Volltext Seite (XML)
Die dritte Leonoren-Ouvertüre hat Beethoven im Jahre 1806 geschrieben; sie war für die zweite Bearbeitung der Oper „Fidelio** (die bekanntlich bei ihrer Urauf führung durchfiel!) gedacht. Sie unterscheidet sich wenig von der so oft ge spielten zweiten; sie benutzt dasselbe thematische Material, spricht denselben Ideengehalt aus und ist ebenso ein Musikdrama im kleinen. Romain Rolland weist in einer Analyse nach, worin die Unterschiede zwischen den beiden Leonoren-Ouvertüren Nr. 2 und Nr. 3 bestehen. Es sind nur Unterschiede formaler Art, die er nennt. Lassen wir ihn selbst sprechen: „In der Ouvertüre Nr. 3 ist der Grundriß reinlicher gezogen, das Gleichgewicht der Massen streng gewahrt, die Reprise (Wiederholung des ersten Teils) wieder auf genommen und das Ganze von der Vorherrschaft des poetischen Gedankens befreit, der in der zweiten die Zügel der Musik geführt hatte. Damit war die klassische Sonatenform wiederhergestellt, aber in einer Straffheit und könig lichen Fülle, wie nur Beethoven sie wieder herstellen konnte. Wer dächte nicht an das große Crescendo zum Schluß, das wie ein Bergstrom, vom Gewitterregen geschwellt, zu Tal stürzt.und das ganze Gefilde überschwemmt! Und nun mag unter den beiden Meisterwerken auswählen wer will!" Robert Schumann wurde zur Schaffung seiner ersten Sinfonie B-Dur angeregt durch Franz Schuberts große C-Dur-Sinfonie, die er in Leipzig hörte. Die B-Dur- Sinfonie wurde Schumanns erster Versuch mit dem Orchester. In vier Tagen wurde das Werk komponiert. Es war die für Schumann glückhafte Zeit der Ehe mit Clara, und von dem Glück jener Tage ist viel in die erste Sinfonie übergegangen. Die zweite Anregung war außermusikalischer Art: Schumann las das Gedicht „Im Tale geht der Frühling auf" von Adolf Böttger und wurde dadurch angeregt, seinen Sinfoniesätzen die Überschriften „Frühlingsbeginn'', „Abend“, „Frohe Ge spielen" und „Voller Frühling" zu geben. Zwar ließ Schumann den Plan wieder fallen, doch blieb das Thema des Frühlings weiter bestehen. Robert Schumann schuf seine erste Sinfonie aus der Fülle der Gedanken und Überfülle der Einfälle heraus. Ihm ging es weniger um thematische Verknüpfun gen und Verarbeitungen, sondern mehr um das Auskosten der Stimmungsmo mente. Das Glück führte Schumann die Hand, und so klingt die Musik. — In der langsamen Einleitung erscheint das Hauptthema des ersten Satzes in den Hörnern und Trompeten gleich einer Fanfare. Motto: Im Tale zieht der Frühling auf! Die Musik scheint von sonniger Helle durchwoben. Wir spüren etwas Drängendes und Keimendes und verstehen, daß dieser Satz „in einer feurigen Stunde geboren“ wurde. Der zweite Satz wurde als dreiteilige Liedform erfunden, Ruhe, Besinnung, Ver haltenheit, Empfindungstiefe und eine zu Herzen gehende Innigkeit prägen den Charakter dieser echt romantischen Musik. Der dritte Satz schließt sich unmittel bar an, in sich kontrastreich, lebhaft und rhythmisch bestimmt. Vereinzelt scheinen ein paar Schatten aufzuziehen, das Bild des Frühlings zu trüben, doch im letzten dominiert das Glück der Stunde. Beschwingt und tänzerisch gelockert eröffnet eine kurze Einleitung den Finalsatz, der in Sonatenform geschrieben wurde. Hell, strahlend und frohgemut wird das Werk beschlossen. Als Peter Tschaikowski in den Monaten Mai bis August 1888 an seiner 5. Sinfonie arbeitete, wurde er oft von Stimmungen des Zweifels und der Resignation überfallen: „Ist es nicht an der Zeit aufzuhören? Habe ich nicht meine Fantasie überanstrengt? Ist die Quelle nicht versiegt?" Nach der Petersburger Urauf führung am 5. November 1888 war der russische Meister überzeugt, daß seine „Fünfte“ ein mißglücktes Werk sei. Tschaikowski irrte. Durch den Abstand der Zeit wurde eine gerechte Wertung möglich: Die „Fünfte“ bedeutet im Schaffen Tschaikowskis einen glanzvollen Höhepunkt. Sie steht gleichberechtigt neben der „Symphonie pathetique"; ja, es gibt sogar Stimmen, die meinen, daß die „Fünfte" überhaupt die bedeutendste Sinfonie ist, die Tschaikowski je geschrieben hat. Wie dem auch sei: Tschaikowskis 5. und 6. Sinfonie bilden einen Gipfelpunkt vollendeter Sinfonik im 19. Jahrhundert. Mit einer langsamen Einleitung wird der erste Satz eröffnet. Diese Melodie — in allen Sätzen als treibende Kraft wiederkehrend — stellt gleichsam eine Art Schicksalsmotiv dar, über das der Komponist in einem Brief an seine mütterliche Freundin Frau von Meck berichtete: „Unser Ich wird, in Musik übersetzt, nicht mehr sein können, als eine idee fixe im Sinne von Berlioz". Das heißt soviel wie ein unveränderlicher musikalischer Gedanke im Sinne eines Leitmotivs. Der sich steigernde Rhythmus des ersten Themas, der lyrische Strom des zweiten und das leidenschaftliche Gefühl des Abgesanges (zugleich das dritte Hauptthema) werden —- ganz im Sinne der klassischen Sinfonieform — von Tschaikowskis Schöpferkraft zu einem geschlossenen Ganzen von packeqjler Eindringlichkeit zu sammengeballt. Der langsame Satz setzt sich zusammen aus zwei Hauptgedanken, die durch einen Mittelteil getrennt werden. Das Schicksalsmotiv, die „idee fixe“, erfährt