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Johannes Brahms Violinkonzert D-Dur, op. 77 Brahms vollendete sein einziges Violinkonzert während der Sommermonate des Jahres 1878 in Pörtschach am Wörther See, wo ein Jahr zuvor die Zweite Sinfonie entstanden war. Beide Werke scheinen die Schönheit jener Kärntner Landschaft eingefangen zu haben und zeugen von der heiteren, gelösten Stimmung, in der sich Brahms damals befand. Clara Schumann wies als erste auf die Verwandtschaft zwischen dem Violinkonzert und der Zweiten Sinfonie hin. Im September 1878 schrieb sie unter dem Eindruck des ersten Satzes des Violinkonzerts: „Sie können sich wohl denken, daß es ein Konzert ist, wo sich das Orchester mit dem Spieler ganz und gar verschmilzt, die Stimmung in dem Satze ist der in der zweiten Symphonie sehr ähnlich, auch D-Dur . . .“ Während der Arbeit am Violinkonzert bat Brahms seinen langjährigen Freund, den be rühmten Geiger Joseph Joachim, mehrmals um kritische Hinweise, nahm aber bezeichnen derweise dessen technischen Ratschläge, die zum Teil auf eine Vereinfachung des Soloparts hinausliefen, kaum an. Am Neujahrstag des Jahres 1879 wurde das Konzert von Joachim und dem Gewandhausorchester unter Leitung des Komponisten in Leipzig uraufgeführt. Es fand aber zunächst nur sehr mäßigen Beifall. Wenige Wochen später spielte es Joachim jedoch mit außerordentlich großem Erfolg zweimal in London. Er berichtet: „Daß ein Solo stück in zwei (Londoner) Philharmonischen Konzerten nacheinander aufs Programm kam, ist bisher . . . nur mit Mendelssohns g-Moll-Konzert, von ihm selbst gespielt im Manuskript, vorgekommen.“ Mit Beethovens Violinkonzert hat das von Brahms nicht nur die Tonart gemeinsam, sondern es folgt auch in der Gesamtkonzeption dem großen Vorbild. Weit entfernt von einem Virtuosenkonzert im herkömmlichen Sinne, bestimmen nicht technische Probleme, sondern allein der geistige Gehalt seinen Wert. Die enormen technischen Schwierigkeiten des Kon zerts stehen immer im Dienste der Gesamtidee. Brahms plante ursprünglich ein viersätziges Violinkonzert, übernahm aber dann den dritten Satz, ein Scherzo, in das B-Dur-Klavierkonzert. Dem gewaltigen ersten Satz liegt das klassische Sonatenschema zugrunde. Die Orchestereinleitung beginnt mit dem sanglichen Hauptgedanken, dessen dreiklangsgebundenen ersten Teil die Oboen zu einem sechzehn taktigen Thema erweitern: Während ein zweites Thema nur angedeutet wird, erklingt das energische, stark akzentuierte dritte Thema bereits in seiner endgültigen Gestalt: Es löst eine lebhafte Bewegung aus, die den Einsatz der Solovioline herbeiführt. Nach präludierenden Passagen über einem gewaltigen Orgelpunkt trägt die Violine das Haupt thema in die höchsten Lagen. Das wiegende zweite Thema wird erst jetzt im Soloinstrument voll ausgesungen: Dramatische Spannkraft, aber auch ruhige Gelöstheit kommen in der Durchführung zum Ausdruck. Im Fortissimo des vollen Orchesters setzt die Reprise mit dem Hauptthema ein. Auf die Kadenz folgt eine verhalten beginnende Coda, die in eine kurze jubelnde Stretta (drängend beschleunigte Schlußpassage) mündet. Mit einer wunderschönen, schlicht-volkstümlichen F-Dur-Dreiklangsmelodie der Oboe setzt das Adagio ein. Sie wird von der Violine aufgegriffen und ornamentierend fort gesponnen. Nach einem Mittelteil in fis-Moll, in dem sich die Figurationen der Solovioline immer mehr verdichten, wird die innige Anfangsmelodie im zartesten Pianissimo wieder aufgenommen. Die Solovioline stimmt das tänzerische Hauptthema des in Rondoform gehaltenen Schluß satzes an: Diese temperamentvolle Melodie- erinnert an ungarische Weisen, die Brahms neben dem deutschen Volkslied so liebte und mehrfach in sein Schaffen einbezog. Übermütige Fröhlich keit erfüllt diesen mitreißenden Schlußsatz, in dem das Hauptthema — unterbrochen von einigen Nebenepisoden — immer wiederkehrt. Renate Jahn LITERATU RH IN WEISE Martynow: Dmitri Schostakowitsch (Henschel-Verlag Berlin, 1947) Abert: Wolfgang Amadeus Mozart • Kalbeck: Johannes Brahms VORANKÜND I GUNG Nächste Konzerte im Anrecht B: 30. und 31. Januar 1960 6. Außerordentliches Konzert: 6. und 7. Februar 1960 Gastdirigent: Dr. Vaclav Smetäcek, Prag Im 7. Außerordentlichen Konzert der Dresdner Philharmonie am 16. und 17. Februar 1960 wird der sowjetische Pianist Sergej Dorenski, Moskau, musizieren. Auf dem Programm steht das Klavierkonzert Nr. 1 C-Dur von Ludwig van Beethoven, das Klavierkonzert von Aram Chatschaturjan und die Sinfonie Nr. 101 D-Dur („Die Uhr“) von Joseph Flaydn. Leitung: Siegfried Geißler Kartenvorverkauf ab 1. Februar 1960 in den bekannten Vorver kaufsstellen ! 5. AUSSERORDENTLICHES KONZERT 1959/60 6017 Ra III-9-5 160 1,4 It G 009/60/8