siedelte nach Paris über, wo er - von einigen Reisen abgesehen - bis zu seinem frühen Tode als gefeierter Pianist und Komponist, freundschaftlich verbunden mit bedeutenden Persönlichkeiten seiner Zeit, wie Adam Mickicwicz, George Sand, Balzac, Heine, Liszt, Berlioz, Meyerbecr u. a., geblieben ist. Das kompositorische Werk Chopins umfaßt fast ausschließlich Klaviermusik, aber auf diesem seinem ureigensten Gebiete schuf er eine Fülle kostbarer, unvergänglicher Musik, erschloß er vielfältige neue Ausdrucksmöglichkeiten, eine neue pianistische Technik, ja einen neuen Klavier stil, dessen Auswirkungen bis zum Impressionismus hin zu verfolgen sind. In seinen Klavier werken, den Sonaten, Etüden, Mazurken, Nocturnes, Polonaisen, Preludes, Balladen, Walzern und Scherzi ist eine tiefe, höchst persönliche und ausdrucksstarke Aussage von echt romantischer Prägung verschmolzen mit einer glänzenden Virtuosität, die jedoch niemals wie in den Schöp fungen anderer bekannter Klaviervirtuosen des 19. Jahrhunderts, beispielsweise Ficlds, Hum mels und Kalkbrenners, zum Selbstzweck wird. Von größter Bedeutung für Chopins Schaffen war die Volksmusik seiner polnischen Heimat, von der er sich schon seit frühester Jugend an gezogen fühlte. Ein glühender Patriot, schöpfte der Komponist, den Freiheitsbestrebungen und dem nationalen Erwachen seines Volkes stets eng verbunden, aus den polnischen Volkstänzen und -liedern die farbige Harmonik, die gcsangvollc, figurationsreiche Melodik und die er regende, leidenschaftliche Rhythmik, die seine Werke auszeichnen, und gab als erster dem natio nalen polnischen Stil in der musikalischen Literatur Weltgeltung. Neben den von ihm besonders gepflegten intimen, lyrisch-poetischen kleinen Formen der Klaviermusik besitzen wir von Chopin auch einige wenige größere Werke für Klavier und Orchester, in denen die spezifischen Eigen schaften seines durch nationale Tradition, romantische Haltung, virtuosen Glanz und unerschöpf liche Phantasie gekennzeichneten Stiles gleichfalls zum Ausdruck kommen; so außer den zwei bekannten Klavierkonzerten und der Grande Polonaise Es-Dur, die heute zur Aufführung ge langen, ein Rondo ä la Krakowiak, eine Fantasie über polnische Lieder und Variationen über ein Thema aus Mozarts „Don Giovanni“. Wie die beiden Klavierkonzerte Chopins entstammt auch jenes kleinere Werk für Klavier und Orchester, das unser heutiges Konzert eröffnet, der ersten, jugendlichen Schaffensperiode des polnischen Meisters: die Grande Polonaise brillante Es-Dur, o p. 22. Der Titel sagt genügend über das Wesen dieses Stückes. Es handelt sich um ein virtuoses, effekt volles Werk, das dem klar und durchsichtig behandelten Soloinstrument reiche Entfaltungs möglichkeiten bietet, während die Orchesterbegleitung, nur wenig organisch mit der solistischcn Partie verbunden, im Hintergrund bleibt. Der Polonaise, diesem nationalen polnischen Schreit tanz im 3 //,-Takt, hier in konzertantem, stilisiertem Gewände, geht eine pocsicvollc langsame Einleitung voraus, die nur dem Klavier anvertraut ist und in ihrer thematischen Schlichtheit, ihrem ganzen Stimmungsgehalt an Chopins Nocturnes erinnert. Dieses Andante s p i a - n a t o , in keinem eigentlichen inneren Zusammenhang mit der Polonaise stehend, stellt einen merklichen Kontrast zum nachfolgenden Teil dar. Chopin vollendete sein Klavierkonzert e-Moll, o p. 11, ebenso wie das f-Moll- Konzert, op. 21, im Jahre 1830. Da das e-Moll-Konzert, op. 11, 1833 als erstes veröffentlicht wurde, trägt cs allgemein die irreführende Bezeichnung 1. Klavierkonzert, obwohl es nach