Volltext Seite (XML)
Franz Schmidt: Variationen über ein Thema von Beethoven Franz Schmidt (1874—1939) vertritt die große Wiener Tradition und vereint in sich die besten Eigentümlichkeiten der Wiener Klassik und der Wiener Romantik. Er ist Spätromantiker und gehört an die Seite Gustav Mahlers und des Komponisten Richard Strauß, der lange Jahre seines Lebens Wien zur Wahlheimat gemacht hatte. In Schmidts Schaffen (Oper: „Notre Dame“, sieben Sinfonien, ein Oratorium, viel Kammermusik) äußert sich sehr viel vom Geiste dieser heiteren, frohgelaunten Stadt, vor allem ein Sinn für Gefühlswärme und eine üppige Sattheit. Die Concertanten Variationen über ein Thema von Beethoven sind ein Klavierkonzert. In diesem Werk versucht Franz Schmidt eine Synthese zwischen der Welt der Klassik und jener der Romantik zu schaffen. Das Beethovensche Thema, das nach der langsamen Einleitung vom Streichkörper des Orchesters vorgetragen wird, zwingt ihn zu einer Verarbeitung im klassischen Sinne. Jedoch bricht immer wieder das liebenswürdige, romantische Talent Franz Schmidts durch, der, selbst viele Jahre lang Orchestermitglied des Wiener Philharmonischen Orchesters, die Orchesterpalette aufs feinste beherrscht. So entsteht ein reizvolles, recht abwechslungsreiches Werk, das durch seinen Wohl klang viel Freunde gewinnen wird. So entsteht ein Werk, das den Geist der klas sischen Tradition, der im Thema aufklingt, umformt und ihn so verwandelt, daß die Spätzeit Wiens lebendig wird mit ihren großen musikalischen Persönlichkeiten wie Bruckner und Mahler. Diese Welt wieder zu beschwören, ist die Größe Schmidts. Es gelingt ihm meisterhaft. Ludwig van Beethoven: Sinfonie Nr. 3 (Eroica) 1802 sagte Beethoven zu seinem Freunde Krumpholz: „Ich bin mit meinem bis herigen Schaffen nicht zufrieden; von nun an will ich einen neuen Weg betreten.“ Dieser Ausspruch ist ein Beweis dafür, daß ab und zu auch das Neue in der Kunst „gewollt“ ist, was viele Menschen nicht gern wahrhaben möchten. Bei Beethoven war es in Hinsicht auf seine Dritte Sinfonie, die „Eroica“, so. Diese Heldensinfonie, diese einem Heros geweihte Musik soll nicht nur seinem Drang nach Neuem Aus druck verleihen, sie soll auch Spiegel des Zeitgeschehens sein. Beethoven bewunderte Napoleon in seiner Eigenschaft als erster Konsul der neuen französischen Republik, er bewunderte seine Willenskraft und die Größe seines Charakters, er sah in diesen Eigenschaften die Hauptmerkmale eines „Helden“, der für den Frieden und nicht für den Krieg arbeitet. 1804 aber setzte sich Napoleon die Kaiserkrone auf und ent täuschte damit Beethoven aufs tiefste. „Ist der auch nichts anderes als ein gewöhn licher Mensch? Nun wird er auch alle Menschenrechte mit Füßen treten, nur seinem Ehrgeize frönen; er wird sich nun höher als alle anderen stellen, ein Tyrann werden!“ Die Widmung an „Bonaparte“, die vor dem Werk stand, mußte verschwinden. Beethoven nannte sie die „Eroica“. 1805 wurde diese Sinfonie mit dem Hinweis auf die Vorstellung des Heldenhaften, den Empfindungsausdruck des Heldischen, uraufgeführt. Den damaligen Hörern war sie befremdlich wegen ihrer Länge (ein Hörer rief, er gäbe noch einen Kreuzer, wenn es nur bald auf horte!), ungewöhnlich im Klang, unverständlich im Sinn. Im ersten Satz, der seinen Charakter vom Heldenthema in Es-Dur erhält, das sich als gebrochener Es-Dur-Akkord ausweist, ist ein Reichtum an Einfällen und Über raschungen, an ungewöhnlichen Wendungen und Neuartigkeiten, ist eine Fülle von Gedanken vorhanden, daß der bisher übliche Zuschnitt an Länge nicht mehr aus reichte. Der zweite Satz ist berühmt als Trauermarsch geworden — aber er ist mehr als ein Marsch, er ist ein schmerzerfülltes, tränenlösendes Seelengemälde. Mit dem dritten Satz schafft Beethoven sein erstes Scherzo. Das ist etwas ganz Neues für das damalige zeitgenössische Schaffen. Er macht diesen Satz den anderen ebenbürtig. Der Inhalt ist phantastisch. Das Trio dagegen verbreitet Wohlbehagen und Fröhlich keit. Der Schlußsatz ist in der Variationsform gehalten. Pathos und Großartigkeit sprechen aus ihm. So rundet sich das Bild eines heroischen Daseins, das wohl im Grunde Beethovens Dasein selbst war. Johannes Paul Thilman Einführungsvorträge: Gottfried Schmiedel Literaturhinweise: Schönewolf: Beethoven in der Zeitenwende VORANKÜNDIGUNGEN Dienstag, 19. Januar 1960, 19.30 Uhr 2. Kammermusikabend, Anrecht C der Kammermusikvereinigung der Dresdner Philharmonie Werke von J. Chr. Bach, S. Prokofjew und D. Schostakowitsch Freier Kartenverkauf! Nächstes A-Konzert! Sonnabend, 23. Januar 1960, 19.30 Uhr, Anrecht A 1 Sonntag, 24. Januar 1960, 19.30 Uhr, Anrecht A 2 Der Dresdner Philharmonie ist es gelungen, den hervorragenden sowjetischen Geiger Igor Besrodni, Moskau, für das 5. Außerordentliche Konzert am 26. und 27. Januar 1960 zu gewinnen. Prof. Besrodni, 1930 geboren, ist trotz seiner Jugend ein internationaler Begriff geworden. Seine großen Erfolge in allen volksdemokratischen Ländern sowie in Finnland, Österreich, England, Frankreich, Holland, Schweden, Belgien, Schweiz, Japan und Amerika versprechen unserem Konzertpublikum wiederum ein großes künstlerisches Erlebnis. PROGRAMM: D. Schostakowitsch W. A. Mozart J. Brahms 9. Sinfonie Violinkonzert D-Dur Violinkonzert Leitung: Nationalpreisträger Prof. Heinz Bongartz Kartenvorverkauf ab 11. Januar 1960 in den bekannten Vorverkaufsstellen 3 .ZYKLUS-KONZERT „Musik von großen Meistern — um große Meister“ Anrecht B 1959/60 6013 Ra III-9-5 160 1,4 ItG 009/60